Neues Führungsduo der SPD:Beck preist Gabriel

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Kurz vor dem Dresdner SPD-Parteitag lobt der weggemobbte Ex-Parteichef Beck den künftigen Vorsitzenden Gabriel. Eine Umfrage zeigt indes: Das neue Spitzenduo Gabriel/Nahles kommt nicht an - und die SPD sackt weiter ab.

Dieser Novembertag beginnt mit einer guten und einer schlechten Nachricht für Sigmar Gabriel.

Sollen künftig die SPD führen: Andrea Nahles und Sigmar Gabriel (Foto: Foto: ddp)

Zuerst die gute: Der SPD-Vorsitzende in spe wird von seinem Vorvorgänger Kurt Beck gelobt. "Ich bin überzeugt, dass er der Richtige ist", preist der rheinland-pfälzische Ministerpräsident der Mainzer Allgemeinen Zeitung den gewesenen Bundesumweltminister.

Und für all diejenigen, die nun an Gabriels jugendliches Polit-Alter, seine kurze Regierungszeit als Ministerpräsident von Niedersachsen oder seine parteiinterne Verbal-Bolzerei in der Vergangenheit denken, schiebt Kurt Beck nach: "Wenn ich all die nostalgischen Rückblicke auf große Persönlichkeiten in unserer Parteigeschichte höre, dann gebe ich zu bedenken: Auch da hat immer jemand neu angefangen."

Schnurren und frotzeln

Dieser Neubeginn der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands soll an diesem Freitag in Dresden starten, dort findet drei Tage lang der Bundesparteitag statt.

Tacheles will die älteste Partei des Landes reden, sich personell und inhatlich neu aufstellen nach der katastrophalen Niederlage bei der Bundestagswahl. Zumindest was die Personalfragen betrifft, dürfte die geschundene Partei nicht wackeln, die jüngeren Parteigranden der verschiedenen Flügel haben ohnehin nach dem Wahldesaster die Machtaufteilung ausgemacht.

So sollen in Dresden Gabriel als neuer Vorsitzender und Andrea Nahles als neue Generalsekretärin auf den Schild gehoben werden.

Eifrig versucht das Duo seit Wochen Einigkeit zu demonstrieren: Gabriel und Nahles tingeln auf Regionalkonferenzen durch die Lande, in Interviews schnurren die beiden einmütig und frotzeln (Gabriel: "Hase nennt sie mich noch nicht." Nahles: "Soweit ich weiß, bist du als Siggi bekannt"), auf dass bald vergessen wird, dass sie einander bislang wenig bis überhaupt nicht mochten.

Die Parteilinke Nahles kommt aus Rheinland-Pfalz, wo Kurt Beck regiert. Als der Ministerpräsident von Steinmeier und Co. im Sommer 2008 als Obergenosse am Schwielowsee weggemobbt wurde, war dies zugleich eine Niederlage für Nahles, die von Beck zuvor zur stellvertretenden Vorsitzenden gemacht worden war.

Becks warme Worte für Gabriel dürften der Versuch sein, eine Versöhnung zu signalisieren, ein Fingerzeig aus Mainz nach dem Motto: Seht her, nun beginnt eine neue Zeit, nun, da der autoritäre Franz Müntefering den Vorsitz abgibt und der Bürokrat Frank-Walter Steinmeier sich damit begnügen muss, die SPD-Fraktion zu führen.

Lob aus Mainz - das ist die gute Nachricht für Sigmar Gabriel.

Die schlechte lautet: In der jüngsten Forsa-Umfrage sackt die SPD weiter ab.

Die schnelle Klärung der Machtfrage, die kritischen Worte zur Ära Müntefering, die einsetzende Aufarbeitung der elf Regierungsjahre inklusive der Kanzlerschaft Gerhard Schröders, der vorhergesagte Neuanfang der Sozialdemokratie: All das schlägt sich bislang nicht positiv nieder.

Die Deutschen wenden sich der Partei von Willy Brandt und Helmut Schmidt nicht mehr zu.

Neue SPD-Spitze
:Gabriels Granden

Nach der dramatischen Wahlniederlage stellt sich die SPD neu auf: Welche Sozialdemokraten neben dem Parteichef Sigmar Gabriel künftig das Sagen haben - und welchen Flügeln sie angehören.

Am 27. September hatten die Sozialdemokraten mit 23 Prozent ihr bislang schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl eingefahren. Das war zwar immer noch besser, als das SPD-Resultat vom 7. Juni 2009, als die Partei bei der Europawahl auf 20,8 Prozent abschmierte.

Der designierte und der bisherige Parteichef: Sigmar Gabriel (li.) und Franz Müntefering auf den Oppositionsbänken (Foto: Foto: dpa)

Die aktuelle Erhebung von Forsa sieht die SPD nun bei 20 Prozent, der Verlust zur Vorwoche liegt bei einem Prozentpunkt.

Nicht minder alarmierend für das designierte Führungsgespann: Nur jeder fünfte Deutsche erwartet von Gabriel und Nahles, dass sie die Partei aus der Krise führen können. 63 Prozent der Befragten sind davon nicht überzeugt.

Schlechte Werte für Nahles

Wie gespalten und deprimiert die Fans der SPD sind, zeigt ein anderer Wert: Dass Gabriel als neuer Parteivorsitzender eine gute Lösung ist, glauben nur 53 Prozent der Anhänger der Sozialdemokratie. Insgesamt sind aber nur 36 Prozent der Befragten davon überzeugt.

Genauso viele zeigen sich unentschieden, nein sagten 28 Prozent.

Für Nahles als neue SPD-Generalsekretärin fällt das Stimmungsbild noch schlechter aus: 30 Prozent befürworten diese Personalie, 29 Prozent sind dagegen. Auch von den SPD-Anhängern sind lediglich 47 Prozent von Nahles überzeugt, für 20 Prozent ist sie keine gute Lösung.

Nicht nur die frustrierenden Umfragewerte werden dafür sorgen, dass es auf dem Dresdner Konvent kontrovers zugehen wird. Einen Vorgeschmack gibt in diesen Tagen die Juso-Bundesvorsitzende Franziska Drohsel.

Sie fordert, vom Parteitag müsse "ein Signal der Gerechtigkeit" ausgehen - und kritisierte den Leitantrag der Parteiführung. Das Papier sei "oftmals nicht deutlich genug", so Drohsel.

Gabriels Balsam für Steinmeier

Sie dürfte damit aussprechen, was viele Genossen denken: Man befürchtet, dass nicht offen genug über Fehler, über Irrungen und Wirrungen der Regierungsjahre gesprochen wird. Manche wünschen sich eine Abrechnung mit den "Schröder-Boys" Müntefering/Steinmeier, die sie allein für das Abschneiden am 27. September verantwortlich machen.

Gabriel ist jedoch an einem Scherbengericht nicht interessiert: Differenzieren will er, so hat er es bei verschiedenen Auftritten und in Interviews gehalten, manches kritisiert, anderes aus den Regierungsjahren gelobt.

Vor allem Frank-Walter Steinmeier muss Gabriel schonen, schließlich führt Schröders früherer Kanzleramtschefs und bisherige Außenminister nun das parlamentarische Kraftzentrum, die arg dezimierte Bundestagsfraktion. Dementsprechend findet der künftige SPD-Chef lobende Worte für Steinmeier.

Nach der Bundestagssitzung vom Dienstag begeisterte sich Gabriel in der Bild-Zeitung über die Qualitäten des neuen Oppositionsführers: "Es war ein ganz starker Auftritt," lobte Gabriel die Rede Steinmeiers nach der Regierungserklärung der Kanzlerin.

Sigmar Gabriel träufelte noch etwas Balsam auf die politische Seele des gescheiterten Wahlkämpfers: "Jetzt muss auch dem Letzten klar sein: Frank-Walter Steinmeier wäre der bessere Kanzler, und er ist der Beste für den Job als Oppositionsführer."

Steinmeier der bessere Kanzler - solche Sätze wird Gabriel in ein paar Jahren wohl nicht mehr von sich geben. Schließlich sieht der stämmige Mann aus dem Harz vor allem einen Sozialdemokraten in der Lage, Angela Merkel das Wasser zu reichen: sich selbst.

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