Ampel-Krise:SPD-Fraktion fordert von Scholz Aussetzung der Schuldenbremse

Lesezeit: 2 min

Die Regierung von Kanzler Scholz steht wegen der aktuellen Etatkrise unter Druck. (Foto: Christian Spicker/IMAGO)

Der Kanzler verspricht in einer eilig einberufenen SPD-Sondersitzung Lösungen für die Etatkrise und beschwichtigt, man müsse deshalb "nicht in Sack und Asche gehen". Doch die Fraktion setzt ihn mit einer Ansage unter Druck.

Von Georg Ismar

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat trotz der schweren Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht das Auslagern bestimmter Ausgaben in Sondertöpfe verteidigt und eine Entschuldigung für den entstandenen Schaden abgelehnt. "Es gibt keinen Grund für uns, in Sack und Asche zu gehen", sagte Scholz nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in einer kurzfristig am Mittwochabend anberaumten virtuellen Sondersitzung der SPD-Bundestagsfraktion. Damit seien sehr viele Mittel mobilisiert worden, um auf die unterschiedlichen Krisen zu reagieren.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Achim Post forderte in der Sitzung von Kanzler Scholz, stellvertretend für viele weitere Abgeordnete, dass die Schuldenbremse für die Jahre 2023 und 2024 ausgesetzt werden solle und er darüber vor allem mit der FDP und ihrem Finanzminister Christian Lindner verhandeln müsse.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte laut Teilnehmern, er sei auch mit Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) in Gesprächen für eine grundlegende Lösung. Scholz räumte ein, dass die Bürger rasch Klarheit wollten. "Wir müssen jetzt neu erläutern, was wir weiter tun wollen." Es sei aber wichtig, sich die nötige Zeit zu nehmen und genau zu prüfen, damit nichts mehr beklagt werden könne. Wegen der enormen Haushaltsprobleme infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts erwägt die Ampelkoalition für das laufende Jahr, eine Notlage zu beschließen, um damit die Schuldenbremse nachträglich aussetzen zu können.

Möglichst in Abstimmung mit der Union

Allerdings werden derzeit noch verschiedene Varianten geprüft und man will zunächst die enge Abstimmung mit der Union suchen, um eine verfassungsfeste Lösung zu erzielen. Auslöser ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November zu den bisherigen Sondertöpfen, mit denen die Koalition aus SPD, Grünen und FDP versucht hatte, die Schuldenbremse zu umgehen. Das Gericht hatte die Umwidmung von 60 Milliarden Euro an nicht genutzten Corona-Hilfsgeldern in einen Klima- und Transformationsfonds (KTF) für verfassungswidrig erklärt. In der Folge hatte das Finanzministerium auch weitere Auszahlungen über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) gestoppt. Er war einst für die Einrichtung der Strom- und Gaspreisbremsen mit 200 Milliarden Euro gefüllt worden, steht aber nun zur Abfederung von hohen Energiepreisen bereits in diesem Winter nicht mehr zur Verfügung.

Wegen des Urteils sind auch weitere Finanzzusagen aus dem laufenden Haushalt, unter anderem auch für neue Bundeswehrbeschaffungsprojekte, vorerst gestoppt worden. Die eigentlich für diesen Donnerstag im Haushaltsausschuss und dann für kommende Woche im Bundestag geplante Finalisierung und Verabschiedung des Bundeshaushalts 2024 ist ebenfalls abgesagt worden. Damit könnte von Januar an zunächst ein Nothaushalt drohen, wenn bis Jahresende keine Verabschiedung mehr gelingt. Größere neue Investitionen wären dann vorerst nicht möglich. Scholz machte aber deutlich, dass dies vermieden werden solle.

Kreditaufnahme weit über zulässiger Grenze

Mehrere Experten hatten in Stellungnahmen für den Haushaltsausschuss dargelegt, dass der laufende Etat 2023, gemessen an den Anforderungen des Verfassungsgerichts, gegen die Schuldenbremse verstoßen habe. Der Grund: Die Regierung hat im laufenden Jahr Mittel aus KTF und WSF verwendet, die dafür genutzten Kredite aber nicht in diesem Jahr auf die Schuldenbremse angerechnet - sondern alles bereits im Jahr 2022 verbucht, als die Schuldenbremse wegen der allgemeinen Krisenlage infolge der Corona-Pandemie noch ausgesetzt war.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Diese Buchungstechnik hat das Verfassungsgericht ebenfalls verworfen. Wenn die Kredite aber im Jahr 2023 verbucht werden müssen, läge die Kreditaufnahme weit über der zulässigen Grenze. Um diesen Verstoß zu heilen, könnte mit Blick etwa auf die hohen Energiepreise und andere Folgen des russischen Krieges in der Ukraine nachträglich eine Notlage für 2023 erklärt werden. In der SPD wird von einzelnen Abgeordneten kritisiert, dass Scholz bisher keine größere Rede an die Bürger zur Haushaltskrise gehalten hat. Besonders große Industrieunternehmen warnen bereits vor einer Abwanderung, da wegen der Unsicherheiten bei bisher geplanten Förderprogrammen zum Beispiel Stahl- und Chemiewerke keine Investitionsentscheidungen treffen können. Auch die Ansiedlung von Chipfabriken steht derzeit auf der Kippe.

© SZ/ir - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBerlin
:Kalt erwischt

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fehlen der Regierung 60 Milliarden Euro. Das allein ist schon heftig, aber es ist nur das erste Problem. Das zweite ist, ob die Ampel das überstehen wird.

Von M. Balser, C. Hulverscheidt, G. Ismar, P. Krüger, N. Richter, H. Roßbach und R. Roßmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: