Italien:Alles an Meloni will sagen: Das ist eine seriöse Regierung

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Hat ihre Regierungserklärung abgegeben: die neue italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. (Foto: Remo Casilli/Reuters)

In 70 Minuten rattert die neue Ministerpräsidentin alle Politikbereiche herunter. Die Regierungserklärung ist die erste Gelegenheit, um der Welt zu zeigen, was Meloni schon lange behauptet: Niemand müsse Angst vor den Fratelli d'Italia haben.

Von Oliver Klasen

Etwa 70 Minuten spricht die neue Ministerpräsidentin, oder wie es in Italien korrekt heißt: die Präsidentin des Ministerrates. Wobei Giorgia Meloni schon diese Anrede zurückweisen würde. Sie hat angekündigt, dass sie in der offiziellen Kommunikation die männliche Form verwenden wird, Präsident des Ministerrates also.

Meloni, 45, ist die erste Frau an der Spitze einer italienischen Regierung. Sie erwähnt das in ihrer Rede zu Beginn auch kurz, das sei, neben all den anderen Herausforderungen "eine der Lasten, die sie auf ihren Schultern spüre". Und sie danke - das hört sich in der deutschen Übersetzung möglicherweise etwas feierlicher an als es auf Italienisch tatsächlich wirkt - "jenen Frauen, die die Treppe gebaut haben, auf der ich die gläserne Decke durchstoßen kann". Allerdings hat die neue Ministerpräsidentin schon zuvor klargemacht, dass sie alles andere als eine Feministin ist und da ist die Sache mit der Anrede aus Sicht der Feministinnen vermutlich noch das kleinste Problem.

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Meloni, die Chefin der rechtsradikalen Fratelli d'Italia, wurde am Wochenende von Staatspräsident Sergio Mattarella vereidigt und übernahm von ihrem Vorgänger Mario Draghi die Amtsgeschäfte. Einen ersten Termin hat sie am Sonntag auch schon absolviert, ein informelles Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der in Rom weilte, weil er eine Audienz bei Papst Franziskus hatte. Meloni und Macron sprachen über den Krieg in der Ukraine und über die Energiekrise. Angekommen im Kreis der EU-Regierungen - das Signal, das von dem Treffen ausging, dürfte Meloni gefallen haben.

Allerdings gab es auf Twitter ein paar Irritationen um Glückwünsche von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzler Olaf Scholz. Zu wenig kritische Distanz, ein zu freundlicher Umgang mit einer Faschistin, monierten viele. Tatsächlich ist auffallend, wie vergleichsweise milde Politikerinnen und Politiker in der EU Meloni begegnen, jedenfalls wenn man sich mal in Erinnerung ruft, was etwa im Jahr 2000 los war, als in Österreich die rechtspopulistische FPÖ an die Macht kam und die Regierung in Wien monatelang geschnitten wurde von den anderen EU-Partnern. Vielleicht waren es andere Zeiten damals, vielleicht ist die EU diesmal zu erschöpft, um neben dem Krieg und all den anderen Großkrisen auch noch eine Rechtsregierung in Italien auf die Liste ungelöster Probleme zu schreiben. Vielleicht ist es sogar eine bewusste Strategie, Meloni sachlich entgegenzutreten, um sie so zu entzaubern.

Die Regierungserklärung vor dem Parlament jedenfalls ist für Meloni die Gelegenheit, der Welt begreiflich zu machen, was sie schon lange behauptet: Niemand braucht Angst vor den Fratelli d'Italia zu haben. Wir stehen für Kontinuität und Verlässlichkeit, in der EU, in der Nato und überhaupt.

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Nur alle paar Minuten spricht sie kurz lauter und emotionaler

Tatsächlich streift Meloni in den 70 Minuten sämtliche Politikbereiche. Sie spricht darüber, wie sie Italiens Wirtschaft wieder zu Wachstum bringen will, sie versichert der Ukraine ihre Solidarität, betont den Wert der Familie, erklärt, dass sie die Ankunft von Flüchtlingsbooten in Italien verhindern will, beklagt die Vernachlässigung der italienischen Jugend, rattert in schnellem Tempo Zahlen herunter. Meist ist sie ruhig, konzentriert, liest ihren Redetext vom Blatt ab. Nur selten, alle paar Minuten vielleicht, spricht sie mit mehr Nachdruck, lauter und emotionaler.

Alles an Melonis Rede sagt: Meine Regierung will seriöse Arbeit machen. Ihre Regierung werde die vollen fünf Jahre regieren und sie repräsentiere den "wirklichen Willen des Volkes". Viele Wählerinnen und Wähler hätten das Gefühl gehabt, dass ihre Stimme nichts zähle, weil Entscheidungen ohnehin "in exklusiven Zirkeln" getroffen würden. Diese "italienische Anomalie" werde man beenden. Das Volk habe sich ganz bewusst für eine "Mitte-Rechts-Regierung" entschieden und diesen Wunsch solle man respektieren.

Italien sei fest verankert in der westlichen Gemeinschaft und das werde auch in Zukunft so bleiben, betont Meloni. Befürchtungen, das Land könnte einen ähnlichen Weg einschlagen wie Ungarn unter Orbán hält die neue Regierungschefin entgegen, man werde die EU "nicht sabotieren, sondern dabei helfen, sie weiterzuentwickeln, damit sie effektiver wird bei der Bewältigung all der derzeitigen Krisen". Sie werde sich an alle Regeln halten, allerdings Italiens Stimme "innerhalb der europäischen Institutionen" hörbar werden lassen, "so wie es sich für ein Gründungsland der EU gehört".

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Meloni wirbt um Vertrauen und versichert den anderen EU-Staaten ihre Verlässlichkeit, aber sie legt auch klar die eigene Agenda offen. So werde ihre Regierung Vorschläge machen, "um jene Regeln zu ändern, die nicht funktioniert haben", etwa bei der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der die EU-Staaten zur Haushaltsdisziplin anhält. Das Ziel, die Schulden des Landes zu reduzieren, sei nicht erreichbar mit der "blinden Sparpolitik, die in den vergangenen Jahren dem Land auferlegt wurde".

Ungewöhnlich deutlich kritisiert sie die Europäische Zentralbank - nur zwei Tage vor deren erneuter Sitzung in Frankfurt. Die Zinserhöhungen seien eine "unüberlegte Entscheidung", die das Risiko berge, die Kreditvergabe der Banken zu beeinträchtigen Außerdem schade eine straffe Geldpolitik hochverschuldeten Ländern wie Italien besonders. Der einzige Weg, um aus der Krise zu kommen sei "dauerhaftes und strukturelles Wachstum", so Meloni , und diesen Weg drohe die EZB mit ihren Maßnahmen zu versperren.

Ihre Regierung werde eine pragmatische Wirtschaftspolitik ohne "finanzielle Abenteuer" verfolgen. Allerdings drohe im kommenden Jahr eine Rezession. Diese werde die neue Regierung abzumildern versuchen, etwa durch staatliche Hilfen für Familien und Firmen, die unter den hohen Energiepreisen leiden. "Wir sind mitten in einem Sturm, auf einem Schiff, das an mehren Stellen beschädigt ist. Und die Italiener haben uns die Aufgabe übertragen, dieses Schiff in den Hafen zu führen und diese schwierige Überfahrt zu meistern und das Schiff in den Hafen zu führen", sagt Meloni etwas pathetisch.

Zwei Abstimmungen liegen nun noch vor der neuen Ministerpräsidentin. Eine in der Abgeordnetenkammer am Dienstagabend, eine weitere am Mittwoch im Senat, der zweiten Kammer des italienischen Parlaments. Wenn nicht etwas Außergewöhnliches geschieht, und für Außergewöhnliches sind derzeit eher die Briten zuständig, wird Meloni beide Abstimmungen gewinnen.

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