Kinderhilfswerk-Report:Deutsche würden im Kampf gegen Kinderarmut mehr Steuern akzeptieren

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Frauen. vor allem alleinerziehende, sind häufiger als Männer von Altersarmut betroffen. (Foto: Ute Grabowsky/Imago/photothek)

Zwei Drittel der Bürger finden, dass Staat und Gesellschaft nicht genug gegen Kinderarmut unternehmen. Sie wären sogar bereit, dafür selbst Opfer zu bringen, zeigt eine Umfrage des Kinderhilfswerks.

Von Simon Sales Prado, Berlin

Jedes fünfte Kind in Deutschland gilt als armutsgefährdet, das sind fast drei Millionen Betroffene. Neu ist das Problem nicht, aber es hat sich durch die Folgen der Pandemie und der Inflation verschärft. Und es ist ein Problem, um das Politikerinnen und Politiker sich zu wenig kümmern.

Das sagen zumindest mehr als zwei Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer repräsentativen Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerks. Zu den Gründen für Kinderarmut zählen sie vor allem geringe Einkommen, die Vererbung von Armut durch Hürden im Bildungssystem und unzureichende Unterstützung für Alleinerziehende.

"Wir brauchen in Deutschland endlich ein klares Signal aller an die junge Generation, dass der gesellschaftliche Skandal der Kinderarmut entschieden angegangen wird", sagt Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, in einer Pressemitteilung. Mit dem jährlichen Report untersucht die Organisation, wie weit die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland umgesetzt wird - in diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf Kinderarmut.

Der Bericht kommt der Familienministerin gelegen

Krüger stellt den Bericht am Donnerstag in Berlin gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen vor. Für die Ministerin, die für ihre Pläne zur Kindergrundsicherung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) nur zwei der von ihr geforderten zwölf Milliarden Euro zugesichert bekommen hat, kommt der Bericht gelegen. Auch das Kinderhilfswerk spricht sich für eine Reform aus, die aktuellen Ergebnisse stützen ihr Anliegen und ihre Forderung nach mehr finanziellen Mitteln.

Ein großer Teil der Befragten wünscht sich grundlegende politische Veränderungen bei der Bekämpfung von Kinderarmut. Sie fordern unter anderem kostenlose Lehrmaterialien, mehr Sozialarbeiterinnen oder kostenlose Ganztagsbetreuung an Schulen. Das alles würde natürlich viel Geld benötigen, im Bericht zeichnet sich dafür aber eine mögliche Lösung ab: Fast zwei Drittel der befragten Erwachsenen in Deutschland wären bereit, mehr Steuern zu bezahlen, wenn Kinderarmut damit wirksam bekämpft werden würde. Es ist allerdings eine eher theoretische Bereitschaft. Steuern werden anders als Gebühren nicht aufgabebezogen abgegeben.

Das Kinderhilfswerk fordert auch die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz

Thomas Krüger sieht angesichts der Umfrageergebnisse den Staat und die Gesellschaft in der Pflicht, mehr gegen Kinderarmut zu unternehmen. Er fordert höhere Löhne, mehr Unterstützung für Alleinerziehende und günstigeren Wohnraum, spricht sich aber auch für ein gerechteres Schulsystem aus. "Immer neue Höchststände bei den Kinderarmutszahlen zeigen den dringenden Handlungsbedarf und auch die Notwendigkeit, hier zügig mehr finanzielle Mittel als bisher zur Verfügung zu stellen", so Krüger. Das Kinderhilfswerk befürwortet auch, die Bürokratie beim Zugang zu Sozialleistungen zu vereinfachen. Eine reine Zusammenfassung der bisherigen Leistungen reiche allerdings nicht aus, so Krüger.

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Für den diesjährigen Kinderreport hat das Forschungsinstitut Kantar Public neben den Erwachsenen auch Minderjährige befragt, in den meisten Bereichen sind die Ergebnisse ähnlich. Auch die große Mehrheit der Kinder und Jugendlichen findet, dass Staat und Gesellschaft zu wenig gegen Kinderarmut unternehmen. Sie wünschen sich zudem vor allem mehr Mitsprache in Schule und Familie sowie in Sport- und Kulturvereinen.

Das Kinderhilfswerk weist in dem Bericht auch auf einen Zusammenhang zwischen Armut und der gesellschaftlichen Teilhabe von Kindern hin: Die frühe Beteiligung von Kindern in verschiedenen Bereichen könne helfen, soziale Kompetenzen zu fördern und die Vererbung von Armut zu durchbrechen. Eine wesentliche Stellschraube, um diese Teilhabe auch gesamtgesellschaftlich zu verankern, sieht das Kinderhilfswerk in der Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz.

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