Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen:Freundlich im Ton, härter in der Sache

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Armin Laschet gilt vielen in der CDU als "zu freundlich". Der Wahlsieger glaubt hingegen, dass er Nordrhein-Westfalen nur so reformieren kann - und gleichzeitig Europa und der Kanzlerin helfen.

Porträt von Matthias Kolb und Benedikt Peters, Düsseldorf

Als Armin Laschet abends um kurz vor halb zehn vor dem Partyzelt in der CDU-Geschäftsstelle in Düsseldorf ankommt, kracht es. Ein Feuerwerk wird abgebrannt und es wird getrötet wie im Karneval. Dass die Christdemokraten bei der Landtagswahl knapp zwei Prozentpunkte vor der SPD liegen, wirkt wie ein Wunder und lässt die CDU-Sympathisanten noch lauter brüllen.

Die Sprechchöre sind mit "So sehen Sieger aus" und "Armin Laschet, Ministerpräsident, Ministerpräsident" ebenso wenig kreativ wie die Musikauswahl. Da singt Tina Turner "Simply the Best" und mit Andreas Bouranis "Ein Hoch auf uns" hat sich die CDU das WM-Lied 2014 als Hymne ausgesucht, den Song kennt jeder im fußballverrückten Westen. Mehr Mainstream geht kaum. Doch die CDU ist 2017 erfolgreich, weil sie den Bürgern bietet, was diese wollen.

Genau darüber spricht Armin Laschet, nachdem er sich durch die Menge gekämpft hat. Eigentlich liegt es ihm nicht, sich bejubeln zu lassen - doch nun genießt er den Applaus. 2012 habe die NRW-CDU zwar eine "schwere Wahlniederlage" kassiert, doch die richtigen Schlüsse gezogen. "Wir haben ein Grundsatzprogramm erarbeitet und jene Themen identifiziert, die die Bürger bewegen", ruft Laschet und zählt zum x-ten Mal den Dreiklang der Wahlkampagne auf. Bildung. Wirtschaft und Verkehr. Innere Sicherheit.

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Der 56-Jährige, der nach dem Jurastudium als Journalist arbeitete, spricht dann selbst ein gängiges Vorurteil an: Er sei zu freundlich. Laschet blickt durch die randlose Brille und verteidigt sich: "Man kann hart in der Sache seine Linie halten und trotzdem muss man fair sein zum politischen Gegner." Diese menschliche Seite werde ihm helfen, zügig eine Regierung zu bilden, um die Probleme in NRW anzupacken. Als Laschet diese Worte spricht, ist noch unklar, was sich am frühen Morgen erweist: dass es für Schwarz-Gelb wohl knapp reichen wird. Aber weil Laschet Stabilität schätzt, ist auch ein Bündnis mit der SPD denkbar.

Laschet ist ein erfahrener Politiker, der zwischen 1994 bis 1998 im Bundestag saß ( und damals mit Schwarz-Grün liebäugelte), bevor er 1999 Europaabgeordneter wurde. Er weiß, dass an solchen Abenden auch Rivalen gelobt werden müssen und so holt er Karl-Josef Laumann auf die Bühne, den er 2012 im Rennen um den Parteivorsitz besiegt und von dem er die Rolle des Oppositionsführers übernommen hatte. Dass sie im Wahlkampf kaum zusammen auftraten, scheint vergessen: Heute zählt die Harmonie.

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Optimismus ist typisch für den gläubigen Katholiken mit dem runden Gesicht und den Grübchen. Doch in dieser Wahlkampagne hat er bewiesen, dass er auch kämpfen und angreifen kann. Ständig erinnerte er daran, dass Nordrhein-Westfalen in zu vielen Bereichen Schlusslicht sei - und zum deutschen Mainstream gehört auch, dass niemand gerne Letzter ist und Sicherheit ein hohes Gut.

Um zu verstehen, wieso Armin Laschet die populäre SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ablösen konnte, muss man ein paar Wochen zurückblicken. Am 19. April, gegen zehn Uhr morgens, fährt ein gigantischer Doppeldeckerbus vor der Düsseldorfer CDU-Zentrale vor. Die Tür öffnet sich, auf den Bürgersteig tritt ein breit grinsender Armin Laschet. Hinter ihm im Bus regt sich noch etwas, und heraus klettert ein braungebrannter, älterer Herr mit einer violetten Krawatte.

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Wolfgang Bosbach stammt aus Bergisch Gladbach und war zuletzt Chef des Innenausschusses im Bundestag. In Nordrhein-Westfalen kennt ihn jeder. An diesem kühlen Apriltag präsentiert ihn Laschet den 13 Millionen Stimmberechtigten als den Mann, der ihm helfen werde, NRW endlich wieder sicherer zu machen. Bosbach werde eine Regierungskommission mit renommierten Experten leiten, die in den ersten 100 Tagen nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Vorschläge zu Sicherheitsthemen erarbeiten werde, so diktiert es Laschet in die Notizblöcke und Mikrofone.

Bei keinem anderen Thema hat der CDU-Spitzenkandidat so viel Aufwand betrieben wie bei der inneren Sicherheit. Nahezu jeden Tag hat sein Team eine Pressemitteilung verschickt. Mal kritisierte Laschet den "dramatischen Anstieg der islamistischen Gefährder", dann forderte er "mehr Polizisten" oder nannte die Aufklärung von Straftaten unter der rot-grünen Landesregierung "blamabel".

Unterstützung holte er sich oft aus Bayern. Ministerpräsident Horst Seehofer, CSU-Innenminister Joachim Herrmann, Edmund Stoiber: Sie alle kamen, damit Laschet seine Kernbotschaft verbreiten konnte: In Bayern ist es viel sicherer als in Nordrhein-Westfalen, deswegen müssen wir etwas ändern. Und wenn die CSU-Männer nicht da waren, rief er allein über die Marktplätze: "Sie sollen in Nordrhein-Westfalen genauso sicher und ohne Angst leben können."

Laschet argumentierte dabei nicht immer sachlich; er unterschlug zum Beispiel, dass die Einbruchsquote in NRW in letzter Zeit deutlich gesunken ist. Und er ließ auch unerwähnt, dass es natürlich nicht nur im Westen der Bundesrepublik islamistische Terroranschläge gab, sondern auch in Bayern. Dass er dennoch mit seiner Inszenierung als "Sheriff Laschet" durchdringen konnte, hat er auch dem ungeschickten Agieren seiner Kontrahentin Hannelore Kraft zu verdanken.

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Allein die Tatsache, dass sie ihren Innenminister Ralf Jäger trotz zahlreicher Sicherheitspannen (Hogesa-Proteste, Kölner Silvesternacht, Fall Anis Amri) nicht feuerte, lieferte Laschet die Chance zu permanenten Attacken. Natürlich kritisierte der CDU-Kandidat auch die Bildungspolitik der unpopulären Grünen-Chefin Sylvia Löhrmann und beklagte Unterrichtsausfall und "Inklusion mit der Brechstange".

Doch bei den Themen, die den Wählern wichtig waren, landete Sicherheit stets weit vorn - laut ARD waren 63 Prozent der Wähler unzufrieden, wie die bisherige Landesregierung Kriminalität bekämpfte. Das deutet an, dass Rot-Grün für die vielen Fehler abgewählt wurde - und nicht unbedingt alle von Armin Laschet regiert werden wollen.

Als Ministerpräsident muss er nun zeigen, dass er nicht so chaotisch und schluderig ist, wie manche meinen. Beim Wahlkampfabschluss in Aachen erinnert ein riesiges Plakat mit der Aufschrift "Herr Laschet, wo ist meine Klausur?" daran, dass der CDU-Mann 2015 als Honorarprofessor Prüfungsarbeiten verschlampt und dann sehr gute Noten erfunden hatte. Später kam heraus, dass er sein Buch "Aufsteigerrepublik" mithilfe von Ministeriumsmitarbeitern geschrieben hatte ( Details hier), doch beide Affären konnte Laschet aussitzen.

"Nah bei den Menschen" lautete sein Slogan und für manche Parteifreunde war und ist Laschet zu tolerant und zu nah dran an Einwanderern. Von 2005 bis 2010 war er als Minister unter Jürgen Rüttgers neben den Themen Generationen, Jugend und Frauen eben auch für Integration zuständig. Der Spitzname "Türken-Armin" verrät, dass nicht alle seine Prioritäten teilten.

Solidarität mit Merkel

Doch in dieser Frage macht Laschet ebenso wenig Kompromisse wie in seiner Unterstützung für die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Beim gemeinsamen Auftritt in Haltern am See hängt im Portal der Sankt-Sixtus-Kirche ein Plakat mit der Aufschrift "Wir schaffen's immer noch", und Laschet versichert Angela Merkel, dass sie immer auf die Unterstützung der NRW-CDU zählen könne.

Da andere NRW-Christdemokraten wie Wolfgang Bosbach oder Jens Spahn gern gegen ihre Chefin sticheln, freut sich Merkel über diese Solidarität und entsprechend oft ist sie mit Laschet aufgetreten. Einen Tag vor der Stimmabgabe ist sie zur Schlusskundgebung nach Aachen gereist: Im Ortsteil Burtscheid wurde Armin Laschet geboren und hier wohnt er noch heute mit seiner Frau Susanne. Stolz zeigt er Merkel das Becken, in dem er getauft wurde, und erinnert an seinen Vater, der vom Bergmann zum Lehrer wurde und alle vier Söhne auf die Uni schickte.

Aufstieg durch Bildung, daran glaubt Laschet ebenso fest wie an die EU und Europa. Kein Wunder, die Grenzen zu Belgien und den Niederlanden sind wenige Kilometer entfernt. Ganz in der Nähe liegt aber auch Würselen, also der Heimatort von Martin Schulz, dem plötzlich so entzauberten SPD-Kanzlerkandidaten. Es genüge, wenn einer aus der Region ein Spitzenamt innehabe, ruft Laschet am Tag vor der Wahl: "Wenn ich Ministerpräsident bin, dann kann jemand aus Mecklenburg-Vorpommern Kanzlerin bleiben."

Da nickt die CDU-Chefin zustimmend, als ob in diesem Moment der dritte Sieg ihrer Partei bei der dritten Landtagswahl schon feststünde. Auch dieses Gefühl gehört 2017 wohl zum deutschen Mainstream: Lieber nichts riskieren, Angela Merkel soll Bundeskanzlerin bleiben. Und diese Stimmung hat Armin Laschet ganz sicher nicht geschadet.

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