EU-Politik:Italiens Rechte gehen getrennte Wege

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Premierministerin Giorgia Meloni und ihr Stellvertreter Matteo Salvini. Der Minister will die Zusammenarbeit mit anderen EU-Gegnern vertiefen. (Foto: Remo Casilli/Reuters)

Vize-Premier Salvini wütet gegen die EU und lädt gleich gesinnte Extremisten nach Florenz ein - doch Regierungschefin Meloni macht einfach weiter mit ihrem pragmatisch-kooperativen Europakurs. Kann das funktionieren?

Von Marc Beise, Rom

In der Rechtsregierung in Rom tun sich nach einem Jahr Risse auf - beim Thema Europa. Das ist insofern überraschend, als sich noch im Wahlkampf seinerzeit namentlich die rechtspopulistische Lega des Matteo Salvini und die Postfaschisten unter Giorgia Meloni gegenseitig bestärkt hatten, wenn es um Kritik an der EU und deren Haushalts-, Rechts- und Migrationspolitik ging.

Das Diktat von Brüssel müsse ein für alle Mal beendet werden, war eine damals häufig gehörte Forderung, Rom werde in Zukunft hart und kompromisslos auftreten, wie man das von Ungarn und Polen kenne.

Im Vergleich dazu war die dritte heutige Regierungspartei, Forza Italia, geradezu europafreundlich unterwegs. Daran hat sich auch nach dem Tod des Gründers und Spiritus Rector, Silvio Berlusconi, nichts geändert. Sein Nachfolger, Außenminister Antonio Tajani, früher selbst EU-Politiker, steht treu zur Union. Derzeit ist er besonders gefordert, weil sein Koalitionspartner Salvini, Vizepremier und Infrastrukturminister, sich angesichts der bevorstehenden Europawahlen im Juni 2024 gerade in Rage redet.

Salvini sieht in Brüssel einen Hort "freimaurerischer Technokraten"

Kaum noch ein Tag vergeht, an dem Salvini nicht gegen Brüssel hetzt, das er als Hort der Banker und "freimaurerischen Technokraten" brandmarkt, die die "Identität unseres Kontinents" zerstörten. Brüssel müsse aus der Geiselhaft derer befreit werden, die dort immer weitere Steuern beschließen wollten. Salvini orientiert sich im europäischen Parteienspektrum rechts außen, er hofiert Frankreichs Marine Le Pen und den niederländischen Wahlsieger Geert Wilders.

Beide sollten Stargäste des Treffens der im Europaparlament in der Gruppe Identität und Demokratie (ID) zusammengeschlossenen 14 rechtspopulistischen oder gar rechtsextremen Parteien sein, die Salvini unter dem Titel "Freies Europa" für das vergangene Wochenende nach Florenz eingeladen hatte. Ausgerechnet in diese traditionell links regierte Kunststadt in der Toskana. Deren streitbarer Bürgermeister Dario Nadello vom sozialdemokratischen PD ließ sogleich ein Wahrzeichen der Stadt, den berühmten David vor dem Palazzo Vecchio, mit einer Europafahne umwickeln.

Derweil besichtigten die Gäste das berühmteste Museum der Stadt, die Uffizien mit ihrem Schatz an Kunstwerken der Hochrenaissance. Dort posierte Salvini mit Direktor Eike Schmidt vor Sandro Botticellis "Geburt der Venus". Der deutsche Kunsthistoriker, dessen Amtszeit nach acht Jahren noch in diesem Monat ausläuft, spielt ernsthaft mit dem Gedanken, im kommenden Jahr als Bürgermeisterkandidat in Florenz anzutreten; passenderweise ist er gerade eingebürgert worden.

Le Pen und Wilders sind Salvinis Einladung nicht gefolgt

Schmidt hätte nach eigener Aussage kein Problem damit, "Kandidat einer Mitte-rechts-Koalition" zu sein, nur steht Salvini am äußersten rechten Rand einer solchen Formation. Auf Kritik, dass er Salvini unangemessen hofiert habe, schob Schmidt immerhin nach, er sei Demokrat und "Antifaschist" (ein Wort, das die Rechten gerne vermeiden), außerdem liberal und er lasse sich von niemandem vor den Karren spannen.

Aber der Salvini, den er da empfing, hatte auch den bulgarischen Ultranationalisten Kostadin Kostadinov in die Stadt geholt, der die "Bevölkerung mit europäischen Wurzeln" durch Migranten ersetzt sieht. Eingeladen war auch der deutsche AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla, der das europäische Haus mit einer "Mauer" versehen will, "damit die Unerwünschten draußen bleiben".

Le Pen und Wilders allerdings gaben Salvini einen Korb, sie kamen nicht nach Florenz. Was den Lega-Chef nicht daran hindert, weiter am großen Zusammenschluss der Rechtspopulisten zu arbeiten. Es sei ein Fehler, warnte er Mitglieder anderer Parteiengruppen, eine Zusammenarbeit mit der ID von vornherein auszuschließen.

Außenminister Tajani muss mit Salvini in Rom arbeiten - in der EU will er es nicht

Genau das aber tut Außenminister Tajani, der mit Le Pen und der AfD nichts gemein haben will. Seine Forza Italia ist auf EU-Ebene Mitglied der Europäischen Volksparteien (EVP), zu der auch die deutschen Unionsparteien gehören. Er muss nun allerdings das Kunststück vollbringen, Salvini in Brüssel einen Korb zu geben und in Rom weiter mit ihm zu regieren.

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Dabei wiederum hilft ihm derzeit Regierungschefin Giorgia Meloni. Die fällt seit ihrem Amtsantritt dadurch auf, dass sie in Brüssel konstruktiv mitarbeitet und meist gemäßigte Töne anschlägt, etwa in der Finanz- und Migrationspolitik. Ihre Fratelli d'Italia sind in Europa in der Gruppe der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) organisiert, wo sie nach den EU-Wahlen sogar die polnische PiS als stärkste Fraktion ablösen könnte.

Während Salvini in Florenz provozierte, war Meloni in Serbien und machte sich für die Aufnahme dieses Landes in die EU stark. An diesem Mittwoch empfing sie in aller Freundschaft Roberta Metsola, die Präsidentin des Europaparlaments, gegen die Salvini gerade wieder gepoltert hat, wie üblicherweise auch gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen - eine weitere bevorzugte Gesprächspartnerin von Meloni.

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