Bundeswehr in Mali:Ein Abschied auf Raten

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Gesprächsauftakt: Christine Lambrecht schreitet mit ihrem malischen Amtskollegen Sadio Camara in Bamako eine Ehrenformation ab. (Foto: Michael Kappeler/DPA)

Verteidigungsministerin Lambrecht bespricht in Mali den Abzug der Bundeswehr aus dem Land. Militärisch ist der Einsatz jetzt schon ziemlich verzichtbar. Warum die Soldaten trotzdem noch anderthalb Jahre bleiben.

Von Mike Szymanski, Bamako

Ist das nun ein Anfang oder ein Abschied? Das Musikkorps der malischen Armee spielt für Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, als sie die Ehrenformation abschreitet. Die Soldaten stehen stramm für die Ministerin, mit Halstüchern in knalligen Farben. Hinter ihnen, in den Blumenbeeten, stehen ausgemusterte Feldgeschütze. Von denen geht keine Gefahr mehr aus.

Es ist morgens, acht Uhr, auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums in Bamako trifft Lambrecht ihren malischen Amtskollegen. Oberst Sadio Camara trägt zivil, im traditionellen Boubou schreitet er mit ihr die Formation ab. Das erste persönliche Treffen der beiden, die sich nur von Videokonferenzen kannten, wirkt wie der Beginn von etwas: Die Musik, der freundliche Empfang - aber ist die Bundeswehr wirklich noch willkommen? Und zählt das jetzt überhaupt noch?

"Die deutsche Regierung hat eine Entscheidung getroffen"

Lambrecht ist hier, weil die Zeit der Bundeswehr in Mali zu Ende gehen wird. Nicht heute, nicht morgen, aber Ende Mai 2024 sollen die Soldaten ihre Sachen gepackt haben. Im Idealfall hat Mali dann Wahlen abgehalten. Das ist der Plan. Seit 2013 ist die Bundeswehr in dem westafrikanischen Land im Einsatz. Sie ist Teil der Blauhelmmission "Minusma" der Vereinten Nationen, die das terrorgeschüttelte Land stabilisieren sollte. Zudem haben die Deutschen geholfen, das malische Militär auszubilden, aber das wurde schon Anfang dieses Jahres gestoppt. Es ging nicht mehr.

"Die deutsche Regierung hat eine Entscheidung getroffen", sagt Lambrecht, um den Kollegen an ihrer Seite auf den Abschied einzustimmen. Camara sieht nicht so aus, als ob ihn das betroffen macht. Später wird er sagen, dass er die Entscheidung "begrüßt". Deutschland verhalte sich "offen und ehrlich", das hätten andere europäische Partner nicht getan, die abziehen.

Ein Abschied also, aber einer, der so lange dauern wird, dass neue Probleme daraus erwachsen könnten. Etwa 1100 Bundeswehrsoldaten sind derzeit in Mali. Ihr Einsatz war zeitweilig gefährlicher als der in Afghanistan. Und jetzt steht die Truppe wie ein Gast in der Tür, der den Rucksack schon auf dem Rücken hat, aber trotzdem nicht geht. Wie soll das bis Mai 2024 funktionieren - wenn es schon in der Vergangenheit nicht mehr wirklich funktioniert hat? Lambrecht spricht Camara auf die Probleme an, etwa: Nach zwei Monaten durfte die Bundeswehr gerade erstmals wieder ihre Heron-Aufklärungsdrohne in den Himmel über Mali aufsteigen lassen. Die Drohne liefert Bilder für das unerlässliche Lagebild der Blauhelmmission. Und sie ist zum Schutz der Soldaten in der Luft, denn außerhalb des Camps in Gao lauern Terrorgruppen, die Konvois angreifen und mit Sprengfallen Menschen töten.

Noch mal so eine Phase ohne Drohne, "das darf sich nicht wiederholen", sagt Lambrecht nach dem Gespräch mit Camara. Man wolle zusammen daran arbeiten, dass das besser werde. Das sei eine Bedingung dafür, dass die Bundeswehr überhaupt bis Mai 2024 bleibt. Und die Wahlen, die die malischen Machthaber kurz zuvor abhalten wollen, müssten auch wirklich stattfinden, fordert sie. Sonst müsse man über einen früheren Abschied nachdenken. Camara sagt: Sein Land suche die Zusammenarbeit mit allen Staaten, die Malis Souveränität respektierten und sich "nicht in innere Angelegenheiten" einmischten. Nach einem allzu freundlichen Gespräch klingt das nicht. Eher nach Partner, die in der Trennung noch mal ihre Positionen klarmachen. Lässt sich darauf etwas aufbauen, das anderthalb Jahre hält?

Ende gut, alles gut - so wünscht es sich das deutsche Außenministerium

Die malischen Machthaber lassen nicht einmal zu, dass die Bundeswehr problemlos ihr Personal austauschen kann. Mehrfach verweigerte Malis Regierung die Personalflüge, teils dann erst, als die Maschinen schon in der Luft waren. Noch vor 14 Tagen musste ein Flug deshalb verschoben werden. Mali ist nicht mehr das Land, dem Deutschland einst bereitwillig seine Hilfe anbot. Im Mai 2021 entmachtete das Militär, das für seinen Kampf gegen islamistische Terroristen internationale Hilfe bekommt, die Übergangsregierung. Es war der zweite Militärputsch in kurzer Zeit.

Und die Militärjunta holte russische Söldner ins Land, die einen brutalen Antiterrorkampf ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung führen. Deshalb gibt es die Ausbildungsmission fürs malische Militär nicht mehr. Russlands Einfluss dürfte auch der tiefere Grund dafür sein, dass die deutsche Drohne nicht fliegen darf, wann und wo sie soll. Aus dieser schwierigen Lage einen Ausweg zu finden und dann noch bei den Wahlen zu helfen, könnte ein schöner Abschluss für die Mission sein. Wahlhelfer in Uniform, dann der Abschied - Ende gut, alles gut. So wünscht man sich das zumindest im deutschen Außenministerium.

Man war sich uneins in der Bundesregierung. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Parteikollegin Lambrecht wären lieber rascher abgezogen. Militärisch macht der Einsatz eigentlich keinen Sinn mehr. Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock wollte lieber an der Mission festhalten, um Deutschland als verlässlichen Partner in der Welt zu präsentieren. Ein überstürzter Rückzug hätte da nicht gut ausgesehen.

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Im Hauptquartier von Minusma trifft Lambrecht an diesem Tag El-Ghassim Wane, den Sondergesandten des UN-Generalsekretärs, der die Mission führt. Im Frühjahr, als Lambrecht schon mal hier war, hat er ihr noch versichert, wie wichtig Deutschlands Beitrag sei. Nun geht es auch hier um die Modalitäten des Endes. Was werden die Soldaten bis Mai 2024 tun? Wer hat noch etwas von Lagebildern, wenn niemand mehr Patrouillen durchführt? Und niemand mehr Terroristen bekämpft, wie es die Franzosen bis zu ihrem Abzug taten. Auch Schweden und Großbritannien haben ihren Abschied eingereicht. Sie werden nicht bis 2024 bleiben.

Mindestens sechs, eher neun Monate braucht ein geordneter Abzug laut Militärexperten. Waffen und sensibles Gerät müssen nach Deutschland zurückgebracht werden. Das wird im Sommer 2023 beginnen. Und je mehr Ausrüstung weg ist, desto weniger wird die Bundeswehr leisten können. Es gibt noch viel zu bedenken für die Verteidigungsministerin.

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