Gleichstellung in NRW:Frauenförderung: Warum in NRW so aufgeregt über zwei Wörter diskutiert wird

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  • Mit einer Reform des Dienstrechts will die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen dafür sorgen, dass Frauen bei der Stellenvergabe bessere Chancen haben.
  • Die FDP sieht dadurch Männer benachteiligt und will Verfassungsklage einreichen.
  • CDU und Beamtenbund befürchten Stillstand bei der Vergabe öffentlicher Stellen.

Von Barbara Galaktionow

Die Formulierung ist bekannt: Bei "gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung" sind Frauen bei der Vergabe öffentlicher Stellen zu bevorzugen. So und ähnlich steht es heutzutage in Gesetzen von Bund und Ländern. Viele von ihnen gelten schon seit den 1990er Jahren - doch vom erklärten Ziel, auch auf höhere Hierarchiestufen annähernd so viele Frauen zu bringen wie Männer, ist der öffentliche Dienst trotzdem noch weit entfernt.

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Nordrhein-Westfalen will nun mit einem modernisierten Dienstrecht die Karrierechancen von Beamtinnen erhöhen. Vor allem in den Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind. Am Donnerstag verabschiedete der Düsseldorfer Landtag mit den Stimmen der rot-grünen Regierung eine entsprechende Gesetzesreform. Doch die CDU, FDP und Piraten votierten dagegen - CDU und FDP sehen Männer durch die Neuregelung erheblich benachteiligt.

Vor allem die FDP macht Front gegen die Neufassung. Es sind eigentlich nur zwei Wörter, die im Gesetz ergänzt wurden, an denen sich die Kritik entzündet. Demnach sind Frauen künftig bei " im Wesentlichen gleicher Eignung und Leistung" bevorzugt zu befördern.

Das Gesetz würde "leistungsschwächere Frauen" bevorzugen

Das Prinzip der Bevorzugung von Frauen werde dadurch im neuen Gesetz "massiv verschärft", moniert Ralf Witzel, FDP-Fraktionsvize in Nordrhein-Westfalen der SZ. Es führe dazu, dass künftig nicht nur eine Frau mit gleicher Eignung einem männlichen Bewerber vorgezogen werde, sondern innerhalb eines vorgegebenen Rahmens auch die "leistungsschwächere Frau dem leistungsstärkeren Mann".

Denn anders als bisher würde zur Leistungseinstufung nur noch die Hauptnote herangezogen, nicht mehr die Differenzierung innerhalb der Hauptnote. Das hieße beispielsweise, führt Witzel aus, dass bei ansonsten ähnlichem Karriereweg und gleicher Beurteilung selbst ein Mann das Nachsehen habe, der gegenüber einer Mitbewerberin drei Jahre mehr Berufserfahrung aufweise.

Die FDP möchte deshalb Verfassungsklage gegen das neue Dienstrecht einlegen - allerdings hat ihre Fraktion allein nicht die notwendigen Stimmen. Sie hofft, noch Abgeordnete aus der CDU mit ins Boot zu holen. Denn auch die warnte bei der Debatte im Landtag vor "Verwerfungen und Frustration" im öffentlichen Dienst.

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Dass das neue Gesetz Unruhe unter den etwa 500 000 Beamten, Richtern und Versorgungsempfängern in NRW erzeugen wird, befürchtet auch der Landesverband des Deutschen Beamtenbundes. Dessen Hauptkritik ist allerdings eine andere als die der FDP. Das Gesetz setze an einer völlig falschen Stelle an, sagt Pressesprecherin Johanna Muschalik. Die Benachteiligung von Frauen beginne schon bei der jährlichen Leistungsbewertung. Die Erfahrungen zeigten, dass Frauen häufig schlechter bewertet würden als Männer, das gelte vor allem für Teilzeitkräfte. Hier herrsche häufig noch die falsche Vorstellung: "Halbe Zeit, halbe Leistung."

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Der Versuch, Frauenförderung mit Hilfe einer ergänzenden Formulierung hinzubekommen, helfe daher nicht. Zudem sei "im Wesentlichen" ein unbestimmter Rechtsbegriff und daher sehr klageanfällig, erläutert Muschalik.

Frühere Entscheidungen des Verfassungsgerichts hätten zudem ergeben, dass es nicht reiche, nur die Gesamtnote zur Bewertung heranzuziehen. Der Beamtenbund befürchte, dass am Ende wegen der Klagen männlicher Bewerber viele Beförderungen einfach erst mal auf Eis liegen könnten, sagt Muschalik. "Am Ende sind dadurch Männer wie Frauen benachteiligt."

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Das sieht die rot-grüne Landesregierung anders. Manchmal gebe es "konkurrierende Grundrechte in der Verfassung", sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) bei der Debatte im Landtag. Nicht nur das Leistungsprinzip, sondern auch die Gleichstellung seien dort verankert. Der mit zunehmender Hierarchiestufe systematisch abnehmende Anteil von Frauen beweise, dass alle bisherigen Instrumente zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst untauglich gewesen seien.

Die Regierung stützt sich in ihrer Neufassung auf ein Gutachten des früheren Bundesverfassungsgerichts-Präsidenten Hans-Jürgen Papier. Der hatte gezeigt, dass die bisherige gesetzliche Regelung in der Praxis oft ausgehebelt wird und eine verfassungsrechtliche Verpflichtung für eine gleichstellungsorientierte Personalpolitik bejaht.

Beim NRW-Innenministerium sieht man sich daher auf der sicheren Seite. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Papier uns so beraten hätte, wenn es nicht verfassungsgemäß wäre", sagt Pressesprecher Ludger Harmeier. Die ganze Aufregung um die "Beurteilung hinter der dritten Kommastelle", die nun nicht mehr berücksichtigt werden müsse, hält er für übertrieben. Er könne sich gut daran erinnern, welche Aufregung es früher vor der Einführung der ersten Gleichstellungsparagrafen gegeben habe, sagt Harmeier. Und auch daran, dass die dann schnell abgeklungen sei.

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