Masern:"Dagegen helfen weder Globuli noch Klangschalen"

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Mit Masern haben sich im vergangenen Jahr in der Europa-Region der Weltgesundheitsorganisation so viele Menschen angesteckt wie seit zehn Jahren nicht mehr. (Foto: Owen Humphreys/dpa)
  • Nach abschließender Beratung sollen Kinder in Kitas und Schulen ab März nachweisen, dass sie gegen die Masern geimpft sind.
  • Ohne Ausnahme betonten die Abgeordneten den Nutzen und die Wichtigkeit des Impfens.
  • Kritik erntete der Gesetzesentwurf jedoch dafür, dass er die Impflücken bei Erwachsenen nicht ausreichend adressiere.
  • Die Masern gelten als eine der ansteckendsten und gefährlichsten Infektionskrankheiten.

Von Kathrin Zinkant, Berlin

Es war eine Debatte, wie man sie im Bundestag eher selten erlebt: Die Grünen spendeten der FDP Applaus, die Linke fand sogar ein paar lobende Worte für einen Bundesminister. Man ist sich einig, dass es mit dem Impfen in Deutschland besser werden muss. Nach Monaten der Diskussion um die hartnäckigen Impflücken in der deutschen Bevölkerung hat der Bundestag am Donnerstag daher einer gesetzlichen Impfpflicht zum Schutz vor den Masern zugestimmt. "Masernschutz ist Kinderschutz", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) während der abschließenden Beratung im Berliner Reichstagsgebäude.

Für Spahns Entwurf votierten neben den Abgeordneten der Regierungsparteien von Union und SPD auch die Fraktion der FDP. Grüne und Linke, die im Vorfeld scharfe Kritik an Spahns Entwurf geäußert hatten, enthielten sich. Allein die Vertreter der AfD stimmten dagegen. Stimmt dem Gesetz nun noch der Bundesrat zu, tritt es am 1. März 2020 in Kraft.

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Damit müssen Eltern für ihre Kinder von März an eine wirksame Immunisierung gegen die Masern nachweisen, bevor sie eine Betreuung in Kitas und Schulen beanspruchen können. Für Kinder, die bereits in den Einrichtungen untergebracht sind, muss der Nachweis bis Mitte 2021 nachgereicht werden. Ein Verstoß gegen diese Vorgaben kann mit einem Bußgeld von bis zu 2500 Euro sowie dem Ausschluss aus Kindertagesstätten geahndet werden. Ziel der Maßnahmen ist, unter Kindern eine flächendeckende Impfquote von 95 Prozent nach der zweiten Dosis zu erreichen, die für einen wirksamen Gemeinschaftsschutz als nötig gilt.

Bislang erreichen nur zwei Bundesländer diese Quote, und das auch erst zum Schulbeginn. Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut empfiehlt aber, bis zum Ende des zweiten Lebensjahres zweifach zu impfen. Das passiert in Baden-Württemberg bei weniger als 70 Prozent der Kinder. Selbst zur Einschulung sind hier weniger als 90 Prozent zweifach immunisiert.

Infektionsketten können so nicht unterbrochen werden. Und die Masern sind nicht nur hochansteckend, sondern auch gefährlich: Eine Erkrankung schädigt das Immunsystem oft dauerhaft, Gehirnentzündungen können zu Behinderungen oder sogar zum Tod führen. Säuglinge können erst mit elf Monaten wirksam geimpft werden.

In der abschließenden Debatte betonten die Abgeordneten daher ohne Ausnahme die Bedeutung des Impfens für den Gesundheitsschutz. Als einen "Akt der Solidarität", bezeichnete Bärbel Bas (SPD) das Impfen, der Unionsabgeordnete Rudolf Henke nannte es eine "ethische Verpflichtung".

Grüne und Linke stimmten dem zu, forderten jedoch eine weiterreichende Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes. "In den vergangenen Jahren sind ein Drittel der Stellen in den Gesundheitsämtern gestrichen worden - und da wundern wir uns, dass die Impfquoten sinken", sagte Kordula Schulz-Asche (Grüne).

Zahlreiche Abgeordnete thematisierten zudem die bestehende Impflücken unter Erwachsenen, die nach 1970 geboren sind. Sie seien das "Hauptproblem", das vom Gesetz aber nicht angegangen werde, sagte Schulz-Asche.

Zwar gilt auch für erwachsene Mitarbeiter in der Kinderbetreuung und in Gesundheitseinrichtungen sowie für Helfer und Bewohner von Flüchtlingsunterkünften künftig eine Masernimpfpflicht. Eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen sieht das neue Gesetz aber nicht vor. Diese Gruppe soll allein durch Aufklärung und erleichterten Zugang zu Impfungen erreicht werden. So dürfen künftig Ärzte aller Fachrichtungen Impfungen bei allen Patienten vornehmen.

Deutlich wurde am Donnerstag, dass mit der AfD die Impfskepsis in den Bundestag eingezogen ist. So behauptete der AfD-Abgeodnete Detlev Spangenberg, die Bereitschaft zum Impfen in Deutschland betrage "fast 100 Prozent", eine Impfpflicht sei nicht nötig - außerdem gebe es "strittige Meinungen" darüber, wie viele Impfdosen für einen Schutz vor Masern nötig sind. Die Ärztin Sabine Dittmar (SPD) dagegen lobte das Gesetz. Die Masern seien zu 100 Prozent ansteckend und könnten schwerste gesundheitliche Folgen haben. "Dagegen helfen weder Globuli noch Klangschalen", so die Politikerin.

© SZ vom 15.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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