Palästina-Kongress in Berlin:Ein Tribunal gegen Deutschland

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Bei einer propalästinensischen Demonstration zogen im vergangenen November mehrere tausend Menschen durch Berlin. (Foto: Friedrich Bungert)

Propalästinensische Organisationen wollen am Wochenende in Berlin die deutsche Unterstützung für Israel im Gaza-Krieg anprangern. Die Innenbehörde möchte das verhindern, doch die Veranstalter rechnen mit tausend Teilnehmern.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Das Treffen auf dem Alexanderplatz an diesem Mittwoch wird eine erste Nagelprobe für das kommende Wochenende sein. Für den Nachmittag haben mehrere propalästinensische Organisationen zur Versammlung an der bekannten Weltzeituhr eingeladen; Thema ist die Sperrung eines Spendenkontos durch die Sparkasse Berlin. Denn ohne Geld könnte es eng werden für den Palästina-Kongress, der am Freitag beginnen soll. Und was da zu erwarten ist, darauf wird auch die Zahl der Sympathisanten auf dem Alex einen Hinweis geben.

Unter dem Motto "Wir klagen an" werben die Organisatoren seit Wochen für die dreitägige Veranstaltung in Berlin, die am Sonntag mit einem "Internationalen Aktionstag" enden soll. Unterstützer sind aufgerufen, sich dann weltweit vor deutschen Vertretungen, vor dem Internationalen Strafgerichtshof und den UN-Standorten in New York und Genf zu versammeln. So soll die Klage Nicaraguas gegen die Unterstützung Israels im Gaza-Krieg bekräftigt werden. "Demonstriere gegen die Komplizenschaft Deutschlands beim Genozid in Gaza", heißt es auf der Webseite des Kongresses.

Werden einzelne Teilnehmer ausgeschlossen?

Auch wegen derartiger Diktion ist die Sorge in Berlin groß, welches Signal von diesem Wochenende ausgehen könnte. Die Senatsverwaltung für Inneres prüft seit Wochen, wie es den Kongress verhindern kann. Es solle alles rechtlich Mögliche unternommen werden, um "Straftaten wie etwa Volksverhetzung und das Verwenden verbotener Symbole ebenso zu unterbinden wie die Verbreitung von Hass und Hetze gegen Israel und die jüdische Bevölkerung", erklärte Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe, SPD.

Ein Verbot der kompletten Veranstaltung scheint nicht möglich; die Innenbehörde überlegt nun, ob einzelne Teilnehmer von der Veranstaltung ausgeschlossen werden können. Klar sei jedoch, so eine Sprecherin der Innenbehörde: "Die Mobilisierung für diese Veranstaltung geht vor allem von Gruppierungen aus, die dem israelfeindlichen 'Boykott-Spektrum' zuzurechnen sind."

Neben Gruppierungen wie der "Revolutionären Linken" gehören zu den Veranstaltern tatsächlich auch Organisationen, die der Israel-Boykott-Bewegung BDS klar nahestehen. Dazu zählen unter anderem der "BDS Berlin", das "Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee" oder der Verein "Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost", dessen Konto von der Sparkasse gesperrt wurde. Wieland Hoban, einer der Vorstände der Jüdischen Stimme, rechnet mit etwa tausend Teilnehmern. Sowohl das Programm als auch die Liste der Redner auf dem Kongress wirken ambitioniert.

Auch der griechische Ex-Minister Varoufakis soll auftreten

Bereits am Freitag soll Yanis Varoufakis seine Einschätzung geben zu der Frage "Warum müssen wir über Palästina reden?" Varoufakis hat sich während der griechischen Schuldenkrise als Finanzminister einen Namen gemacht. Später engagierte er sich in verschiedenen Linksbündnissen, zuletzt half er, die Partei "Mera25" zu gründen. In den vergangenen Monaten hat Varoufakis Israels Politik immer wieder kritisiert und ihr Apartheid im Umgang mit den Palästinensern vorgeworfen.

Ein anderer, in der israelkritischen Community prominenter Redner auf dem Kongress ist der Autor Salman Abu Sitta. Sitta bezeichnete Gaza als "Konzentrationslager" und bestritt die Gräueltaten der Hamas am 7. Oktober. Er soll die Auftaktveranstaltung am Freitag zum Thema "Über 76 Jahre Kolonialisierung Palästinas: Wie ist die Situation vor Ort?" bestreiten. Als Höhepunkt des Kongresses ist ein Plenum am Sonntag vorgesehen, das die Veranstalter als "Tribunal" bezeichnen: "Ist Deutschland mitschuldig an einem Genozid in Gaza?"

In welcher Form der Kongress nun stattfinden wird, ist jedoch offen. Den Ort des Treffens wollen die Organisatoren jedenfalls erst am Freitag zwei Stunden vor Beginn bekannt geben. Zugleich soll es einen Livestream der Veranstaltung geben. Dass es ein reiner Internetkongress werden könnte, schließt Mitorganisator Wieland Hoban aus: "Es wird nicht nur beim Livestream bleiben."

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