Kriminalität:Bundesländer melden Anstieg bei häuslicher Gewalt

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Häusliche Gewalt: Viele Menschen trauen sich nicht, Anzeige zu erstatten. (Foto: Maurizio Gambarini/picture alliance/dpa)

Zwei Drittel der Opfer sind nach einem Zeitungsbericht Frauen. Expertinnen machen auch Nachwirkungen der Corona-Pandemie für die Zunahme verantwortlich.

Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt in Deutschland hat im Jahr 2022 laut einem Zeitungsbericht deutlich zugenommen. Bundesweit seien fast 180 000 Opfer und damit 9,3 Prozent mehr als im Vorjahr polizeilich registriert worden, berichtet die Welt am Sonntag unter Berufung auf eigene Recherchen bei den Innenministerien und Landeskriminalämtern der 16 Bundesländer. Zwei Drittel der Opfer seien Frauen. Die Dunkelziffer sei jedoch hoch, weil sich viele nicht trauten, Anzeige zu erstatten. Als Täter werden Partner, Ex-Partner und Familienangehörige erfasst.

Im Vergleich der Bundesländer verzeichne das Saarland mit 19,7 Prozent (3 178 Opfer) den stärksten Zuwachs. Dahinter folgten nach Angaben der Zeitung Thüringen (plus 18,1 Prozent, 3 812 Opfer) und Baden-Württemberg (plus 13,1 Prozent, 14 969 Opfer). Insgesamt hätten 15 Bundesländer deutlich mehr Opfer gemeldet. Deren Zahl sei lediglich im Land Bremen gesunken (minus 13,6 Prozent, 2 615 Opfer). Nordrhein-Westfalen weise 37 141 Opfer (plus 8,5 Prozent) aus.

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NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte nach Angaben der Welt am Sonntag: "Die Zündschnur ist bei vielen Menschen kürzer geworden und der allgemeine Ton rauer. Das gesellschaftliche Klima hat sich verändert." Dies mache auch an den Haustüren nicht Halt. "Zu Hause ist mehr Gewalt eingezogen."

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte der Zeitung, die Scham- und Schuldgefühle der Betroffenen führten häufig dazu, dass die Taten im Dunkeln blieben und nur selten bei der Polizei angezeigt würden. "Dieses Dunkelfeld ist ungleich größer als das Hellfeld", so Paus. Um hier einen besseren Einblick zu erhalten, lässt ihr Ministerium zusammen mit dem Bundesinnenministerium und dem Bundeskriminalamt derzeit eine sogenannte Dunkelfeldstudie erstellen. Paus plant auch eine staatliche "Koordinierungsstelle", die häusliche Gewalt ressortübergreifend bekämpfen soll.

Faeser fordert mehr Kontrollen der Polizei

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) fordert mehr Kontrollen der Polizei, wenn sie die Täter nach Übergriffen aus der Wohnung verwiesen hat. "Das muss konsequent kontrolliert werden, damit Täter nicht schnell wieder zurückkehren", sagte Faeser der Welt am Sonntag.

Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, sagte der Zeitung, finanzielle und gesundheitliche Sorgen, räumliche Enge und Unsicherheit über die Zukunft während der Corona-Pandemie hätten "als eine Art Brandbeschleuniger für Gewalt in Partnerschaft und Familie gewirkt".

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik bei der Diakonie, erklärte, ein Grund für den Anstieg könne sein, dass das Bewusstsein für häusliche Gewalt insgesamt gestiegen sei und nach den unsicheren Jahren der Pandemie Frauen jetzt eher Fälle von Gewalt anzeigten.

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