Guantanamo: Spuren in den Jemen:Obama und das Terror-Recycling

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Der vereitelte Anschlag von Detroit durchkreuzt Obamas Guantanamo-Pläne. Das Lager dürfte fürs Erste bleiben.

Reymer Klüver

Zum unglaublichen Glück aller an Bord von Northwest-Flug 253 hat der Weihnachtsbomber seinen Sprengsatz nicht zünden können. Der Schaden, den er angerichtet hat, ist trotzdem immens.

Schon länger ist klar, dass Obama sein Ziel verfehlt, das Schandlager bis Mitte Januar zu schließen. Das Erbe der Bush-Jahre lässt sich so leicht nicht entsorgen. (Foto: Foto: AP)

Nicht nur, dass der amerikanische Präsident mächtig unter Druck geraten ist, weil er den Anschein entstehen ließ, er nehme die Terror-Attacke auf die leichte Schulter. Diesen Eindruck hat Barack Obama erfolgreich korrigiert.

Folgenreicher dürften die Auswirkungen des verhinderten Anschlags auf einen der wichtigeren Pfeiler seiner Anti-Terror-Politik sein: Die ohnehin schwierige Schließung des Gefangenenlagers von Guantanamo ist noch komplizierter geworden.

Schon länger ist klar, dass Obama sein Ziel verfehlt, das Schandlager bis Mitte Januar zu schließen. Das Erbe der Bush-Jahre lässt sich so leicht nicht entsorgen. Die juristischen Fragen sind kompliziert, vor allem die Frage, wie man mutmaßlichen Hintermännern der Anschläge vom 11. September 2001 einen Prozess machen kann, der eines Rechtsstaats würdig ist - sie alle dürften mit Genehmigung von Obamas Vorgänger gefoltert worden sein.

Fast noch schwerer wiegt aber eine praktische Frage: Wie kann man verhindern, dass die Gefangenen, die man in den USA nicht vor Gericht stellt, nicht wieder in den Terrorkampf einsteigen, sobald sie entlassen sind? Die Praxis, die Gefangenen nach Saudi-Arabien oder in den Jemen zu schicken, ist nach dem vereitelten Anschlag von Detroit nicht mehr haltbar.

Tatsächlich besteht kein Zweifel daran, dass es Terror-Recycling aus dem Lager in Guantanamo gab. Verdächtige wurden als harmlos entlassen und fanden sich über kurz oder lang in den Rängen von al-Qaida wieder.

Einer der wahrscheinlichen Drahtzieher des versuchten Weihnachtsattentats, Said Ali Shahri, ist zweiter Mann von al-Qaida im Jemen. Er kam 2007 aus Guantanamo frei. Mindestens zwei weitere Männer in Top-Positionen bei dem Terror-Ableger im Jemen saßen ebenfalls dort ein. Einer Pentagon-Studie zufolge sind 14 Prozent der ehemaligen Guantanamo-Häftlinge zu al-Qaida zurückgekehrt.

Die Hälfte der noch rund 200 Gefangenen in Guantanamo stammt aus dem Jemen. Einen Großteil wollte Obama abschieben lassen und nur wenige, denen in den USA der Prozess gemacht werden soll, im Herbst in das geplante Hochsicherheitsgefängnis im US-Bundesstaat Illinois verlegen. Doch nicht nur Republikaner, auch Sicherheitsexperten seiner eigenen Partei verlangen nun ein Moratorium für die Entlassung weiterer Häftlinge in den Jemen.

Wenn Obama aber die Gefangenen nicht loswird, steht er vor der Alternative, sie entweder in die USA zu verlegen oder in Guantanamo zu belassen. Man muss nicht dreimal raten, um zu ahnen, was er in einem Wahljahr tun wird. Der innenpolitische Preis für die Schließung Guantanamos wäre zu groß. Da können die außenpolitischen Risiken noch so hoch sein. Guantanamo dürfte fürs Erste bleiben.

© SZ vom 04.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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