Deutsch-israelisches Verhältnis:Schwierige Freundschaft

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Außenministerin Annalena Baerbock empfängt mit ihrem Amtskollegen Eli Cohen den ersten Vertreter der neuen rechtsreligiösen Regierung Israels. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat Israels Pläne für eine Justizreform und die Einführung der Todesstrafe kritisiert. Ihr Amtskollege Eli Cohen ist davon wenig beeindruckt. Ihn treibt ein ganz anderes Thema um.

Von Daniel Brössler, Berlin

Die Außenministerin kann es nun nicht länger hinauszögern. Soeben hat Annalena Baerbock ihren neuen israelischen Kollegen Eli Cohen empfangen. Nun steht sie mit ihm vor der Presse und muss Farbe bekennen. "Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson", heißt es im Koalitionsvertrag der Ampel. Ein Rezept aber, wie mit einer nationalreligiösen Regierung in Jerusalem umzugehen ist, die sich an der Rechtsstaatlichkeit des Landes zu vergehen droht, ist dort nicht zu finden - zumal im Umgang mit Israel Sensibilität geboten ist. Baerbock will daher erst erst einmal keine Missverständnisse aufkommen lassen. "Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind eng und sie sind einzigartig, weil sie untrennbar verbunden sind mit dem einzigartigen Menschheitsverbrechen der Shoah", betont sie. Und: "Uns verbinden heute unsere gemeinsamen Werte."

Sie habe sich gerade "aus tiefer Verbundenheit und Freundschaft nach dem Stand der politischen Diskussionen innerhalb Israels erkundigt", sagt Baerbock schließlich. Sie wolle "nicht verhehlen, dass wir uns im Ausland Sorgen machen über einige gesetzgeberische Vorhaben in Israel". So kommt die Grünen-Politikern auf die Justizreform zu sprechen, die es etwa ermöglichen soll, mit einfacher parlamentarischer Mehrheit Entscheidungen des höchsten Gerichts aufzuheben.

"Zu den Werten, die uns verbinden, gehört der Schutz rechtsstaatlicher Prinzipien wie die Unabhängigkeit der Justiz", betont Baerbock. "Das", sagt sie, "war immer ein Aushängeschild Israels." Mit besonderer Sorge sehe man Pläne, die Todesstrafe einzuführen. In Deutschland lerne man "in der Schule, dass Israel, obwohl es wie kein anderes Land von Terror bedroht ist, die Todesstrafe nur einmal in seiner Geschichte vollstreckt hat, gegen Adolf Eichmann". Als "Freundin" wolle sie zu den Plänen sagen: "Ich bin überzeugt, dass es ein großer Fehler wäre."

Cohen fordert eine härtere Gangart gegenüber Teheran

Auch den Eindruck, dass die Bundesregierung noch keine einheitliche Haltung zur neuen Regierung in Jerusalem gefunden habe, will Baerbock an der Seite ihres Gastes zerstreuen. Als erstes Mitglied der Bundesregierung hatte ausgerechnet Justizminister Marco Buschmann (FDP) nach dem Regierungswechsel in Jerusalem Israel besucht. Das hatte für Irritationen gesorgt. Buschmann habe in Israel die Bedeutung einer unabhängigen Justiz betont, versichert Baerbock nun. Die gesamte Bundesregierung sei "fest davon überzeugt, dass eine starke Demokratie eine unabhängige Justiz braucht, die auch Mehrheitsentscheidungen überprüfen kann".

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Der Gast aus Israel zeigt sich davon eher unbeeindruckt. Israel sei eine lebendige Demokratie, versichert Cohen. Er sei überzeugt: "Am Ende des Tages wird unser Justizreform die israelische Demokratie stärken." Auch in anderen Fragen kommen Baerbock und Cohen nicht zusammen. Zwar betonen beide, dass Iran nicht in den Besitz von Atomwaffen gelangen dürfe. Während Baerbock aber beim Ziel einer Wiederbelebung des Atomabkommens bleibt, fordert Cohen eine härtere Gangart gegenüber der Führung in Teheran. "Dies ist die Zeit zu handeln, um zu verhindern, dass der Iran Atomwaffen erlangt", fordert er. Sanktionen müssten verschärft, die Revolutionsgarden als Terrororganisation eingestuft werden.

Baerbock wiederum verurteilt sowohl die jüngsten Terroranschläge gegen Israelis aus auch Ausschreitungen von Siedlern gegen Palästinenser. Vor dem Hintergrund der eskalierenden Gewalt stellt sie noch einmal klar, dass die von der israelischen Regierung praktisch verworfene Zweistaaten-Lösung für den Konflikt mit den Palästinensern aus deutscher Sicht das "größte Maß an Sicherheit bieten könnte". Der völkerrechtswidrige Siedlungsbau versperre diesen Weg. Lobend äußert sie sich darüber, dass Israel und die Palästinenser kürzlich bei einem Treffen in Akaba unter Vermittlung der USA, Jordaniens und Ägyptens vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart haben. Berichtet worden war danach über ein Einfrieren des Siedlungsbaus. Cohen allerdings stellt in Berlin klar: "Wir werden den Bau von Siedlungen fortsetzen."

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