Haushaltsdebatte im Bundestag:Loblieder für de Maizière

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Bei der Debatte um den Haushalt des Innenministeriums herrscht im Bundestag ungewohnte Einstimmigkeit - zumindest, was die Leistung des Ministers angeht. Nur die Linken wundern sich über "Friede, Freude, Eierkuchen".

Lena Jakat

Mit 40 Minuten Verspätung und kratziger Stimme eröffnet Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau die Aussprache zum Einzelpan 06: dem Haushalt des Innennministeriums. "Für die Aussprache ist eine halbe Stunde vorgesehen", sagt die Linken-Politikerin und korrigiert sich nach entrüsteten Zwischenrufen sofort: "Eineinhalb Stunden natürlich."

Manche legten die von Thomas de Maizière geforderte "Besonnenheit" bei der Terrorbekämpfung als Tatenlosigkeit aus. In der Haushaltsdebatte erhielt der Minister dafür fast ungeteilte Zustimmung. (Foto: REUTERS)

Während andere Ressorts unter massiven Einschnitten des Sparpakets zu leiden haben, wird das Inneninisterium dank der aktuellen Bedrohungslage geschont und muss keine 1000 Stellen bei der Bundespolizei streichen. Der jüngsten Terrorwarnung ist es zuzuschreiben, dass die Beratungen des Haushalts für das Innenministerium ziemlich einmütig verliefen - zumindest was die Innere Sicherheit anging. Darauf entfällt mit zwei Dritteln der größte Teil des Etats von 5,4 Milliarden Euro.

Zudem bewilligte der Bundestag 450 zusätzliche Planstellen zur Verbesserung der Luftfrachtsicherheit. Wo diese allerdings angesiedelt werden sollen, steht noch nicht fest. Im Innenministerium, wo seit dem Auftauchen der Paketbomben ein Krisenstab aller Sicherheitsbehörden tagt, ist man zufrieden: Die neuen und verbleibenden Stellen böten die nötige Flexibilität, um die Pläne der Arbeitsgruppe umzusetzen.

Für diese zusätzlichen Mittel bedankte sich Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zu Beginn seiner Rede ebenso ausdauernd wie bei den Bürgern für das Vertrauen in die Sicherheitskräfte. Denn das Thema Innere Sicherheit bietet viel Raum und so verließ die Debatte auch schnell das enge Korsett des Haushaltsplans.

Friede, Freude, Eierkuchen

De Maizière forderte Besonnenheit im Kampf gegen den Terrorismus - eine Haltung, die ihm in den vergangenen Wochen auch als Tatenlosigkeit ausgelegt wurde. Im Bundestag jedoch bekommt der Minister Lob von allen Fraktionen für seine beschwichtigenden Äußerungen. Die zusätzlichen Sicherheitskräfte seien notwendig, da waren sich beinahe alle Redner einig - nur die Linken-Politikerin Ulla Jelpke wunderte sich über so viele "Friede, Freude, Eierkuchen".

Weniger Einigkeit allerdings gibt es bei der Vorratsdatenspeicherung. "Meine Haltung ist bekannt", sagte de Maizière, "und ich freue mich über wachsende Zustimmung." Allerdings müsse eine Neuauflage des Gesetzes zunächst in der Koalition diskutiert werden, so der Minister, der sich wiederholt für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hatte.

Die Debatte zur Vorratsdatenspeicherung war nach den jüngsten Terrorwarnung unvermittelt aufgeflammt. Dabei war das Thema eigentlich vom Tisch, nachdem das Verfassungsgericht im März die bestehenden Regelungen der großen Koalition gekippt hatte. Die anlasslose Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten für sechs Monate sei ein "besonders schwerer Eingriff in das Fernmeldegeheimnis" hieß es in der höchstrichterlichen Begründung.

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Damit wurde den Beschwerdeführern recht gegeben, die sich bald nach Infrakttreten des Gesetzes an das Bundesverfassungsgericht gewandt hatten - unter ihnen auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Die Fronten der Debatte verlaufen direkt durch die schwarz-gelbe Koalition. Den Befürwortern aus der Union stehen die Gegner aus FDP und Opposition gegenüber. Leutheusser-Schnarrenberger plädiert für einen anlassbezogenen Zugriff auf bereits bestehende Daten.

Gleichwohl bedeutet das Urteil nicht das Aus für die Vorratsdatenspeicherung. Die Richter erkannten nämlich auch an, dass Telefon- und Internetdaten "für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung" sind. Eine Vorratsdatenspeicherung sei möglich - allerdings nur unter strengen Voraussetzungen.

Warnung vor Panikmache

Dass bei einer Neufassung des umstrittenen Gesetzes strikte Auflagen nötig würden, ist seit der Terrorwarnung allerdings in den Hintergrund getreten. Unionspolitiker von Volker Kauder (CDU) bis Hans-Peter Uhl (CSU) drängen deshalb auf eine möglichst rasche Entscheidung.

Uhl wehrte sich gegen den Vorwurf, die Angst vor dem Terror ausnutzen zu wollen: "Wir werden die aktuelle Lage nicht instrumentalisieren, um neue Sicherheitsgesetze zu schaffen", so der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion. Uhl kündigte die von den Karlsruher Richtern geforderte Nachbesserung bei der Vorratsdatenspeicherung ebenso an wie eine Terror-Warndatei für die Erteilung von Visa. "Wenn der Terrorist mit der Bombe unterm Arm losmarschiert, hat der Staat verloren."

Der Grünen-Politiker Josef Winkler sprach sich ebenso wie Redner von FDP und Linke gegen die Vorratsdatenspeicherung aus und kritisierte die "unsinnigen Vorschläge" einiger Innenminister der Länder. So würde die Bevölkerung verunsichert. Als Beispiel nannte Winkler die Forderungen des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU), der ein Handy- und Computerverbot für gefährliche Islamisten angeregt hatte. Ähnlich äußerte sich Jan Korte, Datenschutz-Beauftragter der Linke-Fraktion: Entsprechende Vorschläge seien "nicht hilfreich". Die Unionsfraktion forderte Korte auf, ihre Kräfte "rechtsaußen" in Zaum zu halten.

Bei der Aussprache zum Haushaltsplan kam auch die geplante Reform der Sicherheitsbehörden zur Sprache, für die in der sogenannten Werthebach-Kommission derzeit ein Konzept erarbeitet wird. Der Innenminister stellte klar, dass die Pläne der Kommission unabhängig von der aktuellen Bedrohungslage formuliert werden. Sie beschäftige sich zudem nicht mit den Nachrichtendiensten, so de Maizière, sondern vielmehr mit den Schnittstellen von Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Zoll.

Der 56-Jährige mahnte zugleich Behutsamkeit bei Reformen an. "Veränderung ist gut, aber Veränderung bindet auch Kräfte nach innen", so de Maizière. "Es kommt darauf an, klug darüber zu beraten, wie wir von A nach B kommen." Den Bericht der Werthebach-Kommission kündigte er für den 9. Dezember an.

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