Nordrhein-Westfalen:Der Richtungskampf der AfD im Westen

Lesezeit: 4 Min.

Marcus Pretzell bei einem Interview in Düsseldorf. (Foto: AP)

In der Partei geht die Nervosität um. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wird sich zeigen, ob die jüngsten Misserfolge tatsächlich nur Ausrutscher waren.

Von Jens Schneider und Benedikt Peters, Düsseldorf

An einem Freitag in Düsseldorf zwingt sich Marcus Pretzell ein Lächeln aufs Gesicht. Er breitet die Arme aus, schüttelt Hände und spaziert mit ausgreifenden Schritten zwischen den versprengten Grüppchen hin und her, die gekommen sind. Schon in diesen weit ausgreifenden Schritten aber zeigt sich ein Problem. Wenn das hier so laufen würde, wie er sich das vorstellt, dann könnte Pretzell gar nicht so herumspazieren. Der Platz an der Rheinpromenade, den die NRW-AfD für ihre Wahlkampfveranstaltung ausgesucht hat, wirkt an diesem Nachmittag Ende April viel zu groß.

Man hatte mit 1000 Leuten gerechnet, sagt jemand. Gekommen sind vielleicht 100. Egal, Pretzell lächelt das weg. Er darf sich keine Schwäche leisten, nicht in diesen Tagen.

Wenn Nordrhein-Westfalen am Sonntag einen neuen Landtag wählt, steht viel auf dem Spiel. Nicht nur für Pretzell, sondern für die gesamte AfD. Die Partei scheint derzeit weit entfernt zu sein von den zweistelligen Ergebnissen, mit denen sie im vergangenen Jahr in viele Landtage einzog. Im März kam sie im Saarland auf 6,2 Prozent, in Schleswig-Holstein waren es zuletzt 5,9 Prozent.

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Entsprechend gespielt wirkte die Euphorie, als Parteichef Jörg Meuthen verkündete, seine Partei sei nun zum zwölften Mal hintereinander in einen Landtag eingezogen. Das schwache Abschneiden wollte er, wie zuvor im Saarland, mit den Eigenheiten bei der Wahl in Schleswig-Holstein erklären. Dort habe es die AfD besonders schwer gehabt, weil ihre Themen nicht verfingen. In Nordrhein-Westfalen aber soll das anders sein. Meuthen kündigte in dieser Woche an, dass die AfD dort "um einiges besser abschneiden" werde als in Schleswig-Holstein und zur Bundestagswahl sogar noch "eine Schippe drauflegen" werde. Die Bundestagsspitzenkandidatin Alice Weidel hat für die Wahl im September sogar 15 Prozent zum Wahlziel erklärt.

Dabei räumen die Parteiführer selbst ein, dass die Situation gerade weniger günstig für ihre Partei ist. Bei den Wahlen im vergangenen Jahr profitierte sie stark vom Unmut ihrer potenziellen Anhänger über den starken Flüchtlingszustrom, Partei-Vize Alexander Gauland sprach von einem "Geschenk für die AfD". Nach der Wahl in Schleswig-Holstein erklärte er, dass nun gerade die Flüchtlinge nicht so präsent seien in den Medien: "Im Moment bedrückt die Menschen anderes, das will ich gern zugeben." Da würden die Wähler sich sagen: "Wir brauchen offensichtlich nicht so viel AfD."

Für Pretzell wäre ein schwaches Abschneiden eine Katastrophe

Entsprechend mäßig sehen die Umfragen im Westen aus. Je nach Erhebung liegt die AfD sie zwischen sechs und acht Prozent. Die Nervosität ist daher groß. Holt nun auch die NRW-AfD ein schwaches Ergebnis, dann wird es schwer, das wieder nur mit regionalen Besonderheiten zu erklären. In der Partei geht die Sorge um, dass die Wahl einen Abwärtstrend auslösen und die Aussichten für die Bundestagswahl mindern würde.

Für Marcus Pretzell wäre ein schwaches Abschneiden noch aus einem weiteren Grund eine Katastrophe. Als er an jenem Freitag in Düsseldorf spricht, ist seine letzte große Niederlage nur ein paar Tage her. Auf dem Bundesparteitag in Köln war seine Ehefrau Frauke Petry abgestraft worden, die Delegierten hatten den Antrag der Parteichefin, die AfD solle sich zu einem "realpolitischen Kurs" bekennen, also bürgerlicher auftreten, einfach von der Tagesordnung gewischt.

Die Entscheidung auf dem Bundesparteitag war nicht nur für Petry eine Niederlage, sondern auch für Pretzell. Als Chef der NRW-AfD hatte er seinem Landesverband nämlich längst jene gemäßigte Richtung verordnet, der die Bundespartei in Köln nicht folgte. Noch am Rande des Parteitags trat ein angeschlagener Pretzell vor die Kameras und sagte, die NRW-AfD werde ihren realpolitischen Kurs trotzdem beibehalten. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen geht es daher auch darum, wie es mit dem Lager von Petry und Pretzell in der AfD weitergeht. Wird die Partei abgestraft, dann wird es für die beiden noch schwerer.

Auch in seinem eigenen Landesverband hat Pretzell keinen leichten Stand. Das Verhältnis zwischen ihm und dem anderen NRW-Vorsitzenden, dem weiter rechts stehenden Martin Renner, ist zerrüttet. Bei wichtigen Entscheidungen zur Landtagswahl hatte sich Pretzell noch gegen seinen Co-Chef durchsetzen können. Er wurde Spitzenkandidat bei der Landtagswahl, und es gelang ihm, die Landesliste fast ausschließlich mit ihm nahestehenden Kandidaten zu besetzen. Wie der Stern enthüllte, nutzten seine Getreuen dabei geheime Absprachen und demokratisch fragwürdige Mauscheleien. Im Kampf um die NRW-Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl aber unterlag er Renner, und Pretzell scheiterte auch damit, ihn als NRW-Sprecher der Partei abwählen zu lassen.

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Wie zerstritten die AfD im Westen ist, das zeigt sich auch an jenem Freitagnachmittag in Düsseldorf. Pretzells Co-Chef Renner lässt sich den ganzen Tag über nicht blicken. Von der Bundes-AfD ist immerhin Leif-Erik Holm gekommen, der Landeschef aus Mecklenburg-Vorpommern, der ebenfalls dem realpolitischen Lager zugerechnet wird. Und natürlich Frauke Petry. Aber auch, als sie später spricht, stehen da nicht mehr als die paar versprengten Zuhörer.

Alle diese Querelen führen dazu, dass die AfD im Westen einen paradoxen Wahlkampf hinlegt. Obwohl für die gesamte Partei viel auf dem Spiel steht, hat sich abgesehen von Frauke Petry und ihren Getreuen kaum Bundesprominenz blicken lassen. Alexander Gauland und Beatrix von Storch waren gar nicht da, Parteichef Meuthen hat sich lediglich für den Wahlkampfabschluss am Samstag angesagt. Die Bundestags-Spitzenkandidatin Alice Weidel kam einmal Mitte April.

Eine Erklärung dafür könnte sein, dass sich laut Vorstandskreisen manche in der Parteiführung zwar ein gutes Ergebnis in Düsseldorf wünschen, aber eben auch kein zu gutes. Denn das würde Frauke Petrys Ehemann Pretzell und der ins Abseits geratenen Parteichefin neuen Rückhalt verschaffen. Daran haben Petrys Widersacher kein Interesse.

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