Bundesjustizminister Buschmann in Polen:"Versuchen Sie, sich an die Prinzipien des Rechtsstaats zu halten"

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Polens Justizminister Adam Bodnar (l.) begrüßt seinen Amtskollegen Marco Buschmann in Warschau. (Foto: Ann Beatrice Clasmann/DPA)

Das rät Justizminister Marco Buschmann Studenten an der Uni Warschau. Einen entsprechenden Appell an Präsident Duda verkneift er sich beim ersten offiziellen deutschen Besuch bei der neuen polnischen Regierung.

Von Viktoria Großmann, Warschau

"Es gibt da keinen Wettbewerb, wer der Erste ist." Bescheiden gesteht Marco Buschmann, es sei eigentlich mehr oder weniger Zufall, dass nun ausgerechnet er der erste offizielle deutsche Besucher der neuen polnischen Regierung sei. Am Dienstag war der Bundesjustizminister erst nach Estland, dann weiter nach Polen gereist und hatte in Warschau Adam Bodnar, den polnischen Justizminister getroffen. Die liberalkonservative Regierung unter Ministerpräsident Donald Tusk ist seit dem 13. Dezember im Amt.

Aber das hier ist Polen, und da gibt es prinzipiell keine Zufälle. Alles hat seine Bedeutung. Zunächst einmal ist Tauwetter. Von den Stuckornamenten der wieder aufgebauten Prachtbauten im Warschauer Ministeriumsviertel tropft der Schnee auf die Reisegruppe. Und wenn man hört, wie Buschmann über die "sehr mutigen Entscheidungen" der neuen polnischen Regierung zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit spricht, dann kann man auch das Tauwetter zwischen den beiden Nachbarländern spüren.

Der Präsident spricht vom "Terror der Rechtsstaatlichkeit"

Zweitens hat Präsident Andrzej Duda sich ausgerechnet diesen Abend ausgesucht, um sich über eine Empfehlung von Justizminister Bodnar hinwegzusetzen. Womit man mittendrin im polnischen Streit um die Rechtsstaatlichkeit ist. Die neue Regierung will diese im Einklang mit Urteilen des Europäischen Gerichtshofs wiederherstellen. Der Präsident und die PiS-Juristen an den Gerichten, darunter das Verfassungsgericht, wehren sich. Kürzlich sprach Duda von einem "Terror der Rechtsstaatlichkeit".

Am Dienstagabend verkündete der Präsident, er werde Maciej Wąsik und Mariusz Kamiński erneut begnadigen. Genau zwei Wochen zuvor, auch an einem Dienstagabend, waren der ehemalige PiS-Innenminister Kamiński und sein enger Mitarbeiter Wąsik am Dienstsitz des Präsidenten von Polizisten abgeführt worden. Gegen die beiden lag ein Haftbefehl vor. Sie wurden wegen Amtsmissbrauchs und Dokumentenfälschung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Weil der Präsident die beiden schon 2015 begnadigt hatte, konnten sie in acht Jahren PiS-Regierungszeit ihren Karrieren nachgehen. Damals war aber das Urteil noch gar nicht rechtskräftig gewesen, das wurde es erst Ende Dezember - und nun bezeichnen Andrzej Duda und die PiS-Politiker die beiden Verurteilten als "politische Gefangene". Am späten Dienstagabend wurden sie freigelassen.

Bei seiner Rede wird der Innenminister vom Nahostkonflikt eingeholt

Wer in der polnischen Regierung, außer Premier Donald Tusk, könnte also derzeit wichtiger sein als der Justizminister? Buschmann zeigte sich angetan von seinem neuen Amtskollegen. Bodnar hatte schon zu PiS-Regierungszeiten als Ombudsmann für Bürgerrechte gegen die Eingriffe in die unabhängige Justiz gekämpft.

Die polnische Innenpolitik wolle er aber nicht kommentieren, sagt Buschmann noch in die Fernsehkamera. Indirekt tut er es dann eine Stunde später doch. Da hält der FDP-Politiker vor etwa 60 Jura-Studenten an der Universität Warschau einen Vortrag über "Freiheit und Recht in Europa".

Er spricht auf Englisch - was manchmal wirklich eine Gnade ist, wenn Europäer mit unterschiedlichen Muttersprachen miteinander reden müssen. Es schafft einen gewissen, zivilisierten Abstand. Kaum hat Buschmann im Hörsaal ein paar Minuten gesprochen, wird er von einem Protest unterbrochen. Eine Studentin trägt ruhig Kritik an Deutschlands Israel-Politik vor, sechs andere halten neben ihr Schilder hoch, auf denen unter anderem steht: "Stop Germany's unconditional support of the Israeli Government".

Studenten unterbrechen Buschmanns Rede an der Universität Warschau mit Protesten gegen den Krieg in Gaza. (Foto: Antoni Kobus)

Deutschland soll also seine "bedingungslose Unterstützung der israelischen Regierung" beenden. Buschmann versucht zu entgegnen. Kommt aber nicht zu Wort. Und der polnische Veranstaltungsleiter ruft in schönstem Unterhaus-Englisch "Order" in den Hörsaal. Bis die Studenten schließlich von dannen ziehen. Nachher stellt sich heraus: Es waren alles Auslandsstudenten, darunter Deutsche.

Bei Freiheit und Recht in Europa geht es um Fairness, sagt Buschmann

Sekunden später spricht Buschmann schon übers Hambacher Fest und die "Polenschwärmerei", also die Begeisterung für den polnischen Freiheitskampf. Eine Begeisterung, die erst den deutschen Königen und später den Staatsratsvorsitzenden der DDR ein Dorn im Auge war. Noch ein paar Minuten polnischer Freiheitskampf und Buschmann ist in seiner insgesamt kompakten Rede bei der Rechtsstaatlichkeit angelangt. Wer von Freiheit und Recht in Europa spreche, der richte sich damit niemals gegen jemanden. "Es geht um Fairness."

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Alles Weitere hört sich an wie ein reiner Kommentar auf das, was der studierte Jurist Duda in seinem Amtssitz, fünf Minuten zu Fuß entfernt, sich so ausdenkt. Die Verfassung eines Staates, sagt Buschmann, müsse beständig sein. Sie solle das wechselhafte, demokratische Leben prägen, nicht umgekehrt. Unabhängige Gerichte zur Überprüfung politischer Entscheidungen müssten jedem offen stehen.

"Versuchen Sie, sich an die Prinzipien des Rechtsstaats zu halten", antwortet Buschmann dann in der Fragerunde einer polnischen Doktorandin. "Sie müssen nicht Ihr Leben dafür geben, es kann ja nicht jeder ein Held sein. Aber wenn Sie sich zwischen Rechtsstaatsprinzipien und Ihrer Karriere entscheiden müssten ..." Der Justizminister wiegt den Kopf. "Dann bleiben Sie lieber bei den Prinzipien."

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