Guttenberg in der ARD:Deutschlands Talkshow-Minister erklärt Krieg

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Von TV-Studio zu TV-Studio eilt Minister Guttenberg in diesen Tagen. In der ARD redet er über Eiertänze, einen Krieg - und wo er dilettiert.

Hans-Jürgen Jakobs

Da saß er wieder. Der Minister, der fast täglich die Schlagzeilen der deutschen Presse ziert. Der mal eben nach Kundus jettet, um den deutschen Soldaten die Heimatfront zu erklären und den Afghanen den Krieg. Und der in Fernsehstudios augenscheinlich eine zweite Heimat gefunden hat.

Hat in den Fernsehstudios eine zweite Heimat gefunden: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (links) parliert mit ARD-Talker Reinhold Beckmann. (Foto: Foto: dpa)

Deutschlands Talkshow-Minister Nummer eins hatte erst am Donnerstag im ZDF bei Maybrit Illner sein Lavieren in der Kundus-Affäre erklärt, die unglückliche Nachbereitung des Bombardements zweier Tanklastzüge nach dem Geheiß eines deutschen Offiziers. Vier Tage später beglückte Karl-Theodor zu Guttenberg die Konkurrenz der ARD, nachdem er zwischendurch unter anderem bei RTL zitable Statements abgegeben hat.

Er macht Eindruck

Der fränkische CSU-Politiker ist als Bester seiner Gilde vollkompatibel mit jeder Gesprächs-Konfiguration. Bei ARD-Talker Reinhold Beckmann parlierte er in Gegenwart des Altpräsidenten Richard von Weizsäcker und der Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter aufs Schönste. Irgendwann gestand der Dirigentensohn: "Ich dilettiere", aber das war nur auf sein Klavierspiel bezogen. Aus den Fingerübungen des kleinen "KT" hätte nach zwischenzeitlicher Familienplanung einmal professionelle Einkommenserzielung werden sollen, dafür aber reichte es nicht ganz.

Stattdessen besetzt der sympathisch lächelnde Kommunikationskünstler jede Bühne, die das Fernsehen bietet. Andere machen Druck, er macht Eindruck. Guttenberg hat es geschafft, in wenigen Wochen seit Amtsantritt als Verteidigungsminister weit mehr gefühlte TV-Präsenz zu erreichen als sein ungelenker Vorgänger Franz Josef Jung in vier Jahren. Der Christdemokrat aus Eltville tat sich schwer mit dem Formulieren verständlicher Sätze, vom gehobenen Smalltalk des deutschen Salonwesens ganz zu schweigen.

Da ist Karl-Theodor zu Guttenberg von ganz anderem Kaliber. Da mag der Spiegel noch so hämisch titeln ("Der Entzauberte"), da mögen die Kommentatoren noch so häufig Schwächen und Widersprüche beim gegelten Neu-Minister ausmachen, der die Luftschläge von Kundus erst als "angemessen" bezeichnete und sich dann korrigierte - dieser smarte Freiherr des gesprochenen Wortes dampfplaudert auch das größte Dilemma klein.

Im Video: Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat Vorwürfe der Opposition zurückgewiesen, er habe die Öffentlichkeit über den umstrittenen Luftangriff bei Kundus getäuscht. Weitere Videos finden Sie hier

"Ich kneif nicht, generell nicht", sagt er im Hinblick auf seine Ausdauer, im Moment des größten Trommelfeuers das Mobiliar der deutschen Talkshow-Studios zu testen. Die Strategie sieht dann so aus, die Aufmerksamkeit weit weg von sich auf andere zu lenken.

Auf die Leute von der Opposition (Jürgen Trittin, Sigmar Gabriel) zum Beispiel, denen er Unterlagen sogleich zur Verfügung gestellt habe. Auf seine Chefin, die Bundeskanzlerin Angela Merkel selbstredend, denn er frage sich, ob es nach dem Angriff Anfang September "auch schon Hinweise bei der Bundesregierung gab, worum es tatsächlich ging". Und schließlich auf die deutsche Öffentlichkeit, in der afghanische Realitäten allzu oft verschwiegen worden seien. "Wir müssen sehr viel deutlicher werden." Die Bundeswehr brauche eine "ganz klare Beschreibung dessen, was dort stattfindet".

In diesem großen Gesamtbild wird die Rolle des zuständigen Ministers ganz klein, der in der Zeit von Kundus als Wirtschaftsminister noch mit der Wahrheit über Opel beschäftigt war. Guttenberg gibt sich makellos, wo andere verdrängen. Moderator Beckmann machte es ihm leicht.

Politischer Eiertanz

Dass andere aus dem berühmten Isaf-Bericht - anders als der Minister - sofort herauslasen, dass in Kundus nicht Tanklastzüge, sondern Taliban-Führer getroffen werden sollten, geht in dem Rechtfertigungs-Geplaudere unter. Es seien ihm ja acht, neun Berichte vorenthalten worden, so Guttenberg. Dass in einem steht, die Aufständischen sollten "vernichtet" werden, stört den Guterzogenen schon von der Wortwahl her. Das sei eine "bemerkenswerte Formulierung". Natürlich, es ist Krieg, aber objektiv war falsch, was subjektiv richtig war. Nun brauche es neue Verfahrensregeln, ein Soldat ist kein THW-Helfer. Aber wird im Krieg nicht "vernichtet"? Guttenberg redet so lange um den Kreis herum, bis er viereckig ist.

Es geht ihm schließlich auch um die "Zeit vor meiner Zeit", um das Aufarbeiten alter Strukturen im Verteidigungsministerium, in dem ein Minister offenbar eine Art Alien war. Dann wieder regt er sich auf über das "politische Bohei", das in Folge der Kundus-Affäre entstand und gibt kund, sich auf den Untersuchungsausschuss am Mittwoch zu freuen.

Andererseits macht sich Guttenberg im Gespräch mit Weizsäcker ein wenig über die politischen "Meister des Eiertanzes" lustig. Der Altpräsident spricht über den Zweiten Weltkrieg als "wahren Krieg", in dem Länder gegeneinander zu Felde zogen. Die Erinnerung daran sei eine schwere Last für aktuelle militärische Fragen und die derzeitige "Parlamentsarmee". Dazu hat der amtierende Verteidigungsminister nichts zu sagen. Er ist selbst eine Art politischer Eiertänzer.

Von den Ausführungen der Violinistin Mutter zeigt sich Guttenberg sichtbar angetan. Die Künstlerin spricht von ihrer Stradivari wie von einer Person, die vor 300 Jahren geboren wurde, sie preist ihre Familie und eine kurze Besinnungspause in ihrer Karriere. "Die Themen lassen sich gut verbinden", befindet der CSU-Mann über Politik und Musik. Maestro Guttenberg, der sich in seiner Partei vom Superstar zum Sorgenkind entwickelt hat, kann sich ein "politisches Sabbatical" gut vorstellen, "das würde dem ganzen Geschäft nicht schaden".

Bis es soweit ist, betreibt Deutschlands derzeit erster Talkshow-Minister das Geschäft einfach selbst fleißig weiter. Seine ebenfalls omnipräsente Frau Stephanie ist für alle bunten Blätter und Ereignisse zuständig, er selbst unterhält die politische Szenerie mit Grundsatzbetrachtungen und atemberaubenden Volten. Er redet. Er redet zu viel, einen Rücktritt aber lehnt er ab. Guttenberg hat schließlich auch seine regierungsamtliche Isolation als Wirtschaftsminister während der Opel-Rettung überlebt. Seine Heldenrolle definiert er als fränkischer Siegfried im Kampf mit dem Drachen Mediengesellschaft.

Nur allzu oft sollte er im politischen Bohei nicht sagen: "Ich dilettiere."

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