CDU-Chef in der Kritik:Merz relativiert Aussagen zur AfD

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Geht da doch was zwischen Konservativen und Rechtsaußen? Nach seinen Äußerungen erhält Merz wütende Reaktionen aus den eigenen Reihen. AfD-Chefin Weidel hingegen hält eine Zusammenarbeit für unumgänglich.

Nach heftiger Kritik an seinen Aussagen zum Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene bemüht sich CDU-Chef Friedrich Merz um eine Relativierung. Auf Twitter schrieb er am Montagmorgen: "Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben."

Am Sonntag hatte Merz im ZDF-"Sommerinterview" gesagt, Kommunalpolitik sei etwas anderes als Landes- und Bundespolitik. Wenn in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen. "Das haben wir doch zu akzeptieren. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet." Am Sonntagabend twitterte Merz: "Das Thema Zusammenarbeit mit der AfD betrifft die gesetzgebenden Körperschaften, also im Europaparlament, im Bundestag und in den Landtagen."

ZDF-Sommerinterview
:Merz schließt Kooperation mit AfD auf kommunaler Ebene nicht aus

Bröckelt die Brandmauer? Für den CDU-Chef nicht, aber wenn es einen AfD-Landrat wie in Thüringen gebe, müsse man Wege suchen, um zu lokalen Entscheidungen zu kommen. Kritik an den Äußerungen kommt auch aus der Union.

Von Georg Ismar

Die AfD-Chefin Alice Weidel hält eine Zusammenarbeit der CDU mit ihrer Partei für unumgänglich. "Die CDU wird nicht umhin kommen, das unsinnige Kontaktverbot zur AfD aufzuheben", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. "Es führt die CDU in die linke Falle und macht sie zum bloßen Spielball der Grünen."

In dem Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU heißt es: "Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet. (...) Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab."

Friedrich Merz (l.) ist Chef der CDU und Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Weidel kritisierte Merz für die Relativierung seiner Aussagen: "Dass Friedrich Merz nun zum wiederholten Mal Angst vor der eigenen Courage hat und wieder zurückrudert, ist bezeichnend für seinen Schlingerkurs", sagte Weidel. "Die AfD bleibt auf jeden Fall weiter bereit für eine Zusammenarbeit mit allen Parlamentsparteien, denen unser Land am Herzen liegt und die eine Wende zurück zur Vernunft unterstützen."

Zuvor hatte schon Weidels Co-Chef in Partei und Fraktion, Tino Chrupalla, auf Twitter geschrieben: "Nun fallen erste Steine aus der schwarz-grünen Brandmauer. In Ländern und Bund werden wir die Mauer gemeinsam niederreißen."

Söder distanziert sich von Merz

In den eigenen Reihen hingegen gingen zahlreiche prominente Unionspolitiker mit teils wütenden Reaktionen auf Distanz zum CDU-Vorsitzenden:

CSU-Chef Markus Söder erteilte einer Kooperation mit der AfD auch auf kommunaler Ebene eine deutliche Absage. "Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab - egal auf welcher politischen Ebene", schrieb der bayerische Ministerpräsident auf Twitter. "Denn die AfD ist demokratiefeindlich, rechtsextrem und spaltet unsere Gesellschaft. Das ist mit unseren Werten nicht vereinbar."

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen betonte die Bedeutung des Kooperationsverbotes mit der AfD. "Jeder, der das ändern will, muss dafür auf einem Bundesparteitag der #CDU eine Mehrheit finden."

Das bekräftigte auch der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz: "Nein, lieber Friedrich Merz. MIT Mitgliedern einer faschistischen Partei gestalten Christdemokraten GARNICHTS. Auch nicht in den Städten und Gemeinden. Auch der CDU-Vorsitzende sollte sich an die Beschlüsse des CDU-Bundesparteitags halten."

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner schrieb: "Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung. Wo soll es da ZUSAMMENarbeit geben? Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist."

Bundestags-Vize: "Für Christdemokraten sind Rechtsradikale IMMER Feind!"

Die Vizepräsidentin des Bundestages, Yvonne Magwas, die auch dem CDU-Präsidium angehört, schrieb: "Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale IMMER Feind!"

Der CDU-Politiker und ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans schrieb zu den Aussagen von Merz: "Das hier ist die schleichende Verwässerung von Parteitagsbeschlüssen nach Wahlerfolgen der extremen Rechten. Wehret den Anfängen!"

Der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hingegen verteidigte seinen Chef: Für die CDU sei klar, dass es "keine Zusammenarbeit mit der AfD" gebe, "egal auf welcher Ebene", sagte Linnemann der Bild. "Das sieht auch Friedrich Merz so, wenngleich er zu Recht auf die schwierige Umsetzung vor Ort hinweist. Denn wenn es im Kommunalparlament etwa um eine neue Kita geht, können wir nicht nur deshalb dagegen stimmen, weil die AfD mitstimmt. Wir machen uns von Rechtsradikalen nicht abhängig."

Merz hatte in der vergangenen Woche bei der Klausur der CSU-Landesgruppe die Union als "Alternative für Deutschland mit Substanz" bezeichnet. Dafür erntete er ebenfalls Kritik. Zu Beginn seiner Amtszeit als Parteivorsitzender hatte er "eine Brandmauer zur AfD" versprochen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD im März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Ein Verbot der Partei lehnte Merz in dem ZDF-Interview ab: "Parteiverbote haben noch nie dazu geführt, dass man ein politisches Problem löst."

In Umfragen liegt die AfD derzeit bundesweit bei 20 bis 22 Prozent und wäre damit zweitstärkste Kraft hinter der Union mit 26 bis 28 Prozent. Zuletzt wurde im thüringischen Landkreis Sonneberg Robert Sesselmann zum ersten AfD-Landrat Deutschlands gewählt. In Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt wurde ein AfD-Politiker zum hauptamtlichen Bürgermeister bestimmt.

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