Von der Leyen bei Meloni:EU will Migration stärker bekämpfen

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Den Schleusern haben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (links) und Italiens Premierministerin Giorgia Meloni den Kampf angesagt. (Foto: Ciro Fusco/IMAGO)

Die Kommissionspräsidentin fliegt nach Lampedusa, um einen Zehn-Punkte-Plan gegen illegale Einwanderung vorzustellen. Aus den Mitgliedstaaten, vor allem Italien, kommen immer härtere Forderungen.

Von Marc Beise und Claus Hulverscheidt, Lampedusa, Berlin

Die Europäische Union gerät bei der Migration immer stärker unter Druck und will diese deshalb stärker bekämpfen: Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will Migranten aus Afrika radikal daran hindern, mit Booten nach Europa überzusetzen. Italien könne das Problem nicht mehr allein lösen, sagte Meloni am Sonntag. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprach ihr, rigoroser gegen die Überfahrten aus Afrika vorzugehen, und legte dazu einen Zehn-Punkte-Plan vor. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte derweil einen härteren Umgang mit illegal Eingereisten.

Von der Leyen reiste am Sonntag gemeinsam mit Meloni auf die kleine italienische Mittelmeerinsel Lampedusa, die nur 140 Kilometer vor der afrikanischen Küste liegt und derzeit die Hauptlast der über See Kommenden trägt. In der vergangenen Woche gab es dort an einem Tag 7000 Neuankömmlinge, womit die Behörden und Bürger vor Ort völlig überfordert waren.

Beide Politikerinnen äußerten sich demonstrativ anerkennend über die Arbeit der Hilfskräfte vor Ort und versprachen mehr Hilfe. So setzt sich von der Leyen dafür ein, dass die Neuankömmlinge schneller und in größerer Zahl von der Insel nach Italien gebracht werden, und sie versprach, bei anderen Mitgliedstaaten dafür zu werben, dass möglichst viele von ihnen von Italien in andere Länder weiterreisen können.

Auch Deutschland hat die Aufnahme von Geflüchteten aus Italien gestoppt

Die Bereitschaft dazu ist aber europaweit kaum noch zu erkennen. Auch Deutschland hat die Aufnahme von Geflüchteten aus Italien gestoppt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bestreitet das allerdings. Auf Anfrage der SZ ließ sie erklären, der europäische Solidaritätsmechanismus sei nicht ausgesetzt, sondern es würde derzeit nur keine Vorbereitungen für weitere Übernahmen aus Italien geben. Diese könnten aber jederzeit wieder aufgenommen werden. Grund sei, dass Italien die Verpflichtung zur Rückübernahme von Schutzsuchenden nach den Dublin-Regeln nicht erfülle.

Faeser hatte am Samstagnachmittag in einer Telefonkonferenz mit ihren Amtskollegen aus Italien, Spanien und Frankreich sowie mit EU-Innenkommissarin Ylva Johansson über die Situation auf Lampedusa beraten. Faeser betonte dabei nach Angaben eines Sprechers, dass sich Deutschland weiter solidarisch zeigen werde. Sie bot zudem humanitäre Hilfe bei der Versorgung der schutzsuchenden Menschen an, was nun geprüft wird. "Wir sehen die Lage in Lampedusa ebenso wie unsere europäischen Partner mit großer Sorge", sagte die Ministerin.

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Noch vor wenigen Tagen, bei ihrer Rede zur Lage der EU, erwähnte die Kommissionspräsidentin die Migration nur am Rande. Das Drama von Lampedusa aber bringt Europa in Zugzwang.

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Von der Leyen hatte einen Zehn-Punkte-Plan nach Lampedusa mitgebracht. Demnach soll die Luftüberwachung verstärkt werden, die Seewege sollen stärker kontrolliert und die Küstenwache von Abfahrstaaten wie Tunesien aufgerüstet werden. Der EU-Grenzschutzagentur Frontex sollen weitere Aufgaben übertragen werden.

Beide Politikerinnen wiesen dem EU-Abkommen mit Tunesien, das maßgeblich auf Melonis Initiative hin zustande gekommen ist, eine besondere Bedeutung zu. Tunesien müsse seine Verpflichtungen nun auch einhalten, das geschieht bisher nach allgemeiner Auffassung nicht. Die tunesischen Sicherheitskräfte waren am Samstag aber mit einem Großaufgebot gegen Migranten und Schlepper in mehreren tunesischen Küstenstädten vorgegangen, um die illegale Einwanderung nach Italien zu unterbinden. Hunderte Migranten und zahlreiche Schlepper seien festgenommen worden, berichteten Augenzeugen und Behörden.

Söder fordert "Deutschland-Pakt gegen unkontrollierte Zuwanderung"

Meloni wiederholte ihre Forderung vom Freitag nach einer Seeblockade, notfalls mit Schiffen der Marine, nicht ausdrücklich. Sie machte aber erneut deutlich, dass das Migrationsproblem nur gelöst werden könne, wenn die Überfahrten verhindert werden. Die Rechtspolitikerin hatte am Freitag eine europäische Mission gefordert, um Migrantenboote auf dem Weg zu stoppen. Wenn nötig, müsse die Marine eingesetzt werden, fügte sie hinzu. In Italien sind in diesem Jahr bereits rund 130 000 Menschen illegal eingereist, fast doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum 2022. Allerdings stellte nur rund die Hälfte in dem Land einen Asylantrag - in Deutschland ohne eine EU-Außengrenze waren es dagegen schon mehr als 200 000 Menschen in diesem Jahr.

Beide Politikerinnen kündigten den Schleusern mit harten Worten den Kampf an. "Lassen Sie mich das ganz klar sagen", so von der Leyen: "Wer zu welchen Bedingungen nach Europa einreisen darf, bestimmen wir, nicht die Schleuser."

Bayerns Ministerpräsident Söder forderte in einem Interview der Bild am Sonntag "eine Wende in der Migrationspolitik". Angesichts steigender Flüchtlingszahlen und hoher Umfragewerte für Rechtspopulisten warnte er vor einer Destabilisierung des politischen Systems in Deutschland. "Wir brauchen einen Deutschland-Pakt gegen unkontrollierte Zuwanderung", sagte Söder und sprach sich für eine "Integrationsobergrenze" und härtere Beschränkungen für Asylbewerber aus.

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