CDU/CSU:Im Bann der Raffkes

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Unter Druck: Ralph Brinkhaus (CDU), Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Affäre um dubiose Nebentätigkeiten von Abgeordneten schadet der Union massiv. Mit einem Verhaltenskodex will sie Vertrauen zurückgewinnen - doch sie weiß selbst nicht, ob es noch weitere Löbels und Nüßleins gibt.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es war ein Appell, der an Deutlichkeit kaum zu überbieten war. Aber es war auch ein Auftritt, der die ganze Hilflosigkeit des neuen CDU-Vorsitzenden offenbarte. Armin Laschet hat die Maskendeals von Georg Nüßlein und Nikolas Löbel als "Raffke-Mentalität" und "unglaubliche Vorgänge" verurteilt. Sollte noch irgendjemand anderes in der CDU ähnliche Geschäfte gemacht haben, müsse er ihm das persönlich sagen, bevor es auffalle, sagte Laschet in der ARD. Denn es sei jetzt die Zeit, reinen Tisch zu machen - "wenn nicht, machen wir das".

Das klang konsequent und martialisch. Es zeigte aber auch das Problem, das die ganze CDU-Spitze derzeit umtreibt: Sie weiß nicht, ob es noch weitere Löbels und Nüßleins gibt. Und sie hat die Sorge, dass das durchaus sein könnte. Mit verheerenden Konsequenzen für die Partei. Bereits jetzt sehen sich die Wahlkämpfer in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in einer aussichtslosen Lage. Auch in den bundesweiten Umfragen ist die Union im Sinkflug.

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In der Unionsfraktion, ihr gehörten sowohl Nüßlein als auch Löbel an, versucht man derweil, mit einem Verhaltenskodex aus der Defensive zu kommen. "Entgeltliche Beratungs- oder Vermittlungstätigkeiten, die in einem direkten Zusammenhang mit dem Aufgabengebiet, das in der Fraktion betreut wird, stehen, sind auszuschließen", heißt es in einem Schreiben von Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Das solle für alle Abgeordneten gelten.

Für all jene, die in der Unionsfraktion herausgehobene Positionen hätten, sollten sogar "vergleichbare Anforderungen wie für Mitglieder der Bundesregierung gelten". Die Minister dürfen gar keine bezahlten Nebentätigkeiten haben. Mitglied des Bundestags sein zu dürfen sei "Ehre und Verpflichtung zugleich", schreiben Brinkhaus und Dobrindt. Wer dieses Amt ausüben dürfe, müsse "sich dabei allein am Nutzen für das Gemeinwohl orientieren".

Die res publica und ihre Diener

Doch wenn in der Union einer geglaubt haben sollte, mit diesem Verhaltenskodex tatsächlich aus der Defensive zu kommen, wurde er am Dienstag schwer enttäuscht. Alle anderen Parteien verurteilten das Vorgehen der Unionsfraktion als nicht weitreichend genug. Auch Organisationen wie Transparency International oder Lobbycontrol zeigten sich enttäuscht. Allesamt fanden sie, dass ein Kodex allein nicht genüge und es bindender rechtlicher Regelungen bedürfe. Dass sie damit nicht ganz falsch liegen, zeigt das Beispiel CSU.

Die Geschichte der CSU ist auch eine Geschichte voller Affären. Als die Partei 2013 deshalb wieder einmal in der Defensive war, legte sie sich einen Verhaltenskodex zu. Darin wurden die "Grundeigenschaften eines verantwortungsvollen Politikers" beschrieben. Acht Seiten ist das Papier lang - und es fehlt ihm nicht an Pathos. Der Kodex beginnt mit den Sätzen: "Dienst an der res publica, am Gemeinwesen, bedeutet Öffentlichkeit: im politischen Prozess für Staat, Regierung, Parlament und Parteien. Alle an der res publica Beteiligten sind Rechenschaft schuldig: gegenüber den Staatsbürgern, gegenüber dem Staat und gegenüber denen, die Parteien und Institutionen unterstützen."

Der Verhaltenskodex galt auch für Nüßlein. Geholfen hat das offensichtlich nicht. Der Mann soll trotzdem 660 000 Euro Provision für die Vermittlung von Masken kassiert und dabei auch noch das korrekte Steuerzahlen vergessen haben.

"Die Einführung eines neuen Verhaltenskodex für die Abgeordneten der Unionsfraktion ist zwar gut gemeint, geht aber nicht ansatzweise weit genug", findet deshalb der Vorsitzende von Transparency International, Hartmut Bäumer. Wenn es die Union ernst meine, müsse sie die Verschärfungen nicht nur in einem fraktionsinternen Verhaltenskodex, sondern in einem Gesetz oder in der Geschäftsordnung des Bundestages festschreiben. Und die Einhaltung dieser verbindlichen Regelungen müsse dann von einer unabhängigen Stelle überprüft werden. Deshalb fordert Transparency International "die Einführung eines unabhängigen Lobbybeauftragten mit entsprechenden Kompetenzen und personellen Ressourcen".

Bestechung als Straftat

Dass die Unionsfraktion nun auch die Grenze zur Veröffentlichung von Parteispenden deutlich senken und die Transparenz bei Nebentätigkeiten erhöhen wolle, obwohl sie beides jahrelang blockiert habe, begrüße er, sagte Bäumer. Dies müsse jetzt aber konsequent umgesetzt werden: Nebentätigkeiten sollten künftig "auf Heller und Pfennig offengelegt" und Spenden schon von 2000 Euro an veröffentlicht werden - und zwar zeitnah.

Der Koalitionspartner der Union, die SPD, präsentierte am Dienstag bereits konkrete Vorschläge. Die Sozialdemokraten verlangen, dass Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit künftig nicht mehr als Vergehen, sondern als Verbrechen eingestuft werden. Die Mindeststrafe soll dadurch auf ein Jahr Freiheitsstrafe erhöht werden.

Für Parteispenden soll nach dem Wunsch der SPD künftig eine jährliche Höchstgrenze von 100 000 Euro pro Spender gelten. Die Veröffentlichungspflicht von Parteispenden soll - wie von Transparency International gefordert - auf 2000 Euro gesenkt werden. Auch Einkünfte aus Unternehmensbeteiligungen sollen veröffentlichungspflichtig werden. Außerdem will die SPD ein Spenden-Annahmeverbot für Mandatsträger. Entgeltliche Lobbytätigkeiten neben dem Mandat sollen verboten werden. Und die Abgeordneten sollen ihre Nebeneinkünfte künftig exakt angeben müssen - und nicht wie bisher nur in abgestufter Form.

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