Olaf Scholz in China:"Ganz einfach: Nicht rauchen"

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Townhall-Meeting mit Bundeskanzler Scholz an der Tongji-Universität in Shanghai. (Foto: Michael Kappeler/DPA)

Wie das neue Cannabis-Gesetz den Kanzler bis nach Shanghai verfolgt - und was er dort Studenten über den Wert von Recht, Freiheit und sicheren Grenzen erklärt.

Von Daniel Brössler, Shanghai

Olaf Scholz hat schon über geistiges Eigentum gesprochen, die Schattenseiten des Dumpings, Fragen des Klimaschutzes und der europäischen Einigung, als das Gespräch mit Studentinnen und Studenten in Shanghai eine unerwartete Wendung nimmt. Ein junger Mann, der sich gerade auf sein Studium in Berlin vorbereitet, hat eine Frage. In Deutschland sei doch gerade ein Gesetz in Kraft getreten, das den Besitz von Cannabis legalisiert. "Deshalb habe ich große Sorge", lässt der Student den Bundeskanzler wissen, der sich am zweiten Tag seiner großen China-Reise in der Tongji-Universität etwa 200 im Halbrund um ihn herum versammelten jungen Leuten zum "Gedankenaustausch" stellt.

Wie er seine Gesundheit schützen könne und was er tun müsse, wenn er kein Cannabis konsumieren wolle? "Ganz einfach", löst Scholz das Problem, "nicht rauchen". Er selbst sei nun bald 66 und habe noch nie in seinem Leben geraucht. "Wenn man in Berlin studiert, kann man eine ganze Zeit durch die Gegend rennen und trifft niemanden, der so was tut."

Die Fragen der Studierenden bleiben auf Linie

Darüber ließe sich vermutlich streiten, aber der Kanzler erntet auch für diesen Beitrag den gleichbleibend förmlichen Applaus, den ihm das studentische Publikum nach jeder Antwort zuteilwerden lässt. Aus dem lauen Klatschen lässt sich nichts herauslesen, weder Zustimmung noch Widerspruch. Damit ist die Stunde, die Scholz an der 1907 von dem deutschen Arzt Erich Paulun gegründeten Universität verbringt, nicht untypisch für das gesamte Besuchsprogramm des deutschen Kanzlers. Distanz und Nähe, Werben und Warnung halten sich die Waage. Scholz ist zum zweiten Mal als Kanzler in China. Begleitet wird er von einer großen Wirtschaftsdelegation, aber auch von Sorgen wegen des Gebarens Chinas in der Weltpolitik.

Die chinesischen Studenten interessieren sich allerdings mehr dafür, was in Deutschland und Europa vor sich geht. Sie fragen den "sehr geehrten Herrn Bundeskanzler" in makellosem Deutsch nach dem Rechtspopulismus in Deutschland, warum das China-Bild in Deutschland so voller Stereotype sei und wie Deutschland das denn noch schaffen wolle mit der E-Mobilität. Ein Student nimmt dabei etwas überraschend Bezug auf eine kleine Anfrage der AfD im Bundestag, was den Bundeskanzler irritiert, aber auch zur Feststellung veranlasst, Deutschland sei "ein freies Land".

Die Fragen wirken zwar nicht oder zumindest nicht durchgängig orchestriert. Sorgen, einzelne Studentinnen oder Studenten könnten wegen des vom Rektor angeregten "offenen und tiefen Austauschs von Ideen" in Schwierigkeiten mit der kommunistischen Staatsmacht geraten, erweisen sich gleichwohl als unbegründet. Alle bleiben auf Linie.

Scholz betont, dass Russland einen Eroberungskrieg führt

Der Kanzler nimmt die Themen, wie sie kommen, und klingt dabei mitunter wie ein auch um schwierige Schüler bemühter Gemeinschaftskundelehrer. Als er sagen soll, was denn Deutschland für mehr Frieden und Wohlstand in der Welt tue, sagt Scholz, das Wichtigste sei, dass Grenzen nicht verschoben würden und "dass man sich nicht voreinander fürchten muss".

Natürlich sei Aufrüstung nicht erfreulich, aber eben auch nicht zu vermeiden, wenn einzelne Länder sich so aggressiv verhielten "wie Russland zum Beispiel mit dem Versuch, die Ukraine zu erobern". Die nicht der offiziellen chinesischen Lesart entsprechende Tatsache, dass Russland einen imperialistischen Eroberungskrieg führt, ist eine der Lektionen, die Scholz unbedingt hinterlassen will und gleich mehrfach erwähnt.

Beim Gespräch mit Xi Jinping an diesem Dienstag in Peking wird es nicht zuletzt darum gehen, den Präsidenten für etwas weniger Loyalität gegenüber dem russischen Kriegsherrn, seinem Freund Wladimir Putin, zu gewinnen. China hilft Russland tatkräftig dabei, westliche Sanktionen zu umgehen und versorgt Russland auch mit sogenannten Dual-Use-Gütern, die es für seine Waffenproduktion benötigt.

Von Shanghai aus schickt Scholz also schon mal ein paar Botschaften voraus - darunter auch die, wie wichtig der Schutz geistigen Eigentums für den Fortschritt, der Respekt vor dem Recht für eine bessere Welt und wie schädlich Dumping für die wirtschaftliche Entwicklung sei. Das Beste am Kulturaustausch sei doch, erklärt Scholz einer Studentin, "dass man seine Meinung offen sagen kann". Auch dafür gibt es höflichen Applaus.

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