Treffen in Moskau:Was Merkel von Putin will

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Wladimir Putin in seinem Präsidentenflugzeug. (Foto: Mikhail Klimentyev/dpa)
  • Am Samstag treffen sich Russlands Präsident Wladimir Putin und Kanzlerin Angela Merkel in Moskau.
  • Bei dem Gespräch soll es nicht um den Krieg in der Ostukraine gehen, sondern um die Situation in Iran, in Syrien, in Libyen.

Von Silke Bigalke, Moskau

Wladimir Putin hat den russisch-orthodoxen Weihnachtstag überraschend in Syrien verbracht. Es war sein erster Besuch in dem Bürgerkriegsland seit zwei Jahren. Gemeinsam mit Machthaber Baschar al-Assad besuchte er eine orthodoxe Kathedrale, zündete Kerzen an, inszenierte Besinnlichkeit.

Russlands Position im Nahen Osten ist innerhalb weniger Tage komplizierter geworden. Die Tötung des iranischen General Qassim Soleimani durch eine US-Drohne hat unabsehbare Folgen für Moskau. Der zweite Grund sind die türkischen Truppen in Libyen. Beides bedroht eine Balance, die Putins Interessen dient: Dank ihr versteht sich Russland als Ordnungsmacht in der Region, als strategischer Partner sowohl der Türkei als auch Irans, als Freund Israels, als Entscheider in Syrien, als Geschäftspartner für Saudi-Arabien.

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Dass Putin mit allen Seiten reden kann, wird ihm auch beim Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Samstag in Moskau nützen. Bei dem Gespräch soll es nicht nur um den Krieg in der Ostukraine gehen, sondern um die Situation in Iran, in Syrien, in Libyen. Der Nahe Osten ist für Putin zur Möglichkeit geworden, sich europäischen Staatschefs als Partner anzubieten. Eine weitere Eskalation in der Region, etwa zwischen Iran und USA, kann er nicht gebrauchen.

Von Damaskus flog er dann gleich weiter nach Istanbul und vereinbarte mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan einen Waffenstillstand in der syrischen Rebellenregion Idlib. Laut russischem Militär gilt dieser seit Donnerstagnachmittag. Die Türkei und Russland sind trotz ihrer Partnerschaft Gegner in Syrien, was mit zu Putins fragiler Balance gehört.

"Russland hat jetzt alle Möglichkeiten zu vermitteln", sagt der russische Nahost-Experte Wladimir Sotnikow. In Syrien allerdings befinde es sich in einer "unangenehmen Lage". Dort ist offiziell nicht die Türkei, sondern Iran Russlands strategischer Partner - der nach dem Anschlag auf Soleimani noch etwas unberechenbarer geworden ist. Das russische Verteidigungsministerium fand warme Worte für den Revolutionsgarden-General, dessen "persönliches Verdienst" im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat sei "unbestritten".

Doch längst betrachtet Putin Iran auch als potenziellen Konkurrenten in Syrien, wenn der Krieg mal vorbei ist. Ein noch größeres Risiko wäre es für Moskau, wenn sich iranische und amerikanische - oder iranische und israelische Truppen - nun einen Schlagabtausch auf syrischem Boden liefern und Russland hineinziehen würden. Den Revolutionsgarden würde Russland zwar nicht beistehen, sagt der russische Außenpolitikexperte Pawel Felgengauer, "aber es würde Assad verteidigen."

Die Position des syrischen Machthabers möchte Putin weiter stabilisieren, auch um damit seine eigenen Militärbasen zu sichern. Erst im Dezember erklärte Moskau, dass es 500 Millionen Dollar in den Hafen von Tartus investieren wolle. Tartus ist der einzige Marinestützpunkt Russlands außerhalb der ehemaligen Sowjetunion. Dem iranischen Präsidenten kondolierte Außenminister Sergej Lawrow, nannte die Handlungen der USA einen "groben Verstoß gegen internationales Recht".

Dennoch fiel die Reaktion vergleichsweise milde aus, Trumps Drohnenschlag spielt Putin ohnehin in die Hände. "Russland hat eine Menge Vorteile von dieser Ermordung", sagt der russische Militärexperte Alexander Golts, nicht nur, weil der Ölpreis steigt. Seit Monaten versuche Putin, eine gemeinsame Basis mit europäischen Regierungschefs zu finden. "Trumps Verhalten gibt ihm die Chance, sich als verantwortungsbewusster Staatslenker zu zeigen." Auch für das Treffen mit Merkel gebe ihm der Konflikt eine gemeinsame Basis.

Merkel geht es bei dem Besuch in Moskau auch um Libyen: Sie plant einen internationalen Gipfel in Berlin, um einen Friedensprozess in Gang zu bringen, Putin hat Unterstützung signalisiert. Offiziell ist Moskau militärisch nicht in Libyen engagiert, allerdings kämpfen russische Söldner an der Seite des libyschen Kriegsherrn General Khalifa Haftar. Der türkische Präsident hat deren Einsatz offen kritisiert, "man weiß, wer sie bezahlt", sagte er in einem TV-Interview. Nun hat Erdoğan selbst Truppen nach Libyen geschickt, Moskau und Ankara stehen also in einem weiteren Konflikt auf gegnerischen Seiten. Russische Experten gehen trotzdem davon aus, dass sie ihre Beziehungen dadurch eher vertiefen werden.

"Der Fokus liegt auf der Türkei, sie ist wichtiger als Syrien und Libyen", sagt Militärexperte Felgengauer zu Putins Zielen. Die Türkei kontrolliert den Seeweg ins Schwarze Meer.

© SZ vom 11.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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