Rechtspopulismus:Erster AfD-Bürgermeister Sachsen-Anhalts in Raguhn-Jeßnitz

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Das Rathaus in Raguhn-Jeßnitz: Künftig wird dort ein AfD-Bürgermeister sitzen. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Gerade hat die Partei den ersten Landrats-Posten gefeiert, nun wählt auch eine Kleinstadt in Sachsen-Anhalt den AfD-Kandidaten zum Bürgermeister. CDU-Politiker Kretschmer sagt: "In diesem Land gerät etwas ins Rutschen."

In der Kleinstadt Raguhn-Jeßnitz stellt die rechtspopulistische AfD künftig erstmals in Sachsen-Anhalt einen hauptamtlichen Bürgermeister. Bei der Stichwahl setzte sich am Sonntag der AfD-Landtagsabgeordnete Hannes Loth gegen den parteilosen Kandidaten Nils Naumann durch. Der 42 Jahre alte Loth erhielt 51,13 Prozent der Stimmen, der 31-jährige Naumann kam laut dem vorläufigen Wahlergebnis auf 48,87 Prozent, wie die Stadt im Südosten Sachsen-Anhalts am Abend im Internet mitteilte. Die Wahlbeteiligung betrug den Angaben zufolge 61,51 Prozent. Es waren etwa 7800 Menschen wahlberechtigt. Erst vor einer Woche war im südthüringischen Sonneberg der bundesweit erste AfD-Landrat gewählt worden.

Loth ist wie sein Gegenkandidat Naumann in Raguhn-Jeßnitz aufgewachsen. Er ist Landwirt und war Betriebsleiter in einem Agrarunternehmen. Seit 2016 ist Loth Landtagsabgeordneter für die rechtspopulistische AfD. Auf der kommunalen Ebene ist er ebenfalls seit mehreren Jahren aktiv.

Hannes Loth von der AfD hat die Bürgermeisterwahl in Raguhn-Jeßnitz, Sachsen-Anhalt, gewonnen. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Eigenen Angaben zufolge ist Loth seit 2016 Stadtrat in Raguhn-Jeßnitz und seit 2019 Mitglied des Kreistags Anhalt-Bitterfeld. Der 42-Jährige setzte im Wahlkampf vor allem auf kommunalpolitische Themen. Er will die Wirtschaftsförderung und die Ausstattung der Feuerwehren verbessern.

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Die AfD sprach auf Twitter vom ersten AfD-Bürgermeister Deutschlands - wobei bis 2020 im baden-württembergischen Burladingen ein Bürgermeister amtierte, der zur AfD gewechselt war.

Im ersten Durchgang hatte Loth 40,7 Prozent der Stimmen geholt, Naumann war auf 36,9 Prozent gekommen; zwei weitere Bewerber lagen deutlich dahinter. Der Abstand zwischen Loth und Naumann betrug weniger als 200 Stimmen. Naumann ist seit 2019 Stadtratsvorsitzender und arbeitet als Sachbereichsleiter im benachbarten Bitterfeld-Wolfen.

"Wir sind auf dem Weg in eine Polarisierung, wie wir sie aus Amerika kennen"

Angesichts des AfD-Höhenflugs warnte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer vor einer zunehmenden Polarisierung in Deutschland. "In diesem Land gerät etwas ins Rutschen", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Menschen seien verstört, wie Politik gemacht werde in Deutschland. "Wir sind auf dem Weg in eine Polarisierung, wie wir sie aus Amerika kennen. Die Debatte der vergangenen Woche hat nicht erkennen lassen, dass alle das begriffen haben."

Selbst bei der Wahl in Sonneberg hätten vor allem Deutschlandthemen eine Rolle gespielt. "Energiewende, Heizungsgesetz, Flüchtlingspolitik und Russland-Embargo haben der AfD den Sieg gebracht", meint Kretschmer. "Diese Themen drohen die Gesellschaft zu zerreißen." Politiker griffen zu "Schuldzuweisung und Abgrenzung, statt sich mit unangenehmen Wahrheiten auseinanderzusetzen", das sei nicht verantwortungsvoll. "Es muss jetzt um Sachfragen gehen."

Die Linken-Landesvorsitzenden von Sachsen-Anhalt Janina Böttger und Hendrik Lange sagten: "Es ist beunruhigend, dass es nun Vertretern rechtsradikaler AfD-Landesverbände gelingt, kommunale Spitzenämter einzunehmen." Der Grünen-Landesvorsitzende Dennis Helmich bezeichnete das Ergebnis als "massiv enttäuschend". Der CDU-Landrat des Landkreises Anhalt-Bitterfeld, in dem Raguhn-Jeßnitz liegt, warnte vor weiteren Erfolgen der AfD. "Wenn die Politik, die momentan die Ampel-Regierung vollzieht, so bestehen bleibt, werden das nicht der letzte Bürgermeister und der letzte Landrat der AfD gewesen sein", sagte Andy Grabner.

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