Thüringen:AfD-Kandidat verliert überraschend OB-Wahl in Nordhausen

Lesezeit: 2 min

Wahlkampf-Material des AfD-Kandidaten Jörg Prophet in Nordhausen. (Foto: Ronny Hartmann/AFP)

Die rechte Partei hatte gehofft, erstmals einen Oberbürgermeister zu stellen. Doch in der Kreisstadt holt Jörg Prophet in der Stichwahl nur 45,1 Prozent der Stimmen. Der parteilose Kai Buchmann bleibt im Amt - trotz der Mobbingvorwürfe gegen ihn.

In Deutschland gibt es weiter keinen Oberbürgermeister der AfD: Jörg Prophet, der Kandidat der rechten Partei, holte bei der Stichwahl im thüringischen Nordhausen nur 45,1 Prozent der Stimmen, wie das Wahlamt mitteilte. Im Rathaus der 42 000-Einwohner-Stadt regiert somit weiter Amtsinhaber Kai Buchmann (parteilos). Die Wahlbeteiligung lag bei 59,3 Prozent.

In die Stichwahl war Prophet als Favorit gegangen: Im ersten Wahldurchgang vor zwei Wochen hatte er 42,1 Prozent der Stimmen geholt, Buchmann nur 23,7 Prozent. Um als Oberbürgermeister gewählt zu sein, benötigt man 50 Prozent der Stimmen.

Die AfD, die in Thüringen vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft und beobachtet wird, hatte gehofft, dass sie in Nordhausen erstmals einen Oberbürgermeister stellen könnte. Das ist ihr nicht gelungen. Den nächsten Anlauf nimmt sie in zwei Wochen in Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt: Dort kommt es nach Angaben der Stadt zu einer OB-Stichwahl zwischen dem AfD-Kandidaten Henning Dornack, der den ersten Durchgang am Sonntag mit 33,8 Prozent für sich entschied, und dem CDU-Amtsinhaber Armin Schenk (29,1 Prozent).

Im südthüringischen Sonneberg hatte die AfD im Juni erstmals eine Landratswahl gewonnen, im Juli die Bürgermeisterwahl in der Kleinstadt Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg kommt die rechte Partei in repräsentativen Umfragen auf Werte von mehr als 30 Prozent - in diesen drei Ländern werden im kommenden Jahr neue Landtage gewählt.

SZ PlusAfD
:Das nächste erste Mal?

Das thüringische Nordhausen wählt am Sonntag einen Oberbürgermeister. Wieder könnte die AfD ein kommunales Spitzenamt erobern. Nicht nur bei der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora fürchtet man die Folgen.

Von Iris Mayer

Nordhausens Wahl wurde international beachtet, auch weil dort eine Gedenkstätte an das Konzentrationslager Mittelbau-Dora der Nationalsozialisten erinnert. Dorthin waren im Zweiten Weltkrieg Zehntausende Menschen aus Europa von den Nazis verschleppt worden - viele von ihnen mussten in unterirdischen Stollen unter menschenverachtenden Bedingungen Waffen bauen, viele kamen ums Leben.

Vor der Wahl sagte Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora: Die Wahl eines AfD-Kandidaten mit einem geschichtsrevisionistischen Weltbild wäre "ein Desaster für unsere Beziehungen zu den Überlebenden, da steht enorm viel Vertrauen auf dem Spiel". Und: "Mehrere haben schon angekündigt, nicht mehr nach Nordhausen zu kommen, wenn hier die AfD regiert."

In einem mit "Jörg Prophet" unterschriebenen Blog-Eintrag werden die US-Truppen, die das KZ befreiten, auf eine Stufe mit den Nationalsozialisten gestellt. Sie hätten sich geholt, "was sie scheinbar antrieb: Vorsprung durch Inbesitznahme von Technologien des Tötens, um die eigene Stellung in der Welt zu sichern", heißt es in dem Text.

Die Wahl in der Kreisstadt hatte freilich eine spezielle Ausgangslage: Amtsinhaber Buchmann ist umstritten, die Wahl stand auch unter dem Eindruck interner Streitigkeiten und persönlicher Auseinandersetzungen. Im Frühjahr war Buchmann vorläufig von seinem Amt suspendiert worden, nach einem Verwaltungsgerichtsentscheid ist er seit August wieder im Amt. Seit Monaten läuft ein Disziplinarverfahren wegen Mobbings gegen ihn, 14 Pflichtverstöße lastete ihm die Dienstaufsicht des Landratsamtes an. Buchmanns Verhältnis zu seiner sozialdemokratischen Stellvertreterin wie auch zum Landrat ist zerrüttet. Unterstützt wurde der Bürgermeister, der früher Grünen-Mitglied war, von den Grünen, der Linken sowie einzelnen SPD-Mitgliedern.

© SZ/kast - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAnne Will im Interview
:"Das reibt unsere Gesellschaft auf"

Nach 16 Jahren beendet Anne Will ihre Talkshow. Ein Abschiedsinterview über den Empörungsfuror im Internet, seinen Einfluss auf das Fernsehen und unverschämte Politiker im Studio.

Interview von Laura Hertreiter und Cornelius Pollmer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: