Migration:Deutlich weniger EU-Bürger kommen nach Deutschland

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Grenzübergang zwischen Deutschland und Polen. 2022 zogen etwa 80 000 Polen herüber, aber 55 000 Polen haben Deutschland in dem Jahr auch verlassen. (Foto: Jürgen Ritter/Imago)

Neue Daten bestätigen: Die Zahl der jährlichen Zuwanderer aus anderen EU-Staaten ist viel niedriger als vor Corona. Woran liegt das, und was heißt das für die deutsche Wirtschaft?

Von Jan Bielicki

Deutschland bleibt auch nach dem Ende der Corona-Pandemie für Zuwanderer aus EU-Staaten weit weniger attraktiv als in den Jahren zuvor. 2022 wanderten etwas mehr als 480 000 EU-Bürger nach Deutschland ein, wie aus einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hervorgeht. Das waren zwar 2,8 Prozent mehr als 2021, aber lange nicht so viele wie in den Jahren vor Ausbruch der Seuche.

Knapp 340 000 EU-Bürger wanderten 2022 aus Deutschland aus, etwa ebenso viele wie im Jahr davor. Laut den Zahlen des Bamf zogen damit genau 143 515 mehr EU-Staatsangehörige ins Land als wegzogen. Dieser Wanderungssaldo ist zwar etwas höher als im Vorjahr, aber nur noch weniger als halb so hoch, wie er vor sechs Jahren und den Jahren zuvor war.

Die meisten Zuwanderer kommen immer noch aus Rumänien, Polen und Bulgarien

Vor allem die Zuwanderung von Menschen aus Osteuropa hat sich seither stark abgeschwächt. Zwar stellten Rumänen, Polen und Bulgaren auch 2022 wieder die meisten europäischen Zuwanderer. So zogen im vergangenen Jahr etwa 160 000 Rumänen, 80 000 Polen und 60 000 Bulgaren nach Deutschland, aber es verließen eben auch etwa 110 000 Rumänen, 55 000 Polen und 40 000 Bulgaren das Land. Der Nettozuzug aus Rumänien und Bulgarien ist damit nur noch halb, der aus Polen sogar nur ein Drittel so hoch wie noch 2015. Noch krasser ist dieser Rückgang bei Kroatinnen und Kroaten zu beobachten: Kamen 2015 noch etwa 39 000 kroatische Bürger mehr ins Land als auswanderten, waren es 2022 gerade einmal 3300.

Für diese über die Jahre dramatische Abnahme nennen Experten drei Hauptgründe: Zum einen sind viele derer, die aus ihren osteuropäischen Herkunftsländern nach Deutschland auswandern wollten, längst da. Mehr als fünf Millionen EU-Staatsangehörige leben derzeit hier, mit jeweils etwa 880 000 Menschen stellten zum Jahresende 2022 Rumänen und Polen die größten Gruppen.

Dazu aber kommt: Den meisten Ländern Osteuropas geht es inzwischen wirtschaftlich deutlich besser als noch vor einigen Jahren, einen guten Job finden junge Menschen zunehmend auch daheim, sie müssen dafür nicht auswandern. Und drittens stehen nahezu alle europäischen Länder vor ähnlichen demografischen Entwicklungen wie Deutschland. Ihre Gesellschaften altern, es wachsen weniger junge Menschen heran als früher. Junge Leute im Alter von 16 bis 35 Jahren stellen aber den weitaus größten Teil der EU-Zuwanderer nach Deutschland.

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Vor allem für die hiesige Wirtschaft wird dieser Trend zum Problem, denn er verschärft den Fachkräftemangel. Lange Zeit konnten heimische Unternehmen das Fehlen deutscher Bewerber durch die Beschäftigung von Osteuropäern ausgleichen, die hier aufgrund der EU-Freizügigkeit problemlos arbeiten dürfen.

Etwa 2,5 Millionen EU-Staatsangehörige sind hierzulande sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Dass sich der Zuzug aus den EU-Ländern deutlich und wohl dauerhaft abschwächt, ist einer der Hauptgründe dafür, warum die Bundesregierung mit neuen Einwanderungsregeln versucht, Deutschland auch für Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern attraktiver zu machen.

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