Energiepolitik:Koalition streitet über Zeitplan für Heizungsgesetz

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Wärmepumpen - hier die Lüftungsanlage einer solchen Pumpe vor einem Wohnhaus - spielen in der Diskussion über den Heizungsaustausch eine Rolle. (Foto: Silas Stein/dpa)

SPD und FDP fordern deutliche Nachbesserungen an Robert Habecks Plänen. Die Liberalen halten es für unrealistisch, die Reform noch vor der Sommerpause zu verabschieden.

Von Boris Herrmann, Claus Hulverscheidt und Georg Ismar, Berlin

Nach der Entlassung seines Staatssekretärs Patrick Graichen droht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) neues Ungemach bei seinem Schlüsselprojekt, dem Heizungsgesetz. Sowohl die SPD als auch die FDP fordern deutliche Nachbesserungen an dem Plan, der darauf abzielt, von 2024 an den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen weitgehend zu unterbinden. Damit geht einmal mehr ein Riss quer durch die Ampelkoalition.

Der Plan hat bundesweit Verunsicherung ausgelöst. Neue Heizungen sollen künftig mit mindestens 65 Prozent an erneuerbaren Energien betrieben werden, allerdings sind Ausnahmen vorgesehen. Die SPD pocht auf klare Übergangs- und Härtefallregelungen - und will auch noch einmal an die finanzielle Förderung heran. Die energiepolitische Sprecherin der Fraktion, Nina Scheer, sagte der Süddeutschen Zeitung, Spitzenverdiener bräuchten keine Förderung. "Für andere wären aber auch deutlich kleinere Anteile als 50 Prozent der Investitionen noch eine Überforderung, die es zu vermeiden gilt." Die Menschen müssten rasch Klarheit bekommen - mit unkomplizierten Regelungen.

Die FDP-Fraktion hat noch "100 Fragen an Robert Habeck"

FPD-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte der Bild-Zeitung, seine Fraktion habe noch "100 Fragen an Robert Habeck". Solange die nicht beantwortet seien, könnten die Beratungen über das Gesetz nicht beginnen. Habecks Plan, die Reform noch vor der parlamentarischen Sommerpause im Bundestag zu verabschieden, hält die FDP mittlerweile für unrealistisch.

Scharfe Kritik kommt auch aus der Opposition. Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei sagte der Süddeutschen Zeitung: "Wenn Habeck klug wäre, würde er das Heizungsaustauschgesetz sofort zurückziehen und auf einem weißen Blatt Papier grundlegend neu auflegen." Das Gesetz gehe völlig an der Realität vorbei, verunsichere die Menschen und vernichte immense Vermögenswerte.

Grüne im "flächendeckenden Sinkflug"

Der Streit um das Gesetz und auch die Affäre Graichen wirken sich derweil immer stärker auch auf die Zustimmungswerte der Grünen aus. Einer Forsa-Umfrage zufolge befindet sich die Partei in einem "flächendeckenden Sinkflug", da viele Bürger in erster Linie Politiker der Grünen für Unklarheiten in der Energiepolitik verantwortlich machten. Demnach kommt die Partei bundesweit nur noch auf 15 Prozent und liegt hinter der AfD.

Die Trennung von seinem wichtigsten Staatssekretär begründete Habeck damit, dieser habe "einen Fehler zu viel" gemacht. Graichen hatte zunächst verschwiegen, dass der von ihm mit ausgewählte Kandidat für den Chefposten der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena), Michael Schäfer, sein Trauzeuge gewesen war. Das Auswahlverfahren wird nun neu aufgerollt. Die Dena gab am Donnerstag bekannt, dass sie den bereits geschlossenen Arbeitsvertrag mit Schäfer aufgelöst habe. Schäfer selbst erklärte, er habe auf eine Abfindung verzichtet.

Patrick Graichen hatte sich zu angreifbar gemacht

Der "eine Fehler zu viel" war bei einer von Habeck veranlassten internen Prüfung entdeckt worden. Graichen hatte im November 2022 eine Förderung in Höhe von 600 000 Euro für ein Klimaschutzprojekt des Landesverbands Berlin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) befürwortet. In dem Verband ist Graichens Schwester aber als Vorstandsmitglied aktiv, laut Vereinsregister war sie bis Mai 2022 sogar Vorsitzende gewesen. Geld sei bisher zwar nicht geflossen, es gehe aber darum, schon den Anschein von Parteilichkeit zu vermeiden, sagte Habeck. Die dafür gezogene Compliance-Brandmauer seines Hauses habe Risse bekommen. Den Verhaltensregeln zufolge darf Graichen sich nicht direkt an Projektvergaben an Institutionen beteiligen, in denen es persönliche Verbindungen zu ihm gibt. "In der Gesamtschau hat sich Patrick Graichen damit zu angreifbar gemacht, um sein Amt noch erfolgreich ausüben zu können", sagte Habeck.

Das Wirtschaftsministerium nahm zugleich Graichens Staatssekretärskollegen Udo Philipp gegen Vorwürfe in Schutz, er habe als Anteilseigner mehrerer junger Firmen und als Verantwortlicher für die Start-up-Strategie der Bundesregierung womöglich private und dienstliche Interessen miteinander verquickt. Philipp, so hieß es am Donnerstag, habe sich in den Jahren vor seinem Wechsel in den öffentlichen Dienst zwar bei vier Unternehmen als sogenannter Business Angel engagiert, als Investor also, der Existenzgründern mit Kapital unter die Arme greift. Er spiele bei den Firmen aber schon seit 2019 keine aktive Rolle mehr. Vor allem aber sei er "in seiner Arbeit als Staatssekretär nicht mit diesen vier Unternehmen befasst, insbesondere nicht mit Entscheidungen, von denen sie finanziell profitieren würden". Auch habe Philipp seinen gesamten privaten Aktienbesitz in die Hände eines Vermögensverwalters gegeben und seine Unternehmensbeteiligungen bei seinem Amtsantritt im Wirtschaftsministerium im Dezember 2021 angezeigt, obwohl er das gemäß den Regeln nicht hätte tun müssen.

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