Öffentlicher Dienst:Warum Frauen so selten geeignet sind

Öffentlicher Dienst: Der Frauenanteil in Führungspositionen an den Schulen wird oft als positives Beispiel genannt. Schaut man die Zahlen genauer an, stellt es sich jedoch anders dar.

Der Frauenanteil in Führungspositionen an den Schulen wird oft als positives Beispiel genannt. Schaut man die Zahlen genauer an, stellt es sich jedoch anders dar.

(Foto: Imago Stock&People)

Zwei Bewerber, Mann und Frau, beide qualifiziert. Befördert werden soll: die Frau. So steht es im Gesetz. Doch das wird im öffentlichen Dienst umgangen, wie Ex-Verfassungsrichter Papier beklagt. An den Kriterien werde herumgedoktert, bis es kaum noch geeignete Frauen gebe.

Von Heribert Prantl

"Frauen sind bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern." So steht es in den Gleichstellungsgesetzen, Gleichberechtigungsgesetzen und den Chancengleichheitsgesetzen, die es in Deutschland seit den frühen Neunzigerjahren gibt. Die Formulierung, dass Frauen "bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung" bevorzugt befördert werden, klingt gut, funktioniert aber nicht. Jahrzehnte nach der Einführung dieser sogenannten leistungsbezogenen Quotenregelungen sind Frauen in Führungspositionen immer noch deutlich unterrepräsentiert. Die Gleichstellungsgesetze sind, wie man in gesamten öffentlichen Dienst besichtigen kann, ziemlich leerlaufende Gesetze. Sie gaukeln Frauenförderung nur vor.

Warum das so ist, hat Hans-Jürgen Papier, der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, in einem 58-seitigen Gutachten für das Land Nordrhein-Westfalen herausgearbeitet: Weil bei den Bewertungskriterien für die Kandidaten so lange herumgedoktert wird, bis es Kandidaten mit gleicher Eignung nicht mehr gibt. Die Kriterien werden so angewandt, "dass praktisch immer ein Bewerber als der bestqualifizierte eingestuft werden muss" - im Zweifel ein Mann. Das Problem sei also "die Handhabung der Leistungskriterien in der bisherigen Verwaltungs- und Gerichtspraxis": Die Bewertungsmaßstäbe werden so lange differenziert, bis es im Ergebnis immer zu einer "Reihung der Kandidaten" kommt - also der Fall der gleichen Qualifikation gar nicht eintritt. "Dadurch läuft die Quotenregelung, die erst bei einem Qualifikationsgleichstand angewandt werden kann, letztlich ins Leere", schreibt Papier, dessen Gutachten am Dienstag vorgestellt werden soll.

Um dies zu ändern, sei es geboten, das Herumdoktern an den Qualifikationskriterien - Papier nennt es die "Ausdifferenzierung der Qualifikationsmerkmale" - gesetzlich zu beschränken. Eine Neuregelung der einschlägigen Gesetze könnte laut Papier so ausschauen: "Frauen sind bevorzugt zu befördern, soweit ein Bewerber nicht eine offensichtlich bessere Eignung, Befähigung oder fachliche Leistung vorzuweisen hat." Auf diese Weise würde "eine bis ins Detail gehende Ausschärfung der Leistungsmerkmale gesetzlich verhindert".

Papier will mit dieser Formulierung einen "schonenden Ausgleich" zwischen den zwei einschlägigen Verfassungsnormen erreichen. Zum einen steht in Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes, dass "Jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte" hat. Zum anderen ist aber im Grundgesetz-Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 auch die Pflicht des Staats verankert, die Gleichberechtigung zu fördern: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

Die nordrhein-westfälische Landesregierung will daher - gestützt auf das Papier-Gutachten - die Frauenförderung in Nordrhein-Westfalen umkrempeln, um mehr Führungspositionen weiblich zu besetzen. Emanzipationsministerin Barbara Steffens (Grüne) und der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) wollen mehr Frauen in Führungspositionen bringen. "Das Rechtsgutachten ist ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Frauen in Spitzenpositionen des öffentlichen Dienstes. Wir müssen jetzt Wege finden, die Frauenquote so auszugestalten, dass sie effektiver wirkt", erklärte Ministerin Steffens. Wer von der Privatwirtschaft mehr weibliche Führungskräfte in der Chefetage fordere, der müsse auch im eigenen Bereich nach vorne gehen, um glaubwürdig zu sein.

Ende 2012 waren nach Angaben der Ministerien zwar mehr als die Hälfte (58,7 Prozent) der beim Land Beschäftigten Frauen. Auch im höheren Dienst ist die Mehrheit der Beschäftigten (54,8 Prozent) weiblich. Dennoch gelte: Je höher die Position, desto geringer der Frauenanteil. Im Eingangsamt des höheren Dienstes (Besoldungsgruppe A13/E13) betrage der Frauenanteil 64,6 Prozent, im Endamt (Besoldungsgruppe A16/E15Ü) nur noch 27,4 Prozent. In den absoluten Spitzenpositionen (ab Besoldungsgruppen B5) mache der Frauenanteil weniger als ein Viertel (24,6 Prozent) aus.

Der Frauenanteil in Führungspositionen an den Schulen wird oft als positives Beispiel genannt - in Nordrhein-Westfalen liegt er bei etwas mehr als 50 Prozent (wobei allerdings fast 70 Prozent der Lehrkräfte Frauen sind). Hans-Jürgen Papier hat sich die Zahlen freilich näher angeschaut - dann stellen sie sich weniger positiv dar: An den Gymnasien sind lediglich 28,4 Prozent der Schulleitungen mit Frauen besetzt; der Frauenanteil unter den Lehrkräften liegt bei 57,7 Prozent.

"Gleichberechtigung von Männern und Frauen darf nicht vor der Führungsebene enden", betont daher Innenminister Ralf Jäger. Zu einer modernen öffentlichen Verwaltung gehöre ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in Führungspositionen.

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