Krimbrücke:Störfall an Pfeiler 145

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Diese Aufnahme der beschädigten Brücke stammt aus einem am 17. Juli 2023 veröffentlichten Video aus einem vorbeifahrenden Zug heraus. (Foto: CRIMEA24TV/via REUTERS)

Offenbar mit zwei gezielten Drohnenangriffen wurde die von Russland auf die Krim führende Brücke erneut schwer beschädigt. Präsident Putin kündigt Vergeltung an.

Von Kassian Stroh und Dimitri Taube

Auf der für Russland strategisch wichtigen Auto- und Eisenbahnbrücke zwischen der Halbinsel Krim und dem russischen Festland hat es offenbar erneut Explosionen gegeben. Der Straßenverkehr war den ganzen Tag über blockiert. Die Regierung in Moskau beschuldigt die Ukraine, die Brücke teilweise zerstört zu haben - so wie bereits im Oktober 2022. Doch die Ursache ist noch unklar, offen ist auch die Frage, welche Folgen der Vorfall haben wird. Ein Überblick über den aktuellen Erkenntnisstand:

Was ist passiert?

Sicher ist: An mindestens einer Stelle ist die Autobahnbrücke schwer beschädigt, Teile der Fahrbahn sind abgesackt und hängen in der Luft. Die Bilder legen den Verdacht nahe, dass ein Brückenpfeiler beschädigt worden ist. Wie das geschehen ist, ob durch einen Marschflugkörper oder ein unbemanntes Boot mit Sprengstoff oder sonst irgendwie - dazu gibt es nun viele Spekulationen, aber keine gesicherten Erkenntnisse.

Die Nachrichtenagentur RBK-Ukrajina berichtete, dass in der Nacht Explosionen zu hören waren. Nach Angaben des von Russland eingesetzten Gouverneurs Sergej Aksjonow gab es einen Vorfall am 145. Stützpfeiler der Brücke. Der russische Telegram-Kanal "Graue Zone", der mit der Söldnergruppe Wagner in Verbindung gebracht wird, meldete zwei Angriffe auf die Krim-Brücke - um 3.04 Uhr und 3.20 Uhr.

Ein Mann und eine Frau seien in ihrem Auto ums Leben gekommen, ihre 14-jährige Tochter sei verletzt und ins Krankenhaus gebracht worden, teilte der Gouverneur des russischen Gebiets Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow mit. Von dort stammten die Opfer.

(Foto: SZ-Karte: Mainka/ Mapcreator.io/HERE)

Was sind die Folgen?

Auf der Krim-Brücke verkehren Autos und Züge auf zwei weitgehend parallel verlaufenden Strecken. Der Verkehr kam erst einmal vollständig zum Erliegen, die Zufahrten wurden abgeriegelt. Am Vormittag lief dann der Zugverkehr wieder an. Kurz vor Mitternacht meldeten russische Nachrichtenagenturen, dass auch Autos wieder auf einer Spur die Brücke befahren könnten. Zuvor hieß es, normale Autos können die Krim nur auf dem Landweg durch die besetzten Gebiete im Süden der Ukraine verlassen. Es gebe zwar einen Fährverkehr, der sei aber Lastwagen vorbehalten. Auf der Straße nach Melitopol gebe es einen langen Stau, hieß es am Mittag - wohl auch weil viele russische Touristen die Halbinsel verlassen wollen. Etwa 50 000 weilen derzeit angeblich dort.

Autos stauen sich am frühen Morgen nach den Explosionen an der Brücke. (Foto: Stringer/IMAGO/ITAR-TASS)

Was ist über die Hintergründe bekannt?

Russland macht ukrainische Geheimdienste für den Vorfall verantwortlich. Die Brücke sei am frühen Morgen von Überwasserdrohnen attackiert worden, behauptete das russische Anti-Terror-Komitee. Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte am Montagabend Vergeltung an und sprach von einem "sinnlosen und grausamen Akt" der Regierung in Kiew. Auch mehrere ukrainische und westliche Medien berichteten unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen, die ukrainische Marine und der Geheimdienst SBU steckten hinter der Aktion. Diese äußern sich nicht dazu.

Das ukrainische Militär wiederum teilte am Morgen mit, der Vorfall könnte eine Provokation Russlands sein. Das Vorgehen und das folgende lautstarke Bekanntmachen seien typisch, sagte die Sprecherin des Kommandos Süd, Natalija Humenjuk, im Sender Rada. Der Geheimdienst SBU äußerte sich schriftlich, aber uneindeutig: "Erneut hat sich die Brücke 'schlafen' gelegt. Und eins ... zwei!"

Wie geht es nun weiter?

Russlands Machthaber Putin bezeichnete die Beschädigung der Brücke als "Akt von Terroristen". Nach nun zwei Angriffen dort erwarte er Vorschläge, wie die Sicherheit des Bauwerks gewährleistet werden könne, sagte Putin während eines im Fernsehen übertragenen Gesprächs mit dem für Bau und Regionalentwicklung zuständigen Vize-Premier, Marat Chusnullin. Dieser hatte sich zuvor offenbar am Ort des Anschlags ein Bild der Lage gemacht. Chusnullin erklärte, dass die Reparatur der Brücke zum 1. November abgeschlossen sein soll. An den Brückenpfeilern gibt es dem Vize-Premier zufolge keine Schäden, aber ein Teil des Straßenbelages sei völlig zerstört und müsse neu gebaut werden. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Tass wurde am Flughafen von Kertsch ein temporärer Großparkplatz für Lastwagen und Autos geschaffen, die auf eine Fähre warten.

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Was ist die Krim-Brücke?

Streng genommen besteht sie aus zwei Brücken: einer für die Eisenbahn, einer für Autos. Über knapp 20 Kilometer verlaufen beide über die Straße von Kertsch, die Verbindung vom Schwarzen zum Asowschen Meer. Die Brücken verbinden also das russische Festland, die Region Krasnodar, mit der von Russland besetzten Krim. Eröffnet wurde diese Verbindung vor gut fünf Jahren von Putin. Für ihn war ihr Bau auch ein Prestigeprojekt - und von hoher Symbolkraft angesichts des russischen Anspruchs auf die Halbinsel Krim, auch wenn dieser völkerrechtlich unbegründet ist.

Warum ist die Krim-Brücke so wichtig - auch militärisch?

Bevor Russland im Frühjahr 2022 weite Teile der Südukraine besetzte, war die Brücke die einzige Straßen- und Bahnverbindung vom russischen Festland zur Krim. Sie war und ist weiterhin zentral für den Personen- und Güterverkehr und für die Versorgung der Halbinsel. Als sie nach dem Anschlag im Oktober 2022 gesperrt wurde und es nur noch einen Fährbetrieb über die Straße von Kertsch gab, stauten sich auf beiden Seiten die Lastwagen, die teils tagelang auf eine Überfahrt warten mussten.

Bedeutend ist die Brücke natürlich auch fürs Militär: Der Nachschub für die russische Armee in den besetzten Gebieten läuft zu einem nicht geringen Teil über sie - und dieser Nachschub ist aufwendig. Es geht um Truppentransporte, Waffen und Munition, Ersatzteile, Treibstoff, Verpflegung, medizinisches Material und vieles mehr. Das kann die Armee zwar auch über die Landroute im Süden der Ukraine abwickeln, dort können aber alle Depots und Stützpunkte von ukrainischen Raketen mit großer Reichweite, etwa dem Himars-Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesystem, angegriffen werden.

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Was geschah im Oktober 2022?

Am 8. Oktober 2022 gab es auf der Autobahnbrücke mindestens eine heftige Explosion. Mehrere Personen kamen ums Leben, ein Teil der Fahrbahn stürzte ins Meer, nebenan auf der Eisenbahnbrücke geriet ein Güterzug mit Diesel in Brand. Auf beiden Brücken war der Verkehr erst blockiert und dann monatelang stark eingeschränkt. Erst im Februar 2023 erfolgte die komplette Freigabe aller Spuren für den Autoverkehr, seit Anfang Mai konnten wieder beide Eisenbahngleise uneingeschränkt befahren werden. Den Wiederaufbau leitete ebenfalls Chusnullin, er wurde dabei deutlich vor den ursprünglichen Zeitplänen fertig.

Auch damals machte die Regierung in Moskau früh einen ukrainischen Geheimdienst dafür verantwortlich, einen Lastwagen in die Luft gesprengt zu haben. Bei den Ermittlungen wurden auch mehrere Tatverdächtige verhaftet. Die Ukraine stritt anfangs jegliche Beteiligung ab, räumte sie im Mai dann aber faktisch ein.

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