Agrar-Einsparungen:Özdemir will's nicht gewesen sein

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Zwischen die Räder: Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sagt, er habe nie die Agrardieselbeihilfe streichen wollen. (Foto: Fabian Sommer/DPA)

Zwischen FDP und Grünen ist ein skurriler Streit entbrannt, wer Kürzungspläne bei der Landwirtschaft zu verantworten hat. Die Bauern schlagen Alarm und planen eine Großdemo in Berlin.

Von Markus Balser, Georg Ismar und Henrike Roßbach, Berlin

Wie groß die Wut der Bauern ist? Am Montag soll die Hauptstadt das erfahren. "Alle Landwirte" rief der Bauernverband vor dem Wochenende dazu auf, um 11 Uhr zum Brandenburger Tor zu kommen - mit Traktor. Unter dem Motto "Zu viel ist zu viel!" werde man gegen die Sparpläne protestieren. Fast eine Milliarde Euro würde das geplante Aus für Vergünstigungen bei Agrardiesel und Kfz-Steuer Deutschlands Bauern jährlich kosten. Das alles müsse nun zurückgenommen werden, fordert der Verband.

Auch in der Politik regt sich Empörung. Er habe wegen des Plans "ziemliche Kopfschmerzen", sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) im Bundesrat. Im Gartenbau, aber auch bei großen Agrarbetrieben löse er massive Kostensteigerung aus. Preise regionaler Produkte stiegen und könnten durch günstigere Importe ersetzt werden. Unionschef Friedrich Merz sprach von "Politik gegen die Menschen im ländlichen Raum". Und auch in der SPD warnen Stimmen, dass zusätzliche Belastungen ausgerechnet vor drei Landtagswahlen in Ostdeutschland 2024 Wasser auf die Mühlen der AfD wären.

Die FDP zeigt auf den Minister, der aber will vor den Kürzungen gewarnt haben

Selbst der zuständige Landwirtschaftsminister Cem Özdemir distanzierte sich. "Mir wurden die Ergebnisse der Gespräche am Morgen mitgeteilt", klagte Özdemir nach dem Sparbeschluss seiner Regierungskoalition. Es könne nicht sein, "dass wir unseren Landwirtinnen und Landwirten immer mehr abverlangen, aber nicht bereit sind, dann an anderer Stelle zu unterstützen".

Damit allerdings brachte Özdemir den eigenen Koalitionspartner gegen sich auf. Aus der FDP wird Özdemir nun vorgeworfen, er habe die Pläne ja selbst verfolgt. Die These stützt ein Brief, den seine Staatssekretärin Silvia Bender am 26. Juni dieses Jahres an Werner Gatzer geschrieben hat, den Haushaltsstaatssekretär von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

Damals ging es um die Aufstellung des Haushalts 2024, und Gatzer hatte von den Ressorts Einsparungen verlangt. Die vereinbarten Einsparungen, schrieb Bender, bedeuteten eine "stark angespannte Lage in den kommenden Jahren für unseren Haushalt". Sie fügte hinzu: "Wir werden daher mit Vorschlägen zur Überarbeitung der Agrardieselbeihilfe auf das BMF zukommen, um ab 2025 dringend notwendige Transformationsaufgaben im BMEL-Haushalt besser ansprechen zu können." Schon heute bitte sie "um Unterstützung für dieses wichtige Vorhaben".

"Bigott!" - "Gelogen!": Es wird hitzig

Offensichtlich also schloss man im Landwirtschaftsministerium Veränderungen bei den Agrardieselbeihilfen im Sommer keineswegs kategorisch aus - und da es um Haushaltseinsparungen ging, kann das Ressort letztlich nur Kürzungen gemeint haben.

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Im Landwirtschaftsministerium sieht man die Sache anders. Mit Blick auf die nun geplante Streichung der Agrardieselbeihilfen sagte ein Sprecher von Özdemir, einen solchen Vorschlag habe man "zu keinem Zeitpunkt" eingebracht. Man habe lediglich zugesagt, eine Überarbeitung zu "prüfen", nicht die Beihilfen zu streichen. Und auch das nur, wenn die dann frei werdenden Mittel den Transformationsaufgaben der Landwirtschaft zugutekämen. Der Ansatz sei dann aber nicht weiterverfolgt worden. Im Gegenteil: Der Minister habe im Rahmen der notwendigen Haushaltskonsolidierung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in internen Beratungen ausdrücklich davor gewarnt, die Agrardieselbeihilfe zu streichen.

Die Erklärungen aber brachten am Freitag keine Beruhigung im neuerlichen Koalitionsstreit. Im Gegenteil. FDP-Fraktionsvizechfin Carina Konrad warf Özdemir vor, seine Kritik sei "bigott". Özdemirs Parlamentarische Staatssekretärin Claudia Müller platzte schließlich der Kragen: Die Unterstellung, dass Özdemir den Vorschlag zur Kürzung selber gemacht habe, sei "schlicht gelogen". Sie fand: "Eine Entschuldigung wäre angebracht."

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