Helmut Kohl:"Glücksfall für Europa"

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Norbert Lammert würdigt im Bundestag den gestorbenen Altkanzler Helmut Kohl - er spricht dabei aber auch die Parteispendenaffäre und andere Schattenseiten an. Für Kohls Witwe hat der Bundestagspräsident einen kleinen Seitenhieb parat.

Von Robert Roßmann, Berlin

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat am Donnerstag die historischen Verdienste des gestorbenen Altkanzlers Helmut Kohl gewürdigt. In einer kurzen Rede im Parlament sagte er, Kohl sei "ein Glücksfall für Deutschland und für Europa" gewesen. Er habe nicht allein die deutsche Einheit bewirkt, sie sei ohne ihn aber schwer vorstellbar. Kohl habe 1989 die Initiative ergriffen und der friedlichen Revolution ihre politische Richtung gegeben. Dies sei eine "Sternstunde unserer Parlamentsgeschichte" gewesen. Kohl habe die Hoffnung auf eine friedliche Einheit in einem freien, friedlichen Europa nie aufgegeben. Diese sei schließlich Realität geworden. Dass Kohl eine "personifizierte vertrauensbildende Maßnahme der Weltpolitik" gewesen sei, habe dabei geholfen.

Auch Kohls "außergewöhnliche" Sturheit kommt zur Sprache

Lammert sprach in seiner gut 20-minütigen Rede aber auch Schattenseiten des Altkanzlers an. "Kohls Weg säumten nicht zuletzt Verletzungen - die er selbst erlitt und die er anderen zufügte", sagte der Bundestagspräsident. Er erinnerte auch an die Spendenaffäre. Dass Kohls Abschied nach dem Verlust der Regierungsverantwortung so wurde, wie es die Umstände der Verschleierung von Parteispenden am Ende erzwangen, habe auch "mit der außergewöhnlichen, bisweilen auch außergewöhnlich sturen Persönlichkeit Kohls" zu tun gehabt.

Lammert ging indirekt auch auf die Probleme ein, die Kohls Witwe bei der Organisation der Trauerfeiern macht. Lammert sagte, es verstehe "sich beinahe von selbst, dass Art und Ort der Würdigung einer herausragenden politischen Lebensleistung in und für Deutschland bei allem Respekt nicht nur eine Familienangelegenheit sind". Maike Kohl-Richter lehnt einen Staatsakt in Deutschland ab, auch weil dabei die von ihr nicht sonderlich gelittenen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier eine große Rolle spielen würden. Es wird jetzt am 1. Juli im Europaparlament in Straßburg einen europäischen Trauerakt für Kohl geben.

Im Bundestag gab es keine Trauerfeier, Lammert hatte lediglich zu Beginn der regulären Sitzung das Wort ergriffen. Nach seiner Rede standen die Abgeordneten für eine Schweigeminute auf. Die Unionsfraktion war bei Lammerts Rede weitgehend anwesend. In den Reihen von SPD und Grünen blieben viele Plätze frei, bei den Linken fehlten sogar drei Viertel der Abgeordneten. Am Dienstagmorgen soll es in der Berliner Hedwigskathedrale noch einen Gedenkgottesdienst für Helmut Kohl geben.

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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