Innere Sicherheit:"Verschärfte Bedrohungslage"

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Alle sind besorgt um die innere Sicherheit: SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser (2. v. li.) bei der Konferenz ihrer Länderkollegen in Berlin. (Foto: Christophe Gateau/DPA)

Auf ihrer Herbsttagung warnen die Innenminister vor Terrorrisiken und wachsendem Antisemitismus. Behörden zählen mehr als 4300 Straftaten in Deutschland seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel.

Von Markus Balser, Constanze von Bullion und Christoph Koopmann, Berlin

Als sich die 16 Landesministerinnen und -minister am Donnerstag in Berlin zu ihrer halbjährlichen Innenministerkonferenz trafen, standen mehr als 80 Punkte auf der Tagesordnung. Eines aber dominierte fast jedes Gespräch auf den Fluren eines Hotels am Rande der Hauptstadt: die Sicherheitslage nach den Terrorattacken der Hamas auf Israel.

Und um die sind die Minister derzeit so besorgt wie lange nicht. "Wir haben eine verschärfte Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei einem Besuch des Ländertreffens. Sicherheitsbehörden beobachteten unter Islamisten in Deutschland derzeit verstärkt Aufrufe zu Attentaten. Die Gefahr einer weiteren Radikalisierung von Attentätern sei hoch.

4300 Straftaten im Kontext des Nahostkonflikts seit 7. Oktober

Darauf deuten auch immer mehr Straftaten hin, die in Deutschland im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt registriert werden. Laut Faeser stellten Behörden seit dem 7. Oktober gut 4300 fest, davon fast 500 Gewalttaten. Um gegen eine weitere Radikalisierung im Netz vorzugehen, ließ das Bundeskriminalamt in den vergangenen Wochen 200 Telegram-Kanäle sperren. In 1500 Fällen forderten Strafverfolger die Löschung von Inhalten im Netz. Meist geht es um antisemitischen Hass und Hetze. Innenminister warnten vor den Folgen. Es sei bedrückend, dass das aufstrebende jüdische Leben in Deutschland drohe, aus Angst wieder unsichtbar zu werden, sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD).

Wie die Behörden mehr Sicherheit schaffen können, darum gibt es Diskussionen. So fordern unionsregierte Länder ein Nachschärfen beim Staatsangehörigkeitsrecht. Nach Angriffen auf jüdische Gemeinden und israelfeindlichen Demonstrationen schließt die aktuelle Reform der Regierung zwar bereits Einbürgerungen aus, wenn Bewerberinnen und Bewerber sich zuvor antisemitisch oder rassistisch geäußert haben. Den Innenministern unionsgeführter Länder aber reicht das nicht. Wer deutscher Staatsbürger werden will, soll sich auch proaktiv zum Existenzrecht Israels bekennen.

Aus SPD-Ländern wie Niedersachsen wurde vor der Konferenz, die bis zu diesem Freitag dauert, ebenfalls Zustimmung signalisiert. Innenministerin Daniela Behrens (SPD) wollte prüfen lassen, ob die Liste der Versagensgründe für die Einbürgerung noch verlängert werden sollte. Bundesinnenministerin Faeser hatte ebenfalls Kompromissbereitschaft signalisiert.

Die Innenminister denken über schärfere Strafen nach

Umstrittener ist der Vorschlag, die deutsche Staatsbürgerschaft rückwirkend abzuerkennen. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) will "alle erforderlichen rechtlichen Möglichkeiten" prüfen lassen, Menschen mit mehreren Staatsangehörigkeiten die deutsche Staatsbürgerschaft wieder zu entziehen, wenn jemand wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder wegen einer anderen "schweren staatsgefährdenden Straftat" rechtskräftig verurteilt wurde. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) fordert schweren Landfriedensbruch, etwa bei propalästinensischen Demonstrationen, mit Ausweisungen zu sanktionieren. Hessen wollte dies vor der IMK zunächst nur prüfen lassen.

Kann "Sympathiewerbung" für Terrorvereinigungen künftig bestraft werden? In Berlin-Neukölln hatte es Jubel über die Verbrechen der Hamas gegeben. (Foto: Paul Zinken/DPA)

Die Innenminister beschäftigen sich auch mit Strafrechtsverschärfungen infolge des Nahostkriegs. Bayern etwa fordert, "Sympathiewerbung" für terroristische Vereinigungen unter Strafe zu stellen. Das war sie schon mal, aber 2002 änderte die damalige rot-grüne Bundesregierung den entsprechenden Paragrafen, seitdem ist nur das "Werben um Mitglieder und Unterstützer" strafbar. Die Initiative zielt darauf ab, Jubelszenen über Terror wie in Berlin-Neukölln nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober künftig strikter sanktionieren zu können. Zudem wollten die Innenminister der Länder Faeser auffordern, nach den Betätigungs- und Vereinsverboten gegen die Hamas und deren Unterstützerverein Samidoun weitere Verbote voranzutreiben, vor allem gegen das Islamische Zentrum Hamburg, das als Außenposten des iranischen Regimes gilt.

Die Länder machen Druck, damit der Kampf gegen sexualisierte Gewalt vorangeht

Mehrere Länder fordern zudem, an den stationären Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz auf längere Sicht festzuhalten. Faeser hatte diese vorerst nur bis zum 15. Dezember verlängert. Zudem soll der Vorschlag diskutiert werden, verstärkt direkt an Flughäfen Abschiebezentren einzurichten. Von Januar bis Ende November haben 304 581 Ausländer erstmalig einen Asylantrag in Deutschland gestellt, 60 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Das geht aus Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurden.

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Aber auch andere Themen spielen in Berlin eine Rolle. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) warnte wegen drohender Kürzungen im Bundeshaushalt vor katastrophalen Folgen für den Digitalfunk der Sicherheitsbehörden. Das Netz mit fast 1,2 Millionen Teilnehmern wird von Feuerwehr, Polizei, Rettungsdiensten und Katastrophenhelfern bei Einsätzen genutzt - und ist schwer störanfällig, wie sich bei der Überflutung im Ahrtal gezeigt hat. Die Funktionssicherheit des Digitalfunks BOS sei "massiv gefährdet", sagte Reul. 130 Millionen Euro fehlten schon jetzt für das Funknetz, das hat Reul auch Faeser geschrieben. Erhört wurde er nicht.

Kritik muss Faeser sich auch zum Thema Bekämpfung sexualisierter Gewalt anhören. Kurz nach Amtsantritt hatte sie angekündigt, IP-Adressen zeitweilig speichern zu lassen, um Konsumenten und Anbieter von Kinderpornografie im Netz identifizieren zu können. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnt die Datenspeicherung ab, seit mehr als einem Jahr geht hier nichts voran. In SPD-Ländern wie Niedersachsen, aber auch in der Union, wächst nun der Druck, zu handeln.

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