Die Linke:"Kein Grund zur Freude"

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"Eine Niederlage, auch für mich persönlich", sagt der Noch-Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch. (Foto: Christian Spicker/Imago)

Nach langem Hin und Her wird am 6. Dezember Schluss sein mit der Bundestagsfraktion der Linken. Die internen Reibereien gehen aber auch ohne Sahra Wagenknecht weiter.

Von Boris Herrmann und Angelika Slavik, Berlin

Die Fraktion der Linken im Bundestag wird am 6. Dezember aufgelöst. Das beschlossen die Abgeordneten bei der Fraktionssitzung am Dienstag. "Dieser Tag ist kein Grund zur Freude", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch schon vor Beginn der Sitzung. Links der Ampelkoalition werde es jetzt keine Fraktion mehr geben im Bundestag. Bartsch sagte, das "ist natürlich eine Niederlage, auch für mich persönlich".

Dass sich eine Fraktion im Deutschen Bundestag während einer laufenden Legislaturperiode auflöst, hat es laut der Bundestagsverwaltung seit den 1960er-Jahren nicht mehr gegeben. Bei der Linken kam es zu diesem Schritt, nachdem vor gut drei Wochen insgesamt zehn Abgeordnete rund um die frühere Fraktionschefin Sahra Wagenknecht ihren Austritt aus der Partei erklärt und angekündigt hatten, eine neue Partei mit dem Namen "Bündnis Sahra Wagenknecht" gründen zu wollen. Die verbleibenden 28 Abgeordneten der Linken reichen aber nicht aus, um den Fraktionsstatus im Bundestag zu halten. Dafür wären in der aktuellen Gesetzgebungsperiode mindestens 37 Abgeordnete notwendig.

Keine Lust mehr auf die "Wagenknechte"

Bei dem Beschluss über die Liquidation gab es nach SZ-Informationen vier Enthaltungen. An der Fraktionssitzung nahmen auch vier Abgeordnete teil, die mit Wagenknecht die Linke verlassen hatten. Es wird erwartet, dass nun beide Seiten beantragen werden, als Gruppe in den Bundestag aufgenommen zu werden.

Dem Beschluss zur Selbstauflösung war ein wochenlanges Ringen um das bürokratische Liquidationsprozedere vorangegangen. Schon bei der Vorstellung der Pläne ihrer neuen Partei hatte die nun abtrünnige Wagenknecht betont, dass sie und alle ihre Mitstreiter Anträge gestellt hätten, um trotz des Parteiaustritts zunächst als Mitglieder in der Fraktion bleiben zu können. Wagenknecht verband das mit dem Hinweis, dass man den Fraktionsmitarbeitern - die nach dem Verlust des Fraktionsstatus der Linken ihre Jobs verlieren werden - die maximal mögliche Zeit geben wolle, sich auf die berufliche Veränderung vorzubereiten. Diese Konstruktion wäre längstens bis zur formalen Gründung der neuen Partei möglich gewesen, die von Wagenknecht für Januar angekündigt wurde. Danach hätte die Fraktion in jedem Fall liquidiert werden müssen.

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Kommentar von Boris Herrmann

Aus der verbliebenen Linken war jedoch schnell zu hören, dass man die Zeit der gemeinsamen Fraktion mit den intern als "Wagenknechte" verspotteten Leuten so kurz wie möglich halten wolle. Der nun beschlossene Auflösungstermin ist dem Vernehmen nach auch gewählt worden, um den Fraktionsmitarbeitern die Beschäftigung über Weihnachten hinaus zu sichern. Zudem vermeidet man so, sich mit den Anträgen der ausgetretenen Abgeordneten auf Verbleib in der Fraktion formal beschäftigen zu müssen. Darüber, in welcher Form das notwendig gewesen wäre, gab es innerhalb der Linken unterschiedliche Auffassungen - einen Präzedenzfall gibt es ja nicht. Die Vorstellung, dass die Wagenknecht-Leute einzeln vor der Fraktion vorsprechen könnten, um ihre Beweggründe für den Parteiaustritt darzulegen, war für die verbliebene Linke jedenfalls nicht allzu attraktiv.

"Es muss Schluss sein mit der unsäglichen Selbstbeschäftigung", sagt Bartsch

Stattdessen müht sich die Partei nun, den Abgang der Wagenknecht-Gruppe als Neuanfang darzustellen. "Es muss Schluss sein mit der unsäglichen Selbstbeschäftigung", sagte Bartsch. Das Ende der Fraktion sei "keinesfalls das Ende der Linken". Er gab das Ziel aus, bei der Bundestagswahl 2025 wieder als Fraktion ins Parlament einzuziehen.

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Die Abgeordneten ziehen die Konsequenz aus den Parteiaustritten Wagenknechts und ihrer Verbündeten. Die Linke müht sich sichtlich, die Abgänge als Neuanfang zu inszenieren.

Von Boris Herrmann und Angelika Slavik

Unklar ist, ob es der Partei gelingen wird, die gewünschten Signale der Einheit auszusenden. Zwischen Parteiführung und Fraktionsspitze gibt es immer wieder Unstimmigkeiten, auch jenseits der Debatte über Sahra Wagenknecht. So ist bislang offen, ob sich die verbliebenen 28 Linken-Abgeordneten darauf einigen können, künftig im Bundestag in einer parlamentarischen Gruppe zusammenzuarbeiten, oder ob sie sich in zwei oder mehrere aufteilen. Zudem steht am Wochenende der Parteitag der Linken in Augsburg an, inklusive Aussprache auf offener Bühne.

Der Partei-Vorsitzende Martin Schirdewan rief die 28 Abgeordneten der Linken zur Zusammenarbeit auf. "Wenn es da in der Vergangenheit persönliche Differenzen gab, dann sind sie dazu verdammt, diese Differenzen jetzt zu überwinden", sagt er der SZ.

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