Polen:Wo der Präsident Rechtsstaatlichkeit "Terror" nennt

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Gegner: Polens Präsident Andrzej Duda (l.) hatte immer die PiS-Regierung unterstützt. Mit Ministerpräsident Donald Tusk kommt er nicht zurecht. (Foto: Wojtek Radwanski/AFP)

Der Konflikt zwischen der neuen Regierung von Donald Tusk und Vertretern der PiS-Partei spitzt sich zu. Staatsoberhaupt Andrzej Duda spielt dabei eine Schlüsselrolle, Kampfzone ist vor allem die Justiz.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Donald Tusk kommt am Nachmittag ein bisschen zu spät zur Pressekonferenz, die er nach dem Treffen mit Präsident Andrzej Duda am Montag angesetzt hat. Es ging mal wieder um die Justiz. Der Ministerpräsident spricht langsam, mit längeren Pausen. Einer der eher ruhig gesprochenen Sätze lautet: "Für mich ist dieser Terror der Rechtsstaatlichkeit eines der Grundprinzipien, denen ich folgen möchte."

Terror der Rechtsstaatlichkeit? Das war ein Zitat. Und zwar von Präsident Duda. Beide Staatsmänner hatten am Wochenende an Gedenkfeiern teilgenommen. Duda beging in einem südpolnischen Dorf den 150. Geburtstag des Bauernführers Wincenty Witos, der vor mehr als 100 Jahren Ministerpräsident Polens war. Donald Tusk erinnerte in seiner Heimatstadt Danzig an den Mord an seinem Parteifreund, dem damaligen Bürgermeister der Stadt, Paweł Adamowicz, vor fünf Jahren.

Duda warf der Regierung bei seiner Rede in Wierzchosławice "Arroganz" vor, sie sei getrieben von jenem "Terror der Rechtsstaatlichkeit". In Danzig versprach unterdessen Ministerpräsident Tusk seinem ermordeten Freund: "Wir werden nicht ruhen, bis wir sicher sind, dass Polen, dass die polnische Nation frei von Verachtung und Hass, frei von Lügen sein wird."

Ein Staatsanwalt besetzt sein Büro, ein Ex-Innenminister ist in Haft

Mit Tusk und seiner Regierung ist eine neue Sprache eingezogen, wenngleich auch die Reden ihrer Politiker nicht frei von Zuspitzungen oder Sarkasmus sind. Etwas mehr als vier Wochen ist Donald Tusk nun polnischer Ministerpräsident und führt eine liberal-konservative Koalition aus insgesamt vier Parteien an. Seitdem verändert sich täglich so viel, dass man leicht den Überblick verlieren kann.

Vor allem in der Justiz. Richter werden suspendiert, Kammern aufgelöst. Zuletzt berief Justizminister Adam Bodnar den Leiter der Nationalen Staatsanwaltschaft ab. Präsident Duda erklärte diese Entscheidung für ungültig. Der Staatsanwalt hält nun laut polnischen Medien sein Büro besetzt, verlässt auch das Gebäude nicht.

Und seit einer Woche diskutiert das Land über den früheren Innenminister Mariusz Kamiński und dessen Staatssekretär Maciej Wąsik, die seit vergangenem Mittwoch im Gefängnis sind, wegen Amtsmissbrauchs. Die neue Regierung findet das rechtmäßig, der Präsident bezeichnet es als Unrecht. Im Moment ist die Rollenverteilung so: Präsident Andrzej Duda mit seinem Veto-Recht, die PiS-Partei und das Verfassungsgericht auf der einen Seite. Donald Tusk mit seiner Regierung auf der anderen - dazu einige unabhängige Richter und Staatsanwälte, welche die Rechtsbrüche der PiS in den vergangenen Jahren kritisierten, deren Rechtsauffassung nicht mittrugen.

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Wie sollen Straftaten von PiS-Leuten verfolgt werden?

Am Montag besuchte Donald Tusk Präsident Andrzej Duda in dessen Amtssitz, die beiden redeten anderthalb Stunden miteinander. Tusk hatte um das Gespräch gebeten. Noch bis zum Frühsommer 2025 müssen die beiden miteinander auskommen, erst dann endet Dudas Amtszeit. Sie kommen aber nicht miteinander aus, die beiden sind ganz offensichtliche Gegner. Auch deshalb konnte Tusk wohl nur wenig über das reden, worüber er reden wollte - über internationale Angelegenheiten. Präsident Duda wollte über Recht reden. Oder das, was er dafür hält.

"Bitte hören Sie auf, gegen das Gesetz zu verstoßen", das habe er Tusk erneut gesagt, erklärte Duda nach dem Treffen. Schon in seiner Neujahrsansprache hatte er von Rechtsbrüchen der Regierung gesprochen und ihr Verstöße gegen die Verfassung vorgeworfen. Tusk konterte am Montag, er habe Duda im Gespräch darauf hingewiesen, dass er, der Präsident, der PiS-Regierung geholfen habe, den Rechtsstaat abzubauen, und damit zu dem Rechtschaos beigetragen habe, das nun herrsche.

Und alles hängt an Recht und Gesetz. Polen soll wieder ein Rechtsstaat werden. Nur so kommt Geld von der EU. Nur so lässt sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk reformieren. Nur so können Straftaten geahndet werden - vor allem solche, die von PiS-Politikern begangen wurden. Es gibt Vorwürfe der Bereicherung, Verschwendung öffentlicher Mittel, auch Amtsmissbrauch könnte eine Rolle spielen.

"Es ist alles ein bisschen chaotisch."

"Die neue Regierung kommt nicht darum herum, zu experimentieren", sagt Krzysztof Izdebski von der Batory-Stiftung, die sich für Demokratie und Bürgerrechte engagiert. Für diese Situation gebe es keine Vorlage, sagt der Jurist. "Es ist alles ein bisschen chaotisch", räumt er ein. Daran sei nicht nur die verwirrende Rechtslage schuld. Das habe auch politische Gründe. "Die Wählerschaft dieser neuen Regierung will Ergebnisse, Veränderungen sehen." Auch deshalb gehe vieles so schnell. "Die Regierung will zeigen, dass sie handelt."

Izdebski gehört zu jenen, die kritisierten, die Regierung hätte für den Umbau der Staatsmedien vielleicht andere, geschicktere Methoden wählen können. "Trotzdem sind sie auf einem guten Weg." Mit dieser Ja-aber-Haltung ist Izdebski derzeit in guter Gesellschaft. Viele Beobachter kommen letztlich zu dem Schluss, dass der Eifer der Regierung unumgänglich ist. Vor allem angesichts der Blockade-Haltung des Präsidenten. "Sie versuchen, sich an das Recht zu halten und gleichzeitig ein wenig darum herumzugehen", beschreibt Izdebski die Strategie.

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Die PiS-Partei will ihre Macht nicht aufgeben. Und sie ist schon wieder im Wahlkampf, denn es stehen vor den Europawahlen im Juni noch Kommunalwahlen an. Mindestens bis dahin, so die allgemeine Erwartung, werde PiS das Spektakel weiterführen und mit ihr Andrzej Duda. Die täglichen, verbalen Attacken finden nun zwar auf X und in privaten Fernsehsendern statt, werden aber eher noch radikaler, als sie ohnehin schon immer waren.

Donald Tusk verkündete am Montag das Datum des nächsten Showdowns, also der nächsten Wahl: Am 7. und 21. April sollen die Kommunalvertreter gewählt werden. Traditionell lagen dabei immer Vertreter lokaler Initiativen oder der heutigen Regierungsparteien vorn. Die neueste Umfrage am Montagabend zeigt zudem: PiS hat im Vergleich zur Parlamentswahl sechs Prozentpunkte verloren.

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