US-Repräsentantenhaus:Neuer Sprecher, bekannte Probleme

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Hat nun wieder jemand im Repräsentantenhaus, mit dem er verhandeln könnte: US-Präsident Joe Biden. (Foto: Nathan Howard/AFP)

Wochenlang war der dritthöchste Posten der USA vakant, jetzt hat ihn Mike Johnson inne. US-Präsident Biden hat den Hardliner schon angerufen.

Von Peter Burghardt, Washington

Joe Biden war im Weißen Haus mit der Weltpolitik beschäftigt, als drüben im Repräsentantenhaus Mike Johnson gewählt wurde. Der US-Präsident hatte Australiens Premier Anthony Albanese zu Gast, bei der gemeinsamen Pressekonferenz kam die Sprache auch darauf, dass die Abgeordneten soeben mit wochenlanger Verspätung einen Sprecher gefunden hatten. "Ich hoffe, dass das stimmt, denn wir müssen in Bewegung kommen", antwortete Biden, später rief er den Republikaner Johnson an. Er wolle versuchen, "mit ihm in gutem Glauben im Namen des amerikanischen Volkes zusammenzuarbeiten".

Die Tatsache der Wahl an sich ist durchaus im Sinne des obersten Amerikaners, es ging immerhin um das dritthöchste Amt der Nation und den wichtigsten Job im Kongress. 22 Tage lang waren die Republikaner damit beschäftigt gewesen, sich auf einen Nachfolger zu einigen, nachdem sie Scharfmacher Kevin McCarthy gestürzt hatten. Währenddessen wurden nach internen Abstimmungen drei Bewerber verschlissen: Steve Scalise, Jim Jordan und Tom Emmer. Schließlich einigte sich eine zerstrittene Mehrheitsfraktion auf Johnson. Der gewann dann dank seltener Einheit 220:209 gegen den Demokraten Hakeem Jeffries, während Biden mit dem Australier Albanese über U-Boote sprach.

In jenen drei Wochen war der Job vakant gewesen und im Parlament nichts vorangegangen, obwohl so viel zu tun ist. Es geht vor allem um Geld, um viel Geld. Bis Mitte November muss zwischen beiden Parteien der Haushalt beschlossen sein. Sonst tritt jener Shutdown ein, der mit Hilfe eines Übergangsbudgets vor dem Aufstand gegen McCarthy zumindest verschoben worden war. Besonders eilig haben es die Regierung und die Betroffenen mit einem Hilfspaket im Volumen von 105 Milliarden Dollar für die Ukraine, Israel, palästinensische Zivilisten und die US-Grenze im Süden.

Es geht jetzt auch um die Hilfen für Israel und die Ukraine

Biden hatte es im Zuge der Kriege in Osteuropa und im Nahen Osten kürzlich nach einer Rede an die Nation im Kongress eingebracht, der soll nun möglichst schnell zustimmen. Beim Senat ist das kein Problem, dort sind die Demokraten in der Überzahl, und die Republikaner verhalten sich anders als ihre Kollegen nebenan vergleichsweise staatstragend, angeführt vom alten Taktiker Mitch McConnell. Aber wie laufen unter dem sehr rechten Mike Johnson jetzt die Verhandlungen im Repräsentantenhaus?

Mit McCarthy hatte sich Biden in letzter Not verständigt, als es um die Schuldengrenze ging. Kurz vor der Deadline kamen beide überein, das Limit von zuletzt 31,4 Billionen Dollar bis auf Weiteres auszusetzen, sonst wären die USA technisch zahlungsunfähig gewesen. Im Gegenzug ließ sich McCarthy Sparmaßnahmen garantieren, aber gleichzeitig hatte er Hardlinern seiner Republikaner noch mehr versprochen. Die ließen ihn fallen, als er mit den Demokraten diese Finanzierung für 45 Tage ausgehandelt hatte, um fürs Erste die Verwaltung weiter finanzieren zu können.

Nun fragt man sich, wie das mit dem soeben vereidigten Johnson weitergehen wird. "Wir müssen schnell handeln", gab Biden bekannt, erinnerte an "unsere überparteilichen nationalen Sicherheitsinteressen in Israel und der Ukraine" und riet, "das Wohl des amerikanischen Volkes und die alltäglichen Prioritäten der amerikanischen Familien über jede Parteinahme zu stellen".

Johnsons Einstandsrede klang wie eine Predigt

Auch der Minderheitsführer Jeffries bot dem Rivalen trotz aller Gegensätze Gemeinsamkeit an. Johnson signalisierte Bereitschaft, obwohl er die Dinge "aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln" sehe. "Wir wollen, dass unsere Verbündeten auf der ganzen Welt wissen, dass dieses Gremium von Gesetzgebern wieder zur Arbeit zurückgekehrt ist. Die Feinde der Freiheit auf der ganzen Welt sollen uns laut und deutlich hören: Das Haus des Volkes ist wieder im Geschäft." Nur: Was bedeuten die netten Worte, wenn Extremisten immer mehr damit beschäftigt sind, Amerikas Demokratie auseinanderzunehmen?

Johnsons Einstandsrede klang wie eine Predigt, Gott kam mehrfach vor. Der neue Speaker ist evangelikaler Christ. Aber inzwischen hat sich herumgesprochen, dass dieser Mr. Johnson die republikanische Radikalenriege vertritt, sonst hätten ihn Leute wie Matt Gaetz und vor allem der Boss Trump nie durchkommen lassen. Johnson steht rechten Kreisen in Israel nahe, über die Hilfe für den Verbündeten im Krieg gegen die Hamas dürfte wenig gezankt werden, allenfalls um Bidens Hilfe für Gaza. "Unser lieber Freund Israel", sagte er. Doch Johnson war zuletzt im Sinne seiner Helfer dagegen, die Ukraine mit noch mehr amerikanischen Waffen und Dollars zu unterstützen.

Auch gesellschaftspolitisch wird dieser Sprecher das Profil der Republikaner wohl weiter verschärfen. Er ist gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und LGBTQ und war sehr dafür, das nationale Recht auf Abtreibung zu kippen. Joe Biden ahnt, dass Mike Johnson wie gehabt ein ergebener Parteigänger von Donald Trump ist und sich im anschwellenden Wahlkampf entsprechend benehmen wird. Trump hatte ja seine Riege auf Linie gebracht und dazu aufgerufen, für Johnson zu stimmen. Nachher lobte er ihn als "großartigen Speaker" und sagte in dem ihm eigenen Ton, "wir waren sehr froh, dass wir helfen konnten".

Die Mär vom Wahlbetrug 2020 spielt wieder eine Rolle

Was er von Johnsons Verschwörungserzählungen über Wahlmaschinen und eine manipulierte Wahl 2020 halte, wurde Biden gefragt. Ob er befürchte, dass ein Sprecher Johnson erneut versuchen könnte, die Abstimmung zu annullieren, falls Biden 2024 wiedergewählt werde? "Nein", erwiderte der US-Präsident. Warum? "Es gibt etwa 60 Klagen, und alle gingen bis zum Obersten Gerichtshof, und jedes Mal haben sie verloren. Ich verstehe die Verfassung."

Hakeem Jeffries war da im Kongress nach Johnsons Schwur grundsätzlich geworden. "Lassen Sie mich mit einer Beobachtung über den Zustand unserer Demokratie schließen", sagte er. "Joe Biden hat die Präsidentschaftswahl 2020 gewonnen, er macht einen großartigen Job unter schwierigen Umständen. Und keine noch so große Wahlverweigerung wird an dieser Realität etwas ändern."

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Aber es gibt da auch dieses Zitat des Republikaners Gaetz im Podcast des Scharfmachers Steve Bannon. "Wenn Sie nicht denken, dass der Wechsel von Kevin McCarthy zu MAGA-Mike-Johnson den Aufstieg dieser Bewegung zeigt und wo die Macht in der Republikanischen Partei wirklich liegt", so Gaetz, ein Anhänger von Trumps Make America Great Again, "dann passen Sie nicht auf."

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