Österreich:Durchsichtige Manöver

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Im Juni 2018 empfängt der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Bundeskanzleramt. (Foto: Robert Jaeger/dpa)

Es ist peinlich und desaströs, dass Gewährsleute von Wladimir Putin in Österreich nie auf nennenswerten Widerstand gestoßen sind. Umso erstaunlicher ist, wie die Kanzlerpartei ÖVP damit nun im Wahlkampf umgeht.

Kolumne von Cathrin Kahlweit

Es ist immer wieder sensationell, wie skrupellos in Österreich durchsichtigste kommunikative Manöver, Stichwort Message Control, als ernsthafte Politik verkauft werden. Da druckt der Falter eine wichtige und gut recherchierte Geschichte darüber, wo Moskau in Wien überall die Finger drin hat, wer mit Putins Schergen fraternisiert, wer sich womöglich hat kaufen lassen, wer seine ideologischen, wer seine ökonomischen Interessen mit Hilfe der Russen befriedigt.

Namen werden genannt, darunter die ehemalige, FPÖ-nahe Außenministerin Karin Kneissl, die sich mittlerweile komplett von Putin hat kaufen lassen und dereinst eine Art Parallelgeheimdienst in ihrem Amt einrichten wollte. Hochrangige Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, die ziemlich sicher für Moskau spioniert haben. Der FPÖ-Chef Herbert Kickl und sein engeres Umfeld, die vor und während ihrer Regierungszeit unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) enge Verbindungen zu russischen Propagandisten und Parteileuten hatten - und noch engere anstrebten. Auch dass die Russen eine Riege von Geheimdienstlern in der Verkleidung von Diplomaten in Wien haben, ist kein Geheimwissen.

Alles das ist peinlich. Und desaströs ist es auch, weil Putins fünfte Kolonne in Wien nie auf nennenswerten Widerstand stieß. Auch nicht bei der langjährigen Regierungspartei ÖVP.

Aber nun stehen Wahlen ins Haus, in Europa und im Bund, und die FPÖ liegt in Umfragen bei 30 Prozent. Herbert Kickl, den Ex-Kanzler Kurz einst zum Innenminister mit der Zuständigkeit für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung machte, jener Kickl also, dessen Partei schon damals einen Freundschaftsvertrag mit Putins Partei Einiges Russland unterhielt, der will jetzt regieren. Die ÖVP wiederum, die in drei Bundesländern mit der FPÖ koaliert, hat Kickl persönlich zum Hauptfeind ausgerufen.

Und so stellt sich Mitte der Woche der Generalsekretär der ÖVP, Christian Stocker, vor die Presse, ist irrsinnig überrascht über all das, was die feindseligen Russen so treiben. Nennt den Falter, wo er vieles, was man bisher in Österreich lieber nicht genau wissen wollte, nachgelesen hat, kein Mal beim Namen. Sagt auch nicht: Es war ein Fehler, dass die FPÖ während der Regierungszeit mit uns das Bundesamt für Verfassungsschutz quasi auseinandernehmen konnte. Und dass die Landesverteidigung dem FPÖ-Mann Mario Kunasek anvertraut wurde. Oder dass Sebastian Kurz ziemlich dicke war mit dem Putin-Freund und Unternehmer Siegfried Wolf. Er sagt nicht: Vielleicht waren wir da alle ein bisschen zu fahrlässig, das muss sich dringend ändern.

Sondern Stocker warnt: "Wir haben uns in Herbert Kickl und der FPÖ getäuscht. Jetzt geht es darum, dass sich bei der Wahl nicht auch Österreich in Kickl und der FPÖ täuscht." Genau. Es geht gar nicht um Gefahrenabwehr oder politische Aufklärung. Denn es ist Wahlkampf in Österreich.

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