Krise in Nahost:Europa wird den Preis seiner Schwäche zahlen müssen

Krisentreffen von EU-Außenministern in Brüssel

Italiens Außenminister Luigi Di Maio und sein deutscher Amtskollege Heiko Maas beim Krisentreffen der EU-Außenminister in Brüssel.

(Foto: Francisco Seco/dpa)

Appelle zur Zurückhaltung sind nicht falsch. Aber es steht bislang kaum in Europas Macht, den Frieden in seiner nächsten Nachbarschaft und damit auch seine eigenen Interessen zu sichern.

Kommentar von Daniel Brössler, Berlin

Bundesaußenminister Heiko Maas hat die bisherigen deutschen und europäischen Bemühungen zur Verhinderung eines neuen großen Krieges am Golf mit Worten von fast rührender Schlichtheit verteidigt. Der Vorschlag, dass alle "sich ein bisschen zurückhalten", sei doch nicht der schlechteste, sagte Maas. Da hat er natürlich recht. Niemand bei Sinnen würde Amerikanern oder Iranern empfehlen, nun noch mehr Öl ins Feuer zu gießen.

Allerdings würde auch niemand mit einem Funken Realismus erwarten, dass es irgendetwas zur Beruhigung der Lage beiträgt, wenn sich nun nur die Europäer in Zurückhaltung üben. Und nicht einmal größte Optimisten werden glauben, irgendwer sei beeindruckt, wenn die Europäer nun zur Zurückhaltung mahnen. Und so haben vermutlich etliche Menschen, wenn sie Maas hören, nicht das Gefühl, dass er etwas Falsches sagt, aber auch nicht den Eindruck, dass er Wegweisendes tut.

Daran ist er natürlich erst einmal selber schuld. Wenn der Minister fordert, Gesprächskanäle offen zu halten, so ist auch das nicht falsch, steht aber in so eklatantem Kontrast zu den Twittertiraden aus Washington und den dramatischen Bildern aus Bagdad, Teheran und Kerman, dass sich der Eindruck routinierter Ratlosigkeit verfestigt. Wahr ist allerdings auch, dass Maas die gewaltigen Erwartungen an ihn nüchtern betrachtet gar nicht erfüllen kann.

So legitim die Unzufriedenheit der Opposition mit dem Minister ist, so abwegig ist die Vorstellung, Maas könnte durch forschere Diplomatie einen entscheidenden Unterschied machen. So wird gefordert, Deutschland möge eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats beantragen. Das kann Deutschland natürlich tun. Es wird allerdings nichts daran ändern, dass das Gremium blockiert ist durch das Verhalten Russlands und leider zunehmend auch der USA. Tatsächlich stehen in Deutschland die Erwartungen an die eigene Außenpolitik vielfach in groteskem Widerspruch zu deren begrenzten Möglichkeiten.

Das gilt nicht erst, seit sich die Bundesregierung mit der Verwaltung ihrer Restamtszeit begnügt. Aber es gilt umso mehr. Wenn CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer für die Übernahme von mehr militärischer Verantwortung plädiert, so fügt das nur dem Koalitionsstreit mit der SPD eine weitere Facette hinzu.

Die möglichen Folgen der Krise sind unbegrenzt

Immer wieder begonnen, aber nie wirklich geführt wird die Debatte darüber, welchen Beitrag Deutschland eigentlich dafür leisten will, dass Europas Sicherheit und Wohlstand gewährleistet bleiben in einer Welt, in der Russland und China skrupel- und die USA unter Donald Trump verantwortungslos handeln. Kremlchef Wladimir Putin, der Merkel am Samstag in Moskau empfängt, nimmt die Kanzlerin sicher ernst als alte Bekannte und erfahrenste Regierungschefin Europas, kaum aber als Repräsentantin eines einzukalkulierenden Machtfaktors in der aktuellen Krise.

Jedenfalls ist es den Deutschen mit ihren europäischen Partnern, vor allem Franzosen und Briten, bisher nicht gelungen, entscheidenden Einfluss auf die Akteure in der Region zu nehmen. Zwar haben die Europäer nach dem Ausscheiden der USA aus dem Atomabkommen Iran für eine Weile bei der Stange halten können. Weil sie aber nicht in der Lage waren, die wirtschaftlichen Folgen der US-Sanktionen auch nur annähernd zu kompensieren, gingen die Erfolgsaussichten des Unterfangens von Anfang an gegen null. Und was US-Präsident Trump betrifft, so ist er per se nicht zu beeinflussen. Dutzende gefeuerter Berater können das bezeugen.

So begrenzt die Möglichkeiten Europas und Deutschlands also zu sein scheinen, so unbegrenzt sind die möglichen Folgen der Krise. Das gilt selbst für den Fall, dass ein regelrechter Krieg zunächst ausbleibt. Fällt das bisschen an Stabilität, das im Irak bisher gesichert werden konnte, sind neue Fluchtbewegungen sicher. Iran wird sich für seinen Terror mit höchster Wahrscheinlichkeit Ziele auch in Europa suchen. Hinzu kommen die wirtschaftlichen Verwerfungen. Europa wird - in noch stärkerem Maß als bisher - den Preis seiner Schwäche zu zahlen haben.

Kurzfristig bleibt nun gar keine andere Wahl als der gemeinsame europäische Appell an die Reste von Vernunft. Am ehesten könnte dies im Irak fruchten, aber auch nur dann, wenn die Europäer das Land nicht fluchtartig verlassen. So richtig es daher ist, Bundeswehrsoldaten, wo nötig, zunächst in Sicherheit zu bringen, so falsch wäre es, die Ausbildungsmission und damit auch jede Hoffnung sofort ganz aufzugeben. Auch jede noch so kleine Chance, das vollständige Chaos im Irak zu verhindern, muss ergriffen werden.

Daraus ergibt sich auch die langfristige Lehre. Es steht bislang kaum in Europas Macht, den Frieden in seiner nächsten Nachbarschaft - und damit auch seine eigenen Interessen - zu sichern. Appelle zur Zurückhaltung sind nicht falsch. Erfolg versprechen sie aber eben nur dann, wenn sie nicht aus einer Position offenkundiger Schwäche erfolgen.

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