Umfrage an Hochschulen:Acht Prozent der Studierenden sind antisemitisch eingestellt

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Studenten im Audimax der Ludwig-Maximilians-Universität (Foto: Peter Kneffel/DPA)

Das geht aus einer Befragung der Universität Konstanz hervor. Auch wenn der Anteil niedriger ist als in der Allgemeinbevölkerung, hält Bildungsministerin Stark-Watzinger die Zahlen für "besorgniserregend".

Von Kathrin Müller-Lancé

Viel wurde in den vergangenen Wochen über die Auswirkungen des Kriegs in Nahost an deutschen Unis und Hochschulen diskutiert. Eine neue Studie liefert nun Zahlen zur Debatte: Die überwiegende Mehrheit der deutschen Studierenden, 71 Prozent, sehen den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober des vergangenen Jahres als einen "verabscheuenswürdigen Akt" an. Aber mehr als die Hälfte der Studierenden, 58 Prozent, stehen der militärischen Reaktion Israels kritisch gegenüber. Die Befragung zeigt außerdem: Antisemitische Einstellungen sind unter Studierenden nicht weiter verbreitet als in der Allgemeinbevölkerung.

Dennoch seien die Ergebnisse der Studie "keineswegs so, dass wir zur Tagesordnung übergehen können", sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), die die Befragung in Auftrag gegeben hat, bei der Vorstellung am Donnerstag in Berlin. Die Häufigkeit, in der jüdische Studierende Antisemitismus wahrnähmen, sei "besorgniserregend".

Seit dem Angriff der Hamas hat sich die Stimmung an vielen Hochschulen aufgeheizt. Im Januar wurde ein jüdischer Student der Freien Universität (FU) Berlin vor einer Bar brutal zusammengeschlagen, die Universität verhängte gegen den Täter, ebenfalls FU-Student, ein dreimonatiges Hausverbot. Die Jüdische Studierendenunion (JSUD) beklagt, viele jüdische Studierende mieden aus Angst vor Antisemitismus bewusst Veranstaltungen auf dem Campus.

Israelbezogener Antisemitismus? Genauso verbreitet wie bei der Gesamtbevölkerung

Für die Studie befragten Forschende der Universität Konstanz im vergangenen Dezember etwa 2300 Studierende aus allen Bundesländern. Die Studie unterscheidet zwischen allgemeinem Antisemitismus, der sich zum Beispiel in Aussagen wie "Juden haben zu viel Einfluss in der Welt" zeigt, und israelbezogenem Antisemitismus, der Judenfeindlichkeit mit Kritik am Staat Israel verknüpft, etwa in Aussagen wie: "Was Israel mit den Palästinensern macht, ist nicht anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben."

Acht Prozent der Studierenden stimmen der Befragung zufolge allgemein antisemitischen Aussagen zu, bei einer Vergleichsbefragung in der Allgemeinbevölkerung ist der Anteil wesentlich höher, er liegt bei 18 Prozent. Aussagen, die israelbezogenen Antisemitismus enthalten, stimmen sowohl unter Studierenden als auch in der Allgemeinbevölkerung etwa acht Prozent zu.

Die Daten zeigen außerdem, dass sich antisemitische Einstellungen je nach Religion, Herkunft und politischer Einstellung unterscheiden. Studierende muslimischen Glaubens sind der Befragung zufolge häufiger durch juden- und israelfeindliche Haltungen geprägt als konfessionslose oder christliche Studierende. Studierende, die in Ländern in der Nähe des Konflikts geboren sind, stimmen antisemitischen Aussagen häufiger zu als Studierende aus Deutschland oder dem Rest der Welt. Studierende, die sich im politischen Spektrum rechts verordnen, weisen eher antisemitische Einstellungen auf als Studierende, die sich dem linken Spektrum zuordnen.

Man müsse an dem Thema dranbleiben, um die richtigen Maßnahmen für Hochschulen abzuleiten, sagte Stark-Watzinger am Donnerstag. Darauf, welche genau das sein könnten, legte sie sich nicht fest.

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