Narendra Modi ist ein Meister darin, simple Botschaften eindrücklich zu übermitteln. So lässt sich das Wahlversprechen seiner regierenden Bharatiya-Janata-Partei (BJP) für weitere fünf Jahre an der Macht mit vier Buchstaben zusammenfassen: Modi. In der Langversion liest sich das so: "Modi ki Guarantee" - "Modi ist die Garantie" steht derzeit überall in Indien auf Plakaten, Flyern und Bildboards zu lesen, auf safranfarbenem Hintergrund mit Modi-Konterfei dazu. Das ist noch einen Hauch selbstbewusster als der Slogan der deutschen Dauerkanzlerin Angela Merkel, die 2013 mit dem Satz "Sie kennen mich" für sich warb. Und gewann.
Vom 19. April an sind etwa 990 Millionen registrierte Wählerinnen und Wähler in Indien dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Bis zum 4. Juni wird die Wahl dauern, die als größter demokratischer Vorgang der Welt bezeichnet werden kann. Auch wenn die Demokratie in Indien seit der Regentschaft von Modi und seiner BJP zugunsten immer besserer Wahlergebnisse auch demoliert wurde.
Der wirtschaftliche Erfolg geht auf Kosten der Armen
Die Wirtschaft boomt, die Infrastruktur wird besser - und die Gesellschaft polarisiert sich immer stärker, wie in so vielen Ländern der Welt. In Indien zeigt sich das im Hindu-Nationalismus - zulasten von Minderheiten und der Rede- und Pressefreiheit. Modi selbst gibt nur noch sehr selten Interviews, kritischen Fragen mag er sich nicht mal mehr im Parlament stellen.
Im vergangenen Dezember ließ die BJP-Regierung 141 Oppositionelle aus dem Parlament werfen, die kritische Fragen zu einer Rauchbombenattacke in dem Gebäude stellten. "Sie werden auch nach den Wahlen 2024 in der Opposition bleiben, allerdings mit weit reduzierterer Zahl", prognostizierte Modi da bereits.
Vor fünf Jahren gewannen die BJP und ihr Bündnis, die Nationale Demokratische Allianz, mehr als 350 Sitze. Die jüngsten Umfragen prognostizieren, dass Modis Bündnis diesmal 399 der 543 Sitze im Unterhaus gewinnen könnte, seine BJP allein 342 davon. Die Mehrheit liegt bei 272 Sitzen, und Modis erklärtes Ziel ist es, mehr als 400 Sitze zu gewinnen. Der mittlerweile 73-Jährige könnte den Staat dann nachhaltig und ohne große Behinderung durch die Opposition umbauen. In seiner dritten Amtszeit dürfte er sich primär seinem Vermächtnis widmen.
Dazu gehört die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, die Indien seit seiner Machtübernahme im Jahr 2014 auf Rang fünf der weltweit führenden Wirtschaftsnationen gebracht hat. Auch wenn sich dabei, wie überall auf der Welt, die Schere zwischen Armen und Reichen weiter geöffnet hat. Laut einer Studie aus dem Januar dieses Jahres besitzt ein Prozent der Inder mehr als 40 Prozent des Wohlstands im Land. Auch das ein Effekt von zehn Jahren BJP-Regierung. Nur kann die Opposition aus diesem Umstand, der immerhin 99 Prozent der Bevölkerung betrifft, kein Kapital schlagen.
Indien:Eine Million Wahlkabinen für 986,8 Millionen Menschen
Die größte Demokratie weltweit stimmt über ein neues Parlament ab - und selbst im hintersten Winkel des Himalajas soll eine von 5,5 Millionen elektronische Wahlmaschinen stehen. Zahlen und Daten zu den Wahlen in Indien.
Premier Modi gilt als bescheiden und nicht korrumpierbar
Laut Prognosen könnte die altehrwürdige Kongresspartei von 52 gewonnenen Sitzen im Jahr 2019 auf 38 fallen - ein Rekordtief. Zusammen mit ihren Partnern, die sich hinter ihrem Spitzenkandidaten Rahul Gandhi im sogenannten "I.N.D.I.A."-Bündnis zusammengetan haben, würde die Partei demnach nur 94 Sitze erreichen.
Es wäre eine marginalisierte Opposition. Die Kongresspartei wurde in den vergangenen Monaten unter anderem durch eine Steueruntersuchung und eine Sperrung der Parteikonten am Wahlkampf gehindert. Viele ihrer Anführer sind in Korruptionsskandale verwickelt, was in Indien allerdings keine Seltenheit ist und sich nicht auf die Opposition beschränkt. Auch bei der BJP gibt es solche Fälle. Nur schaden sie der Regierungspartei weniger, zumal Narendra Modi selbst nie davon betroffen war.
Er gilt als bescheiden und nicht korrumpierbar, auch wenn die beiden reichsten Inder, Gautam Adani und Mukesh Ambani, zu seinen engen Beratern gehören. Adani hat im vergangenen Jahr sogar NDTV gekauft, bis dahin eines der letzten kritischen Medienportale, das anschließend auf Regierungslinie gebracht wurde. Die Wirtschaft steht hinter Modi und der BJP. Momentan wirkt es so - auch das ist im indischen Wahlkampf nicht unüblich -, als würde Modi alles richtig machen und als würden die Wähler lieber auf den Sieger setzen. Die Opposition wirkt hilflos.
Die Opposition kritisiert eine Tempeleröffnung als Wahlkampfshow
Als Modi im Januar den Tempel von Ayodhya eröffnete - der noch gar nicht richtig fertiggestellt war - ging es vorrangig darum, ein altes BJP-Wahlversprechen einzulösen. Ein hinduistischer Mob hatte an dieser Stelle 1992 eine Moschee aus dem 16. Jahrhundert niedergerissen. Modi legte sich vor der Eröffnung angeblich tagelang auf dem Boden des hinduistischen Tempels zum Schlafen und trank Kokoswasser.
Die Opposition sprach von einer Wahlkampfshow und blieb der Eröffnung demonstrativ fern. Andere Politiker, Geschäftsleute, Sport- und Medienstars aber erschienen in großer Zahl. Tausende tanzten in safranfarbenen Kleidern auf den Straßen. Die BJP bezichtigte die Opposition, keine wahren Hindus zu sein, und Rahul Gandhi und seine Mitstreiter sahen wie schlechte Verlierer aus.
Über das Versprechen der Person Modi hinaus besteht das BJP-Wahlprogramm vorwiegend daraus, die Wirtschaft weiter anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen. Die indische Bevölkerung, die seit vergangenem Jahr als die größte der Welt gilt, ist in weiten Teilen immer noch arm. Die Angst vor Arbeitslosigkeit, Inflation, vor Armut und Bildungsmangel ist vor allem in den ländlichen Regionen groß.
Neben der wachsenden Zahl der Superreichen muss in der Breite der Gesellschaft Wohlstand geschaffen werden, das geht nur über gute Jobs. Die Arbeitslosenquote stieg von 4,9 Prozent im Jahr 2013, kurz bevor Modi an die Macht kam, auf 5,4 Prozent im Jahr 2022/23, immerhin wächst auch die Bevölkerung stetig weiter.
Ein Hauptziel der Regierungspartei: mehr Arbeitsplätze für Jugendliche
Fast 16 Prozent der Jugendlichen in den Städten in der Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen blieben aufgrund mangelnder Qualifikationen und fehlender hochwertiger Arbeitsplätze erwerbslos.
"Unser Schwerpunkt wird auf der Schaffung von Arbeitsplätzen durch Investitionen liegen", sagte Modi bei der Veröffentlichung des "Modi ki Guarantee"-Wahlprogramms am vergangenen Sonntag in der BJP-Parteizentrale in Delhi. Die Regierung wolle sich auf die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Bereichen Infrastruktur, Luftfahrt, Eisenbahn, Elektromobilität, grüne Energie, Halbleiter und Pharmazeutika konzentrieren. "Indiens Jugend wird sich nicht einmal vorstellen können, wie viele Möglichkeiten sich ihr bieten", sagte Modi vor jubelnden BJP-Mitgliedern.
Wirtschaftsexperten der indischen Citigroup kritisierten am Montag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, die BJP habe in ihrem Wahlprogramm jeden Hinweis auf strukturelle Wirtschaftsreformen wie Änderungen des Arbeits- und Bodenrechts ausgelassen. "Es könnte eine kleine Enttäuschung sein", sagten die Citigroup-Ökonomen Samiran Chakraborty und Babar Zaidi, "dass die 'großen' strukturellen (aber umstrittenen) Reformen" in diesen Bereichen keine Erwähnung fanden. Auch wenn man das Bestreben, Indien zu einer Macht in der globalen Wirtschaft zu machen, klar ablesen könne.