US-Wahlen:Viel Einfluss und ein klares Ziel

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Über US-Präsident Joe Biden verbreitet Aipac während des Wahlkampfs, seine Israel-Politik sei gefährlich. (Foto: Alex Brandon/DPA)

Der Lobbyverband Aipac vertritt in Washington Israels Interessen. In den Wahlkampf investiert er 100 Millionen Dollar - und verkündet, die Rafah-Offensive sei richtig. Kritiker sagen, Aipac stehe vor allem Netanjahu nahe.

Von Peter Burghardt und Léonardo Kahn, Washington/München

Wer mag, der kann derzeit über den wichtigsten proisraelischen Lobbyverband der USA mit seinem jeweiligen Abgeordneten in Kontakt treten. "Sagen Sie dem Kongress: Widersetzen Sie sich der Verzögerung kritischer Waffentransfers nach Israel", heißt es da auf der Homepage des American Israel Public Affairs Committee, kurz Aipac. "Stand with Israel", steht darüber. Amerika müsse weiterhin fest zu seinem Verbündeten stehen, der sich bemühe, die Hamas zu besiegen und seine Bürger zu verteidigen.

"Gefährlich", nennt Aipac die Entscheidung von US-Präsident Joe Biden, angesichts der Offensive in Rafah amerikanische Rüstungslieferungen zurückzuhalten. Während an Colleges und Unis für einen Waffenstillstand in Gaza demonstriert wird, versucht diese Vereinigung, Mandatsträger davon zu überzeugen, dass weitere Militäraktionen sein müssen. Der Aufruf richtet sich an einflussreiche Kritiker, derzeit besonders beim linken Teil von Bidens Demokraten.

100 Millionen Dollar will Aipac in den US-Wahlkampf stecken, wie Anfang des Jahres angekündigt wurde. Es ist der mächtigste Verband, der in Washington die Interessen eines anderen Landes vertritt. Dieses American Israel Public Affairs Committee fühlt sich anders als beispielsweise die Waffen-Vertretung National Rifle Association nicht vor allem Republikanern verbunden - "wir sind mehr als drei Millionen israelfreundliche Amerikaner aus allen Kongressbezirken, die daran arbeiten, die überparteiliche Unterstützung für die Beziehungen zwischen den USA und Israel zu stärken", wirbt Aipac für sich selbst, unterlegt mit Fotos führender Politiker aus beiden großen Parteien.

Kandidaten für das Parlament werden gesponsert - jene, die auf Linie liegen

Das Geld verteilt Aipac bevorzugt über die ihr verbundene Aktionsgruppe United Democracy Project (UDP) entweder in Werbung für Abgeordnete und Senatoren, wenn diese etwa für Waffenlieferungen nach Israel oder Wirtschaftssanktionen gegen Iran stimmen. Oder, in nicht sehr vorteilhaften Kampagnen, gegen Politiker, die etwa die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland kritisieren oder ein Waffenembargo fordern. Außerdem finanziert die Gruppe Reisen ihrer Sympathisanten, Israel ist häufig Reiseziel von Kongressabgeordneten.

Mit der Arbeit für überparteiliche Unterstützung der Beziehungen zwischen den USA und Israel wirbt Aipac für sich, hier die Bühne einer Konferenz 2020. (Foto: Alex Brandon/AP)

Im November wird außer dem Präsidenten ja auch ein Teil der Mitglieder von Repräsentantenhaus und Senat gewählt. Da können teure Spots für diese oder jene Aspiranten schon bei den Vorwahlen den Unterschied machen. Ein Showdown findet an diesem Dienstag im Bundesstaat Maryland statt: Dort geht es weniger darum, wie Joe Biden und Donald Trump abschneiden, beide haben längst genügend Delegierte beisammen. Spannender ist die Frage, ob sich bei diesen Primaries ein Mann durchsetzen kann, dessen Gegnerin maßgeblich von den Israel-Lobbyisten beworben wird.

Der Demokrat Harry Dunn stemmte sich als Kapitol-Polizist am 6. Januar 2021 gegen Trump-Fans, die den Kuppelbau stürmen wollten. "Schützt unsere Demokratie", ist sein Motto, er fand auch finanziell reichlich Beistand. Das United Democracy Project aus der Umgebung des American Israel Public Affairs Committee indes soll mehr als vier Millionen Dollar in seine demokratische Rivalin Sarah Elfreth investiert haben, was diese offenbar selbst überrascht. Offenbar ging es bei dem Manöver darum, einen anderen Israel-kritischen Kandidaten möglichst kleinzuhalten.

Aipac unterstützt seine Konkurrentin in Maryland mit vier Millionen Dollar: Ex-Polizist Harry Dunn will für die Demokraten ins Repräsentantenhaus. (Foto: Alex Wong/Getty/AFP)

In anderen Gegenden wie einem Wahlkreis in Kalifornien scheint es ähnlich zuzugehen. Finanziert wird Amerikas Israel-Komitee durch Spenden und ist deshalb als Non-Profit-Organisation eingetragen - nach dem Foreign Agents Registration Act muss sich Aipac nicht registrieren lassen, weil sich die israelische Regierung nicht an der Finanzierung beteiligt. Seine Aktivitäten müssen nicht genehmigt und dokumentiert werden.

Einige Mäzene unterstützen auch illegale Siedlungsprojekte

Zu den Spendern gehören einige der reichsten Männer Amerikas. Whatsapp-Gründer Jan Koum spendete im September und Oktober fünf Millionen Dollar, der Investment-Manager Jonathon Jacobson aus Boston im selben Zeitraum 2,5 Millionen Dollar, der Banker David Zalik zwei Millionen. Auch die den Republikanern zugewandten Paul Singer und Bernie Marcus spendierten jeweils mehr als eine Million Dollar. Einige Mäzene wie Koum haben auch illegale Siedlungsprojekte im Westjordanland unterstützt.

Als die Gruppe 1953 unter dem Namen American Zionist Committee for Public Affairs gegründet wurde, mischte sie sich kaum in die Regierungspolitik ein. Die amerikanisch-israelische Beziehung war damals schwach, auch stand der junge jüdische Staat in engem Austausch mit der Sowjetunion. Die USA waren zwar das erste Land, das die Unabhängigkeit Israels anerkannte, doch die finanzielle Hilfe begrenzte sich zunächst auf Darlehen für Bauprojekte in Höhe von weniger als einer Milliarde Dollar jährlich.

Erst in den Siebzigerjahren wurde die Beziehung stärker. Im Jom-Kippur-Krieg von 1973 überfielen Ägypten und Syrien mit Unterstützung der UdSSR Israel. Die USA lieferten Israel Waffen, die israelische Armee konnte die feindlichen Streitkräfte bis hinter die Sinai-Halbinsel und die Golanhöhen drängen. Diese amerikanisch-israelische Freundschaft vertiefte sich 1978 mit dem Friedensabkommen von Camp David zwischen Ägypten und Israel, so wuchs der Einfluss von Aipac auf die amerikanische Politik.

Bis in die Achtzigerjahre vertraten die Lobbyisten die Regierungslinie Israels, im Zuge israelisch-palästinensischer Beziehungen näherte sich das American Israel Public Affairs Committee allerdings später der rechtskonservativen Likud-Partei an. Bereits während des Osloer Friedensprozesses warf Premier Jitzchak Rabin dem Verband vor, die amerikanisch-israelischen Beziehungen zu belasten.

Jetzt herrscht wieder Krieg, da hat sich die Lage erst recht verschärft. "Das Problem ist, dass die Organisation im Laufe der Jahre begonnen hat, gegen ihr eigenes erklärtes Ziel zu arbeiten, indem sie zum langen Arm von Benjamin Netanjahu in der amerikanischen Politik wurde", schrieb dann im August 2023 die Zeitung Haaretz aus Tel Aviv. Aipac sei zur "Pro-Netanjahu- und Anti-Israel-Lobby" geworden, "zu einem operativen Flügel von Netanjahus rechtsextremer Regierung, der in den Vereinigten Staaten mit einem falschen Bild eines liberalen Israels hausieren geht und den Mitgliedern des Kongresses Illusionen verkauft."

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