Wer nach Mekka fährt, der kommt an steilem Gebirge vorbei, die übliche Farbpalette schwankt zwischen rötlich und bräunlich, manche Berge wirken aus der Ferne schon fast schwarz. In diesen Tagen allerdings ist ein besonderes Naturphänomen vor der heiligen Stadt der Muslime im Königreich Saudi-Arabien zu beobachten: Wegen ungewöhnlich starker Regenfälle in den vergangenen Monaten entstand rund um Mekka eine grüne Oase, durch die frei laufende Kamele wandern. Auf den sonst so kargen dunklen Bergen wächst mittlerweile Gras, der Himmel ist wolkenverhangen, wie Videoaufnahmen zeigen, die derzeit im Netz geteilt werden.
Regen ist bei Golfarabern mindestens so beliebt wie Sonne bei den Europäern. Mit Gedichten und Willkommensgrüßen begrüßten die Menschen dort die ersten Regentropfen Mitte Dezember noch. Man posierte mit Regenschirmen, streckte den Arm aus dem Fenster und ließ laute Musik laufen. Vor der Großen Moschee in Mekka schlitterten Kinder mit kurzen Hosen über den nassen weißen Marmorboden. Auf Tiktok sind gerade Videos beliebt, die Menschen zeigen, wie sie Katzen und Tauben aus den Fluten retten. Andere wiederum wollen offenbar lieber ihren Adrenalinpegel in diesen Tagen ein wenig nach oben treiben. In Dubai etwa verabredeten sich junge Männer kürzlich zu illegalen Stunts auf dem nassen Asphalt. Die Polizei hatte dafür wenig Verständnis und ließ 90 Autos konfiszieren. Dafür müssen die Herren nun umgerechnet rund 500 Euro zahlen, die Autos wurden ihnen für 60 Tage weggenommen.
Die wochenlangen und sintflutartigen Regenfälle auf der Arabischen Halbinsel haben in Teilen der Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabiens und Oman mittlerweile auch dazu geführt, dass die dort sehr beliebten SUVs stecken bleiben oder weggeschwemmt werden. Zwei Menschen starben in Dschidda im Zuge der Überschwemmungen. Regen als Segen? So hatte man sich das Ganze nicht vorgestellt. Noch im vergangenen November hatte der saudische König Salman öffentlich für das Regengebet Al-Istisqa geworben, in dem bestimmte Koransuren aufgesagt werden.
Diese ungewöhnlichen Naturereignisse auf der Arabischen Halbinsel führen mittlerweile zu einer emotionalen Diskussion in Teilen der arabischen Welt. So verweisen viele auf eine Überlieferung des Propheten Mohammed, die besagt: "Die letzte Stunde wird nicht kommen, bevor der Reichtum reichlich und überfließend wird, so sehr, dass ein Mann Almosen aus seinem Besitz nimmt und niemanden finden kann, der sie von ihm annimmt, und bis das Land Arabien zu Wiesen und Flüssen wird."
Die marokkanische Nachrichtenseite Hespress, immerhin zweieinhalb Millionen Follower, untermalt die jüngsten Regenfälle in einem Video mit Ticktack-Geräuschen und dramatischer Musik. Während manche Nutzer dazu raten, möglichst schnell noch Almosen zu spenden und seine schlechten Taten zu bereuen, winken andere ab und sagen, dass Regenfälle um die Jahreszeit eben mittlerweile, bedingt durch den Klimawandel, häufiger vorkommen werden und weite Teile der Arabischen Halbinsel, natürlich weiterhin, aus Wüste bestehen. Die grüne Landschaft sei nur temporär - die Hitze kommt wieder - früher, als es einem lieb ist.