Nato-Übung:Wie im Kalten Krieg

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Ein Bundeswehrsoldat in Litauen. Deutschland hat zugesagt, in dem baltischen Land dauerhaft eine komplette Kampfbrigade zu stationieren. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Das Verteidigungsbündnis hält mit etwa 90 000 Soldaten sein größtes Manöver seit Jahrzehnten ab. Grundlage ist ein fiktiver russischer Angriff auf Nato-Mitgliedsstaaten in Osteuropa.

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Gut drei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges wird die Nato wieder im großen Maßstab die Verteidigung ihres Bündnisgebiets gegen einen Angriff durch Russland üben. Von Februar an findet an der Ostgrenze des Bündnisses das Militärmanöver Steadfast Defender 2024 statt, an dem etwa 90 000 Soldaten teilnehmen werden. Das kündigte der Nato-Oberbefehlshaber, US-General Chris Cavoli, am Donnerstag in Brüssel an. Ähnlich große Manöver hatte die Allianz zuletzt Ende der Achtzigerjahre abgehalten, als die Sowjetunion und der Warschauer Pakt noch existierten.

Die Übung Steadfast Defender 2024, der Berichten zufolge das Szenario eines russischen Angriffs auf die Nato-Mitglieder in Osteuropa zugrunde liegt, wird ungefähr vier Monate dauern. Sie ist in einzelne kleinere Übungen aufgeteilt, die über die gesamte Nato-Ostflanke verteilt sind - von Norwegen und Finnland im hohen Norden über Polen und das Baltikum in der Mitte bis hinunter nach Rumänien im Südosten.

Das Manöver beinhaltet eine politische Botschaft an Moskau: Abschreckung

Das militärische Ziel des Manövers ist es, die schnelle Alarmierung und Verlegung von Landstreitkräften in den Osten zu üben, sollte Russland dort angreifen und so den sogenannten Bündnisfall auslösen - die in Artikel 5 des Nato-Vertrags festgeschriebene Pflicht aller Mitglieder, einem attackierten Partner Beistand zu leisten. Auch die USA werden eine fünfstellige Zahl von Soldaten für die Übung nach Europa verlegen. Zudem beinhaltet das Manöver eine politische Botschaft an Moskau: Abschreckung.

Hintergrund der Übung ist - wenig überraschend - der Überfall Russlands auf die Ukraine, der vor knapp zwei Jahren begann. Er hat der Nato nicht nur gezeigt, dass in Russland ein Regime sitzt, das bereit ist, territoriale Ansprüche mit rücksichtsloser militärischer Gewalt durchzusetzen. Sondern er hat auch den konventionellen, schwerfälligen, mit großen Mengen an Panzern, Artillerie und Infanterie ausgetragenen Landkrieg zurück nach Europa gebracht. Mit dieser Art der Kriegführung hatten sich die Nato-Armeen in den vergangenen Jahren kaum noch beschäftigt. Sie waren vor allem mit leichten, mobilen Kräften in Übersee im Einsatz, etwa in Afghanistan.

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Der Krieg in der Ukraine hat der Nato auf brutale Weise vor Augen geführt, dass sie ihre Kernaufgabe vernachlässigt hat: die Verteidigung des eigenen Gebiets gegen einen Angriff aus dem Osten. Seit dem Beginn der russischen Invasion hat die Allianz daher ihre Einsatzpläne grundlegend überarbeitet. Zudem wurden zur Abschreckung zusätzliche Nato-Truppen aus dem Westen in die osteuropäischen Mitgliedsländer verlegt. Die deutsche Zusage, in Litauen dauerhaft eine komplette Kampfbrigade der Bundeswehr mit 5000 Soldaten zu stationieren, ist Teil dieser Maßnahmen zur Stärkung der Ostflanke. Im Ernstfall will die Nato in der Lage sein, direkt an ihrer eigenen Ostgrenze mit der Verteidigung zu beginnen.

Deutschland wird als "riesige Drehscheibe" dienen

Die Bundeswehr beteiligt sich an dem Nato-Großmanöver nach eigener Darstellung mit etwa 12 000 Soldaten, 3000 Fahrzeugen und 30 Flugzeugen. Sie sollen im Rahmen der Übung Quadriga 2024 schnell von Deutschland nach Osten verlegt werden. Quadriga 2024 zerfällt in vier Teile, die sich von Mitte Februar bis Mai hinziehen und eine enorme geografische Fläche abdecken: Grand North in Norwegen, Grand Quadriga und Grand Center in Polen und Litauen sowie Grand South in Ungarn und Rumänien.

Deutschland werde bei diesen Übungen "als riesige Drehscheibe für die erforderlichen Truppenaufmärsche nationaler und internationaler Kräfte" dienen, heißt es bei der Bundeswehr. Das wird nicht ohne Folgen für die allgemeine Öffentlichkeit bleiben - schließlich soll auch Russland sehen können, wozu die Nato in der Lage ist. Die Bundeswehr verspricht aber, die eventuell durch das martialische Treiben belästigte Zivilbevölkerung "auf allen Medienkanälen" umfassend darüber zu informieren, "welche konkreten Auswirkungen es auf den Straßen-, Luft- und Seeverkehr geben wird".

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