Bundesregierung:"Die Lage ist sehr ernst"

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  • Nach einem knapp vierstündigen Krisentreffen im Kanzleramt gehen die Partei- und Fraktionschefs der großen Koalition am frühen Mittwochmorgen ohne Einigung im Asylstreit auseinander.
  • SPD-Chefin Nahles und Unionsfraktionschef Kauder verweisen auf den EU-Gipfel und die Treffen der Parteigremien. Eine Einigung wäre demnach nicht vor Montag zu erwarten.
  • Dafür haben sich die Koalitionäre auf die Details des milliardenschweren Baukindergelds für Familien geeinigt.

Beim Treffen des Koalitionsausschusses hat es im Asylstreit der Bundesregierung keine Einigung gegeben. "Da war eine Einigung auch gar nicht vorgesehen", erklärte Unionsfraktionschef Volker Kauder im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Das Krisentreffen habe nur stattgefunden, weil die "SPD mal sehen" wollte, wie es im Streit stehe. Trotzdem sagte er, die Lage sei "sehr ernst". Eine gemeinsame Erklärung gab es nach dem vierstündigen Treffen nicht. Stattdessen traten Kauder, SPD-Chefin Andrea Nahles und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nacheinander im Frühstücksfernsehen auf.

Für die weiteren Entwicklungen im Streit um die Grenzpolitik müssten die jeweiligen Treffen von CDU und CSU am Sonntag und Montag abgewartet werden. "Man kann den Ergebnissen von Parteigremien nicht vorgreifen", sagte Kauder. Er betonte, die Regierung bleibe handlungsfähig. "Kein einziges Projekt der großen Koalition wird deswegen verhindert."

SPD-Chefin Andrea Nahles betont: "Wir haben gestern konstruktiv zusammengearbeitet, wo es um konkrete Fragen geht." Beim Streit zwischen CDU und CSU gebe es kein Ergebnis, "weil die Sache eben jetzt auch seit längerer Zeit schwelt". Auch Nahles verweist auf die Arbeit in den Gremien nach dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag. Sie wolle in Brüssel für eine erfolgreiche Einigung werben. Sie wisse aber auch nicht, ob sie sich nun auf Neuwahlen vorbereiten solle.

"Es ist eine ernsthafte Situation", sagt auch CSU-Politiker Dobrindt und ergänzt: "Wir haben klar formuliert, was wir als notwendig erachten." Seine Partei wolle die Migrationspolitik wieder "vom Kopf auf die Füße stellen". Falls es beim EU-Gipfel keine Einigung gebe, werde Innenminister Seehofer ab kommender Woche Asylsuchende an der Grenze abweisen, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind.

Beim Baukindergeld gibt es nun doch keine Begrenzung auf 120 Quadratmeter

Eine Einigung hat es während des vierstündigen Treffens beim Baukindergeld gegeben, das nun auf den Weg gebracht werden soll. Kauder erklärte, es solle bei dem Kaufzuschuss für Familien nun keine Begrenzung auf 120 Quadratmeter mehr geben. Er bestätigte den Plan von "12 000 Euro in zehn Jahren pro Kind".

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Nach Streit um die Details haben sich die Spitzen der Koalition auf einen Plan für die Förderung geeinigt. Die Größe des Hauses oder der Wohnung soll nun keine Rolle mehr spielen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Xaver Bitz

Vor dem Treffen im Kanzleramt hatten sich im Asylstreit der Unionsparteien führende Politiker von CDU und CSU demonstrativ um eine Entspannung des heftigen Konflikts bemüht. In der Sache aber blieben beide Seiten hart. Ein Weg zu einer Kompromisslösung war weiter nicht erkennbar.

Bei dem Spitzentreffen in Berlin erschienen neben Kauder, Dobrindt und Nahles die Kanzlerin Angela Merkel und Kanzleramtschef Helge Braun für die CDU, für die CSU Innenminister und Parteichef Horst Seehofer. Für die SPD nahm noch Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz an der Runde teil.

Seehofer betonte vor dem Treffen, dass er vom Fortbestand der großen Koalition ausgeht. Wenn Politiker und Medien glaubten, das Bündnis fliege bald auseinander, so sei das "weltfremd", sagte der CSU-Vorsitzende Focus Online. CSU-Landesgruppenchef Dobrindt betonte: "CDU und CSU sind eine Schicksalsgemeinschaft."

Merkel steht unter großem Druck

Merkel steht unter großem Druck. Hintergrund des Asylstreits ist Seehofers Ankündigung, Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden, vom 1. Juli an an der deutschen Grenze abzuweisen. Merkel ist gegen diesen "nationalen Alleingang". Sie möchte auf dem EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag für eine "europäische Lösung" in der Flüchtlingspolitik werben. Seehofer würde nach eigenen Worten auf die Zurückweisungen an der Grenze verzichten, wenn Merkel auf EU-Ebene eine Vereinbarung erzielen sollte, die den gleichen Effekt hätte wie die von ihm geplante Maßnahme.

Merkel rechnet beim EU-Gipfel in Brüssel noch nicht mit einer umfassenden Vereinbarung zu einem gemeinsamen europäischen Asylpaket. Zwei von sieben EU-Richtlinien, die für eine grundlegende Reform des europäischen Asylsystems geändert werden müssten, seien noch offen, sagte Merkel nach einem Treffen mit dem neuen spanischen Regierungschef Pedro Sánchez in Berlin. Dazu gehörten die Asylverfahrensrichtlinie und eine Reform der Dublin-Regeln, nach denen die Zuständigkeit für einzelne Asylbewerber in der EU festgelegt wird. "Da wird noch ein wenig Zeit notwendig sein." Deshalb plädierte Merkel erneut für bilaterale Abkommen einzelner EU-Staaten mit Herkunfts- und Transitländern.

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