EU und Polen:Eine Annäherung, kein Durchbruch

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Polens Präsident Andrzej Duda beim Treffen mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel. (Foto: Reuters)

Polens Präsident Andrzej Duda sendet mit seinem Besuch in Brüssel widersprüchliche Signale. Die EU gibt sich reserviert.

Von Josef Kelnberger und Matthias Kolb, Brüssel

Polens Präsident Andrzej Duda beim Treffen mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel. (Foto: Reuters)

Es sind widersprüchliche Signale, die Brüssel derzeit aus Warschau empfängt. Das beginnt schon mit der Reiseroute von Präsident Andrzej Duda. Als einziger hochrangiger Vertreter aus der Europäischen Union reiste der Pole zur Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele nach Peking. So zerstörte er auch den letzten Anschein, die EU beziehe eine einheitliche Position zu China und bleibe ­- ob aus Protest gegen die Menschenrechtsverletzungen oder auch nur wegen Covid-Lage - den Olympischen Spielen halbwegs geschlossen fern. An diesem Montag nun flog Duda nach Brüssel, und man konnte fast den Eindruck haben, da schwebe eine polnische Friedenstaube zu den Treffen mit Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein.

Um kurz nach elf Uhr nehmen Duda und von der Leyen ihre Masken für die Fotografen ab, danach geht es ohne eine Berührung von Händen, Ellbogen oder Fäusten weiter zum Gespräch. In einem Tweet schreibt von der Leyen später von einem "guten Austausch" und nennt als Themen die aktuelle Sicherheitslage und Russlands Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Im Falle einer "weiteren Eskalation" Moskaus werde die EU mit Sanktionen reagieren, so von der Leyen, und natürlich arbeite man daran, die Energieversorgung zu garantieren. Zum Thema, das seit ihrem Amtsantritt im Dezember 2019 die Beziehungen zwischen Warschau und Brüssel belastet, nämlich der Lage des Rechtsstaats und dessen Aushöhlung durch Polens nationalkonservative Regierung, teilt von der Leyen mit: Man habe das "Ziel diskutiert, in Polen ein robustes Gerichtssystem zu haben, das EU-Standards entspricht".

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Vergangene Woche hatte Duda einen Vorstoß angekündigt, der den Dauerstreit mit der EU angeblich entschärfen soll. Der Grund: Polen brauche Ruhe, und Europa müsse angesichts der Ukraine-Krise zusammenstehen. Der Präsident will daher ein Gesetz zur Auflösung der "Disziplinarkammer" einbringen. Sie ist eingerichtet worden, um missliebige Richter auf Linie zu zwingen, weshalb der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine tägliche Strafzahlung von einer Million Euro verhängt hat. Polen weigert sich bisher zu zahlen.

Duda verbreitete nach den Gesprächen mit Ursula von der Leyen und Charles Michel gegenüber polnischen Medien großen Optimismus, dass nun auch die EU-Institutionen gewillt seien, "das Problem zu lösen". Tatsächlich ist in Kommissionskreisen Erleichterung zu hören, dass nach vielen Monaten wieder Bewegung in die Gespräche kommt. Allerdings müsse man nun erst prüfen, wie das Gesetz formuliert ist. Und das Verabschieden des Gesetzes allein recht nicht: Die Kommission fordert, dass konkrete Forderungen erfüllt werden. Dazu gehört nicht nur die Abschaffung der Disziplinarkammer. Es müssen auch Richter, die aus dem Amt entfernt wurden, wieder in den Dienst zurückkehren können.

Polen hofft, 24 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbaufonds loszueisen

Duda hofft, mit seinem Schritt nicht nur den Zahlungsbefehl des EuGH zu stoppen, sondern auch die 24 Milliarden Euro an Zuschüssen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds loszueisen, die die Kommission wegen rechtsstaatlicher Bedenken nicht freigibt. Die Auflösung der Kammer könnte durchaus der Ansatz für einen Kompromiss sein. Allerdings hat die von der PiS geführte Regierung die Justiz bereits so weit unter ihre Kontrolle gebracht, dass sie auf diese Kammer verzichten könnte - und das weiß man auch in Brüssel.

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Inwieweit Duda sich gerade emanzipiert von seinem politischen Ziehvater, dem allmächtigen PiS-Chef Jarosław Kaczyński, ist reine Spekulation. Er hatte die Öffentlichkeit schon überrascht, als er im Dezember sein Veto gegen ein umstrittenes Mediengesetz einlegte. Wie uneins die Regierung ist, belegt eine Äußerung der Partei "Solidarisches Polen", die mit der PiS koaliert und von Justizminister Zbigniew Ziobro angeführt wird: Duda dürfte nun nicht den Eindruck erwecken, als würde Polen gegenüber der EU "die weiße Flagge hissen". Davon ist die Regierung noch weit entfernt.

Duda hat als Präsident alle Entscheidungen mitgetragen, die zu Polens Dauerkonflikt mit den EU-Institutionen geführt haben. Das punktuelle Einlenken könnte darauf hindeuten, dass der drohende Entzug der Fördergelder Wirkung entfaltet. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat erst kürzlich den Streit mit Tschechien um den Ausbau des im Grenzgebiet liegenden polnischen Braunkohletagebaus Turow entschärft. Er unterzeichnete einen Vertrag mit Ministerpräsident Petr Fiala, der etwa finanzielle Ausgleichszahlungen in Höhe von 45 Millionen Euro vorsieht. Tschechien hat daraufhin die Klage vor dem EuGH zurückgezogen, der gegen Polen eine Geldstrafe von täglich 500 000 Euro verhängt hatte.

Weit entfernt von einem Durchbruch im Streit mit der EU

Von einem Durchbruch im Streit mit der EU ist Polen aber noch weit entfernt. Von der Leyen steht unter Druck, in Fragen der Rechtsstaatlichkeit Härte zeigen und auch den Rechtsstaatsmechanismus anzuwenden, der es der Kommission erlaubt, Haushaltsmittel zu sperren. Nächste Woche wird der EuGH sein Urteil verkünden, ob dieser Mechanismus mit EU-Recht vereinbar ist. Polen und Ungarn haben dagegen geklagt. Sollte der EuGH die Klage abweisen, dürfte von der Leyen kaum umhinkommen, die ersten Schritte einzuleiten, wobei vor allem Ungarn mit Strafen zu rechnen hätte.

Polnische Vertreter haben in Brüssel für den Fall, dass es keine Einigung gibt, bereits eine Totalblockade der EU-Institutionen angekündigt. Es wirkte wie eine Drohung, als Polen im Januar in Brüssel einen Kompromiss zu den Asylregeln an der Grenze zu Belarus platzen ließ. Es ging um die Möglichkeit von Internierungen und beschleunigten Abschiebungen, die unter den EU-Diplomaten der 27 Mitgliedsländer schon so gut wie vereinbart war. In letzter Minute teilten die polnischen Vertreter mit: Der Kompromiss gehe nicht weit genug.

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