Etatentwurf 2024:Was sich im Bundeshaushalt ändern könnte

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Mitglieder des Bundestages beraten in Berlin über den Etat für 2024. (Foto: Friedrich Bungert/Friedrich Bungert)

Bürgergeld, Elterngeld, Mehrwertsteuer in der Gastronomie, Bafög: Obwohl das Urteil aus Karlsruhe den Haushalt der Regierung infrage stellt, werden bereits Details des Etats festgelegt. Ein Überblick.

Von Hans von der Hagen, Sina Kampe und Nadja Tausche

Gut 15 Stunden liefen die Gespräche, bis der Haushaltsausschuss des Bundestages am frühen Freitagmorgen das vorläufige Ende seiner Schlussberatungen meldete. Die Budgets für das Haushaltsjahr 2024 seien fürs Erste festgezurrt, die Beratungen inhaltlich abgeschlossen, sagten die drei Chef-Haushälter von SPD, Grünen und FDP - Dennis Rohde, Sven-Christian Kindler und Otto Fricke.

Damit ist der Haushalt aber noch lange nicht unter Dach und Fach: Enden sollen die Beratungen am kommenden Donnerstag in einer Sondersitzung, dann soll der Bundestag den Haushaltsentwurf in der Sitzungswoche vom 27. November bis 1. Dezember endgültig verabschieden.

Noch ist völlig unklar, wie viel am Etatentwurf bis dahin noch angepasst werden muss. Denn das Urteil des Verfassungsgerichts vom Mittwoch könnte noch viel weitreichendere Folgen haben als auf den ersten Blick ersichtlich. Das höchste deutsche Gericht hatte eine Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Haushalt von 2021 für nichtig erklärt. Diese Kredite waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, wurden dann aber in ein Sondervermögen für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft verschoben. Mit dem Urteil aus Karlsruhe stehen die Milliarden nun nicht zur Verfügung.

Die Ergebnisse der bisherigen Beratungen im Überblick:

Antisemitismusprävention

Die Regierungskoalition will mehr Geld für die Bekämpfung von Antisemitismus und zur Unterstützung jüdischen Lebens in Deutschland bereitstellen. Mehr als 100 Millionen Euro zusätzliche Mittel seien geplant, teilten die Chef-Haushälter mit. "Die Maßnahmen reichen von Präventionsarbeit bei Jugendlichen, Unterstützung von jüdischen Gemeinden und deren Synagogen in Deutschland über Zuschüsse an Vereine, die sich dem Kampf gegen jegliche Art von Antisemitismus widmen bis zu erinnerungskulturellen Jugendprojekten."

Bafög

Der Topf, aus dem Studierende, Schüler und Auszubildende gefördert werden, soll deutlich besser gefüllt werden: 150 Millionen Euro mehr als bisher geplant sollen fürs Bafög (Bundesausbildungsförderungsgesetz) zur Verfügung stehen. Nur so ist es möglich, dass das Existenzminimum von Studierenden neu berechnet wird und Fördersätze steigen können. Auch für die dringend notwendige Bafög-Strukturreform braucht es deutlich mehr Geld als bisher veranschlagt worden war.

Bürgergeld

Zum Jahresanfang 2024 steigt das Bürgergeld für mehr als fünf Millionen Erwachsene und Kinder in der Grundsicherung um bis zu 61 Euro im Monat. Daher ist mehr Geld nötig. 2024 sind für die Regelsatzzahlungen an Bürgergeldbeziehende 3,4 Milliarden Euro mehr vorgesehen, sagte Grünen-Haushälter Markus Kurth. Hinzu kämen zusätzliche 1,4 Milliarden Euro bei der Übernahme der Miet- und Heizkosten. Geplante Kürzungen bei der Arbeitsmarktpolitik der Jobcenter sind zudem zurückgenommen worden.

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Elterngeld

Die Einsparungen beim Elterngeld sollen weniger radikal ausfallen als bisher geplant. Ursprünglich wollte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) das einkommensabhängige Elterngeld für Einkommen ab 150 000 Euro jährlich streichen. Stattdessen soll die Einkommensgrenze nicht plötzlich, sondern schrittweise sinken: ab April 2024 auf zunächst 200 000 Euro und ein Jahr später auf 175 000 Euro.

Das Basis-Elterngeld wird bis zu 14 Monate nach der Geburt eines Kindes gezahlt, wenn auch der Partner mindestens zwei Monate im Job pausiert. Nun gibt es aber wohl eine Änderung bei den sogenannten Partnermonaten. Bisher konnten beide Elternteile die 14 Monate bezahlte Elternzeit nach ihren Wünschen unter sich aufteilen, gleichzeitig oder nacheinander Elterngeld beziehen. In der Realität nahmen viele Mütter zwölf und die Väter zwei Monate. Die zwei "Vätermonate" werden zudem von wohlhabenden Paaren nicht selten für einen Familienurlaub genutzt.

Künftig, so der Plan, muss mindestens einer der Partnermonate allein genommen werden. Das muss zudem innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes passieren. Der SPD-Haushälter Döring erklärte dazu: "Wir stärken die Verantwortung von Vätern für die Care-Arbeit. Zukünftig muss mindestens einer der Partnermonate allein genommen werden. Damit wirken wir einem zunehmenden Parallelbezug entgegen, der mehr Partnerschaftlichkeit entgegensteht. Wenn Väter früher alleinige Verantwortung übernehmen, beteiligen sie sich auch stärker an der Familien- und Hausarbeit."

Das Elterngeld beträgt in der Regel 65 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens, höchstens 1800 Euro im Monat und mindestens 300 Euro.

Freiwilligendienste

Die Bundesmittel für die Jugendfreiwilligendienste und den Bundesfreiwilligendienst werden im kommenden Jahr nicht gekürzt. Anders als im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2024 geplant, sollen 80 Millionen Euro, die ursprünglich eingespart werden sollten, weiter zur Verfügung stehen. Dies sagte der Sprecher für Haushaltspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven-Christian Kindler. Für den Bundesfreiwilligendienst sollten 53 Millionen Euro eingespart werden - dies geschieht nun doch nicht. Für die Jugendfreiwilligendienste wiederum sollten im kommenden Jahr 25 Millionen Euro weniger ausgegeben werden. Jetzt stehen stattdessen wohl 27 Millionen Euro zur Verfügung. Was im Jahr 2025 passieren wird, blieb offen.

Humanitäre Hilfe im Ausland

Die Mittel für humanitäre Hilfe im Ausland sollen höher ausfallen als zunächst vorgesehen: Verglichen mit den bisherigen Plänen der Regierung soll es 700 Millionen Euro mehr geben. Nach Angaben des Linken-Abgeordneten Victor Perli steht aber immer noch deutlich weniger Geld zur Verfügung als in diesem Jahr. Aufgestockt wurden auch die Mittel für Integrationskurse und Beratungsleistungen für Zuwanderer. Statt der ursprünglich vorgesehenen 880 Millionen Euro wurden 1,06 Milliarden Euro eingeplant.

Kulturpass

Der Kulturpass soll offenbar verlängert werden: Wer 2024 volljährig werde, kann das Budget für kulturelle Angebote nutzen. Ursprünglich war das Angebot nur für junge Menschen gedacht, die in dem noch laufenden Jahr 18 Jahre alt werden.

Long-Covid-Forschung

Der Bund stellt 2024 nach Angaben der grünen Haushaltspolitikerin Paula Piechotta "erhebliche zusätzliche Mittel" für die Erforschung von Long Covid zur Verfügung. Es sind knapp 150 Millionen Euro, die im Etat von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant sind.

Zuletzt hatte es immer wieder Forderungen gegeben, mehr Geld in die Forschung über langwierige gesundheitliche Beeinträchtigungen nach Corona-Infektionen zu investieren. Im Oktober hatte Lauterbach gesagt, derzeit stünden etwa 40 Millionen Euro für die Versorgungsforschung zur Verfügung, nötig seien aber mindestens 100 Millionen Euro.

Mehrwertsteuer in der Gastronomie

Die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie soll zu Jahresbeginn wieder auf 19 Prozent angehoben werden. Der Steuersatz war 2020 in der Corona-Pandemie vorübergehend auf sieben Prozent gesenkt worden.

Ukraine-Hilfen

Mehrere Vorhaben wurden noch nicht beschlossen. Dazu zählt die Verdoppelung der Militärhilfe für die Ukraine auf acht Milliarden Euro im kommenden Jahr.

Was die Ampel sagt

Am Freitagvormittag äußerten sich die Chef-Haushälter der Ampelkoalition zu den Ergebnissen. Der Tenor: Es sei wichtig gewesen, den Etatentwurf zum jetzigen Zeitpunkt auszuhandeln. Dennis Rohde, Chef-Haushälter der SPD, sagte: Man habe vermeiden wollen, dass ein Zustand entstehe, in dem unklar sei, für was Geld noch vorhanden sei. "Deshalb ist es uns wichtig, am 1. Dezember einen Bundeshaushalt zu verabschieden", so Rohde.

Christian Kindler (Grüne) sagte, man habe versucht, nicht nur den kleinsten gemeinsamen Nenner unter den drei Koalitionspartnern zu suchen, sondern eine größere Lösung zu finden. "Da steckt viel Arbeit drin in den letzten Wochen", so der Grünen-Politiker. Auch Otto Fricke von der FDP betonte, man habe gut miteinander reden können. Das sei eine wichtige Voraussetzung - und werde gerade bis Donnerstag wichtig bleiben, sagte er in Anspielung auf die anstehenden Beratungen, die in der kommenden Wochen abgeschlossen werden sollen.

Was die Opposition sagt

Die Union hält es nicht für seriös, unter den aktuellen Umständen schon einen Haushalt zu beschließen - und stellte deshalb im Ausschuss keinen einzigen inhaltlichen Änderungsantrag. "Die Koalition berät diesen Haushalt, als ob es die Entscheidung von gestern nicht gegeben hätte", sagte CDU-Chef Friedrich Merz am Donnerstagabend im ZDF. "Und daran werden wir nun sicherlich nicht mitwirken." Die Chef-Haushälter der Ampel kritisieren das Vorgehen der Union scharf und werfen ihr vor, sie habe sich der Mitarbeit verweigert.

Nach Ansicht der Union droht beim Bundeshaushalt für das kommende Jahr erneut ein Verfassungsbruch. Die Folgen des Karlsruher Haushaltsurteils seien noch nicht abschließend geklärt, die Ampel-Fraktionen wollten aber trotzdem den Etat für 2024 beschließen, kritisierte der CDU-Haushaltspolitiker Christian Haase am Freitag. "Die laufen quasi sehenden Auges in die nächste Falle rein. Der nächste Haushalt ist, wenn sich nichts ändert, unserer Meinung nach verfassungswidrig."

In der sogenannten Bereinigungssitzung hätten die Ampel-Fraktionen nicht etwa Einsparungen beschlossen, sondern "noch mal einen ordentlichen Schluck aus der Pulle genommen", so Haase. Die CDU-Haushälter hätten zusammengerechnet, dass die Ampel 32,5 Milliarden mehr Ausgaben beschlossen habe. Wie das angesichts des Urteils finanziert werden solle, sei fragwürdig. "Die haben wie auf der Titanic zum Schluss noch mal ordentlich was mitgenommen", sagte er.

Das Bundesverfassungsgericht habe nicht nur ein 60 Milliarden Euro großes Loch in das Sondervermögen mit Programmen für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft gerissen. Die Richter hätten auch generell untersagt, sich in einem Krisenjahr über Kredite Geld zurückzulegen und dieses irgendwann später auszugeben. Damit seien aus Sicht der Union nicht nur das Klima-Sondervermögen, sondern auch andere Sondertöpfe betroffen.

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