Mineralien und Seltene Erden:Kahlschlag unter Wasser

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Am Meeresboden südlich von Spitzbergen liegen Bodenschätze wie Zink und Kupfer, die die norwegische Regierung abbauen möchte. (Foto: imago stock/imago/imagebroker)

Die norwegische Regierung möchte mit dem großflächigen Bergbau auf dem Meeresboden beginnen. Dagegen regt sich nun massiver Widerstand.

Von Alex Rühle, Stockholm

Wenn alles nach Plan läuft, dann wird Norwegen bald das weltweit erste Land sein, das im großen Stil den Meeresboden kommerziell bewirtschaftet: Die Regierung in Oslo hat sich im Juni dafür ausgesprochen, ein 281 000 Quadratkilometer umfassendes Gebiet zwischen der Jan Mayen Insel und Spitzbergen für den Meeresbergbau zu öffnen. Am 9. Januar muss noch das Storting, das norwegische Parlament also, grünes Licht geben, dann kann es losgehen.

Am Donnerstag schickten deshalb 121 EU-Parlamentarier aus 19 Ländern einen Brief an das Storting, in dem sie die norwegischen Parlamentarier dringend bitten, gegen diese Erlaubnis zu stimmen. Am selben Tag stellte die norwegische Sektion des WWF eine Studie vor, in der norwegische Anwälte zu dem Schluss kommen, dass die Öffnung des nordatlantischen Festlandsockels für den Abbau von Mineralien und Seltenen Erden sowohl gegen norwegisches als auch gegen internationales Recht verstoßen würde.

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Dass Norwegen ein großes Interesse am Meeresbergbau hat, liegt auf der Hand. Die Regierung behauptet in einem ersten Untersuchungsbericht, dass in dem Gebiet 45 Millionen Tonnen Zink lagern sowie 38 Millionen Tonnen Kupfer - das wäre das Doppelte der jährlich weltweit geförderten Menge.Außerdem soll die Meereskruste große Mengen an Gold, Silber, Mangan, Eisen, Titan, Kobalt, Nickel und Zirkonium, aber auch Seltene Erden wie Neodym, Yttrium und Dysprosium enthalten. Diese wiederum werden dringend für Solarpaneele, Magnete in Windturbinen und Motoren in E-Autos gebraucht. Die norwegische Geologenvereinigung NGU hält die Mengenangaben des Regierungsberichts für stark übertrieben und wundert sich über den "reißerischen Ton" des Berichts, der so tue, als ob man da unten mit Sicherheit ein Eldorado finden werde.

Die Regierung argumentiert, man müsse den Mineralien-Abbau so schnell wie möglich genehmigen, "um den grünen Übergang erfolgreich zu gestalten", wie es der Öl- und Energieminister des Landes, Terje Aasland, im Juni auf der Homepage der Regierung formulierte. "Derzeit werden die Ressourcen von einigen wenigen Ländern kontrolliert," schrieb er in Anspielung auf China, das zurzeit den Markt mit Seltenen Erden fast monopolartig beherrscht. "Das macht uns verwundbar. Kein anderes Land ist besser positioniert, um die Führung bei der nachhaltigen und verantwortungsvollen Bewirtschaftung solcher Ressourcen zu übernehmen."

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Die 121 EU-Parlamentarier bezweifeln, dass der Meeresbergbau in ökologischer Hinsicht sinnvoll sei, im Gegenteil, die Folgen wären für die Biodiversität genauso schädlich wie für das Klima. Sie verweisen auf ein Schreiben, in dem 782 Meeresbiologen vor den dramatischen Folgen des Tiefseebergbaus warnen. Das großflächige Absaugen des Bodens würde das kaum erforschte Ökosystem der Tiefsee schädigen und "für viele Generationen zu einem irreversiblen Verlust führen." Außerdem bestünde die Gefahr, dass massenweise Kohlenstoff, der im Meeresboden gelagert sei, durch den Abbau in die Atmosphäre gelange.

Um die Mineralien und Seltenen Erden zu ernten, muss man die sogenannte Mangankruste, eine felsige, 40 Zentimeter dicke Sedimentkruste, aufreißen. Meeresgeologen schätzen, dass sich in einer Million Jahren gerade mal ein Zentimeter Bodendicke ansammelt. Greenpeace weist darauf hin, dass man jetzt schon bei einem ähnlichen Projekt im Pazifik sehen könne, wie schädlich das Prozedere sei: Dort werden Manganknollen kilometerweit an die Oberfläche gesaugt. Abwässer, Gesteinsbrocken und Schlamm werden dann wieder ins Meer geleitet, was zu riesigen Unterwasserwolken führt und großflächig die Tierwelt ersticken kann.

Norwegen habe die Umweltbedingungen in dem Gebiet, das ungefähr so groß ist wie Italien, nicht gründlich genug untersucht

Die EU-Parlamentarier verwiesen außerdem auf eine Erklärung der norwegischen Umweltagentur, die sich gegen das Vorhaben der eigenen Regierung mit dem Argument aussprach, die bisherige Folgenabschätzung weise so viele Wissenslücken auf, dass sie als Rechtsgrundlage für die Entscheidungsfindung nicht ausreiche.

Ähnlich argumentiert die Anwaltskanzlei Wikborg og Rein, die im Auftrag des WWF untersuchen sollte, ob überhaupt die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind, dass Norwegen mit dem Abbau beginnt. Kurz gesagt: nein.

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Nach Ansicht der Kanzlei besteht erhebliche Rechtsunsicherheit, sowohl was norwegisches als auch internationales Recht angeht. Zum einen habe Norwegen die verschiedenen Umweltbedingungen in dem Gebiet, das ungefähr so groß ist wie Italien, nicht gründlich genug untersucht und könne deshalb keine seriöse Folgenabschätzung liefern. Zweitens habe Norwegen diverse internationale Verträge unterschrieben, deren jeweiliges Kernanliegen durch die Folgen des Meeresbergbaus konterkariert zu werden droht. So verlangt etwa das Espoo-Übereinkommen von allen Unterzeichnern, dass sie gründliche Umweltverträglichkeitsprüfungen vornehmen, bevor sie Maßnahmen ergreifen, die Flora und Fauna im Meer beschädigen könnten.

Und vor einem Jahr unterschrieb Norwegen auf der 15. UN-Klimakonferenz in Montreal den globalen Biodiversitätsrahmen, einen völkerrechtlichen Vertrag, in dem beschlossen wird, dass der Verlust der biologischen Vielfalt gestoppt wird und 30 Prozent der Flächen an Land- und Meeresflächen geschützt werden. Wikborg und Rein vermuten, dass Norwegen sich gleich auf mehrere internationale Rechtsverfahren einstellen müsse, wenn mit dem Abbau tatsächlich begonnen werde.

Kaja Lønne Fjærtoft, Sprecherin des WWF Norwegen, sagte der Süddeutschen Zeitung, es sei schlichtweg "haarsträubend", dass die Regierung das Großprojekt weiterhin vorantreibe. "Die bisherige Folgeabschätzung entspricht nicht mal den Mindeststandards. Wir hoffen, dass das Storting versteht, dass diese Erlaubnis inmitten unserer weltweiten Klima- und Umweltkrise ein völlig falscher Schritt wäre."

Die Regierung betont, dass eine Öffnung an sich ja noch gar nicht zu Abbauaktivitäten auf dem Schelf führen wird. Elisabeth Sæther, Staatssekretärin im Ministerium für Erdöl und Energie, sagte nach der Vorstellung der Rechtsstudie durch den WWF im norwegischen Radiosender NRK, man werde den Plänen zum Abbau von Meeresbodenschätzen nur zustimmen, "wenn diese Gewinnung auf verantwortungsvolle und nachhaltige Weise erfolgen kann."

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