Afrika:Abrücken vom Patron Frankreich

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Anhänger des Nationalrats demonstrieren in Niamey vor den Luftwaffenstützpunkten Frankreichs und Nigers. (Foto: -/AFP)

Die neuen Machthaber in Niger wollen sich rabiat vom traditionellen Einfluss der Franzosen befreien. Aber auch in anderen Ländern Afrikas verschieben sich die Machtverhältnisse zulasten von Paris.

Von Oliver Meiler, Paris

Wie lange noch? Sylvain Itté, Frankreichs Botschafter in Niamey, der Hauptstadt Nigers, schläft mittlerweile in seinem Büro. Geschützt von hohen Mauern mit Stacheldraht, eine Sondereinheit von Gendarmen patrouilliert rund um die Uhr, auf und ab. Auf der anderen Seite der Straße steht die Residenz, aber die Straße zu überqueren, wäre vielleicht zu gefährlich. Itté stehen auch nur noch vier Mitarbeiter zur Seite, alle anderen wurden zurückgebracht. Eine Weile ging das Gerücht um, die Junta, die sich in Niger vor einem Monat an die Macht geputscht hatte, habe der Botschaft Strom und Wasser abgestellt.

Aber das waren Fake News, davon gibt es viele. Es geht in dieser Geschichte auch um die Herrschaft über das große Narrativ. Die Putschisten wollen Sylvain Itté aus dem Land werfen, ziemlich rabiat. Mit ihrem harten Kurs gegen die alte Kolonialmacht Frankreich kitzeln sie die ohnehin schon weit verbreiteten Ressentiments im jungen Volk. Der Hass ist ihr größtes Kapital, nach dem Putsch gab es Angriffe auf die Botschaft.

Macron: "Eine Epidemie von Putschen"

Ein erstes Ultimatum ist abgelaufen, passiert ist nichts. Itté harrt aus, er hat keine andere Wahl: Paris macht aus seiner Präsenz in Niger eine Prinzipienfrage, es kontert die Propaganda der Putschisten mit demonstrativer Unbeugsamkeit.

Der Botschafter, sagt der französische Staatschef Emmanuel Macron, habe seine Akkreditierung vom demokratisch gewählten Präsidenten Nigers erhalten, von Mohamed Bazoum also. Nur wenn der den Entsandten des Landes verweise, werde man sich fügen. Von Bazoum heißt es, er werde im Präsidentenpalast festgehalten, als Geisel der Putschisten. Nichts deutet darauf hin, dass er an die Macht zurückkehren könnte, es ist nicht einmal ganz sicher, ob er noch lebt. Macron sagte noch, man wolle in Afrika "weder paternalistisch noch schwach" auftreten, es schwang eine Nuance Trotz mit. Sehr lange lässt sich diese Position aber wohl nicht halten - genauso wenig wie Botschafter Sylvain Itté, abgeschottet in seinem Büro in Niamey.

Die Franzosen suchen dringend nach einer neuen geopolitischen Rolle auf dem Kontinent, die Ausgangslage ist besonders im Sahel denkbar ungünstig. Mali, Burkina Faso, nun Niger: Drei Putsche in weniger als drei Jahren haben Frankreichs Stellung geschwächt, Macron spricht von einer "Epidemie von Putschen". Aus Burkina Faso und Mali zog sich Frankreich mit seinen Truppen bald zurück, geschasst von Schmährufen. Vor allem "Operation Barkhane" in Mali war - bei allen guten Absichten im Kampf gegen die Dschihadisten - zusehends verhasst: Je länger sie andauerte, desto mehr erschien sie der Bevölkerung wie eine Besatzungsarmee.

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Atomkraftwerke brauchen Uran aus Niger

Niger wird nun zum Paradefall, zum Damm, der nicht auch noch brechen darf. Frankreich betreibt in dem Land eine Militärbasis mit 1500 Soldaten, Drohnen und Kampfjets vom Typ Rafale, die es unbedingt dort weiter stationiert haben will. Frankreich hat auch wirtschaftliche Interessen: Ein Teil des Urans, das in den französischen Kernkraftwerken eingesetzt wird, kommt aus Niger. Entscheidend ist das nicht, aber auch nicht unwesentlich.

Früher war es immer so gewesen, dass sich andere westliche Staaten, selbst die USA, an der Politik Frankreichs orientierten, wenn sie sich in diesem Teil Afrikas engagierten. Sie hielten sich an die Machthaber, die den Franzosen gefielen, mochten die auch nicht immer den hehren moralischen und demokratischen Standards genügen. Paris war gewissermaßen die Referenzgröße der Gegend geblieben, der unumgängliche Patron, bei dem die Fäden zusammenliefen. Die "Françafrique", wie man dieses engmaschige Geflecht aus politischen und wirtschaftlichen Interessen im früheren "Hintergarten" nannte, war schon damals fragwürdig - und nicht selten ausgesprochen paternalistisch.

1300 US-Soldaten sind in Niger stationiert

Nun agieren etwa die US-Amerikaner, die Deutschen und die Italiener nicht mehr automatisch im Windschatten Frankreichs. Auch das zeigt das Beispiel Nigers. Während Paris seit dem Staatsstreich darauf dringt, dass die Putschisten militärisch entfernt werden, unter dem Kommando des eher zahnlosen westafrikanischen Regionalbündnisses Ecowas, gehen andere westliche Hauptstädte viel behutsamer mit der Junta um. Washington lehnt eine "militärische Option" offen ab.

In Frankreich kommt das wie ein Affront an, wie eine unfreundliche Kündigung alter Gepflogenheiten. Dabei geht es um mehr; es verschieben sich gerade die Machtverhältnisse, auch die Russen spielen mit bei der Neuverteilung. Die USA, muss man dazu wissen, haben eine stattliche Truppe stationiert in Niger: 1300 Soldaten insgesamt, verteilt auf zwei Basen, eine in Niamey, die andere in Agadez. Sie überwachen von dort aus die gesamte Region. Im nigrischen Volk sind zwar alle ausländischen Truppen unbeliebt. Doch die französischen sind von allen die unbeliebtesten, behaftet mit dem Mief des Kolonialismus.

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In den französischen Medien wird nun darüber debattiert, wie es kommen konnte, dass in vielen Ländern Afrikas das "sentiment antifrançais", diese diffuse Ablehnung Frankreichs, gerade in jüngerer Vergangenheit so stark gewachsen ist. So neu sind die Gründe dafür allerdings nicht. Frankreich hat sich nie wirklich Mühe gegeben, sympathisch zu wirken. Es zählten immer die Macht, die Geschäfte, die Militärbasen. Der Franc CFA, die angelehnte Währung, ist das prägendste Symbol dafür: Er heißt schon seit der Kolonialzeit so, bis heute, obwohl es den Franc lange nicht mehr gibt.

Unter den Windschattenfahrern von früher herrscht nun das Gefühl vor, Frankreich sei für die Interessen in Afrika "radioaktiv" geworden, wie es ein amerikanischer Forscher neulich sagte, den die Zeitung Le Figaro zitierte. "Alles, was die Franzosen anfassen, ist kontaminiert." Der alte, einst unabdingbare Patron scheint ausgedient zu haben, da hält man sich lieber fern.

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