Krieg in Nahost:Bundeswehr startet Gaza-Luftbrücke

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Die Transportflugzeuge vom Typ "C-130J Super Hercules" stehen in Évreux in Frankreich, der Einsatz könnte schon in dieser Woche beginnen. (Foto: Jane Schmidt/picture alliance/dpa/Bundeswehr)

Deutschland beteiligt sich mit zwei Transportflugzeugen an der Hilfsaktion, bei der tonnenweise Nahrung und Medikamente über dem Kriegsgebiet abgeworfen werden.

Von Georg Ismar

Mit einer riskanten Luftbrücke beteiligt sich die Bundeswehr an einer humanitären Hilfsaktion für die Menschen im Gazastreifen, die unter dem Krieg zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas leiden. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gab am Mittwoch den Auftrag dazu. "Den Menschen in Gaza fehlt es am Nötigsten. Wir möchten unseren Teil dazu beitragen, dass sie Zugang zu Nahrung und Medikamenten bekommen", sagte Pistorius in Berlin. Für die Hilfslieferungen sollen auch zwei Bundeswehr-Transportflugzeuge vom Typ C-130J-30 Super Hercules genutzt werden. Sie sind Teil der deutsch-französischen Staffel "Rhein", die gegenwärtig im französischen Évreux stationiert ist.

Auch andere Länder wie die USA beteiligen sich an der von Jordanien initiierten Hilfsaktion. Dabei sollen über dem Gazastreifen tonnenweise Hilfsgüter abgesetzt werden. Die erste Hercules-Maschine sollte zunächst nach Toulouse fliegen, um dort Material aufzunehmen, und dann weiter zu einem Luftwaffenstützpunkt nach Jordanien. Die zweite Maschine sollte zunächst zum Fliegerhorst Lechfeld bei Augsburg fliegen, um Ersatzteile einzuladen, und am Donnerstag auch nach Jordanien fliegen. Von dort soll Hilfsmaterial, das unter anderem von Hilfsorganisationen kommt, eingeladen und Richtung Gazastreifen geflogen werden.

Geplant ist ein Pendelverkehr zwischen dem Gazastreifen und dem Stützpunkt in Jordanien, die Dauer des Einsatzes und die Zahl der Flüge sind noch offen. Nach den Dissonanzen zwischen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Frage der Ukraine-Unterstützung und Macrons Vorstoß, auch Bodentruppen nicht auszuschließen, gilt die Aktion auch als wichtiges Signal, um wieder mehr Gemeinsamkeit zu demonstrieren. Die Hilfsaktion dürfte auch bei einem Treffen des Weimarer Dreiecks von Scholz, Macron und Polens Ministerpräsident Donald Tusk am Freitag in Berlin entsprechend hervorgehoben werden.

Eingesetzt werden zwei "Hercules"-Transportflugzeuge

Die Hercules-Transportflugzeuge können jeweils bis zu 18 Tonnen Last transportieren. In der Luftwaffe wird darauf hingewiesen, dass der Abwurf nicht ungefährlich sei. Pistorius betonte: "Die dafür vorgesehenen Crews sind für entsprechende Verfahren ausgebildet und sehr erfahren." Mit einer Sondergenehmigung des Inspekteurs der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, kann bei der Operation "Drop Gaza" ein bereits bewährtes französisches Verfahren auch von den deutschen Flugzeugbesatzungen angewendet werden: Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wird dabei eine auf einer Palette verpackte Hilfslieferung mit Fallschirmen und Gurten versehen und auf Rollenbahnen in die Flugzeuge gebracht. In einer bestimmten Höhe wird über den Absetzzonen die Geschwindigkeit des Flugzeugs stark verringert, dann wird die hintere Laderampe geöffnet, die Rollenbahnen werden entriegelt, die Hilfsgüter fallen aus dem Laderaum und schweben an den sich öffnenden Fallschirmen zu Boden.

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Weitere 180 Terrorverdächtige sollen in dem Krankenhaus im nördlichen Gazastreifen festgenommen worden sein. Die palästinensische Gesundheitsbehörde meldet Luftangriffe auf Rafah mit mehreren Toten.

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Die Methode gilt als sicherer, als Hilfsgüter einzeln abzuwerfen, die dann ungebremst Richtung Boden fliegen. Maximal neun Paletten mit jeweils zwei Tonnen Gewicht können je Flug abgesetzt werden. Der Einsatz ist auch für die Bevölkerung im Gazastreifen nicht ungefährlich. Denn es besteht ein Restrisiko, dass ein Fallschirm nicht öffnet. Dazu kommt das Risiko für die Besatzungen, mit Raketen beschossen zu werden, weshalb die Manöver auch für die Bundeswehr-Piloten eine große Herausforderung sind.

Nach UN-Angaben droht im Gazastreifen eine Hungerkrise

Die Lage der Menschen im Gazastreifen ist zunehmend verzweifelt, viele sind obdachlos geworden, manche Gegenden sind komplett zerstört. Nach UN-Angaben droht eine Hungerkrise, wenn die Hilfen nicht ausgeweitet werden. In dem schmalen Küstenstreifen leben rund 2,2 Millionen Menschen. Auslöser des Gaza-Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels seit dem Holocaust, verübt von Terroristen der islamistischen Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober in Israel. Auf israelischer Seite wurden dabei mehr als 1200 Menschen getötet. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive in Gaza.

Auf palästinensischer Seite wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde seit Kriegsbeginn mehr als 31 100 Menschen getötet. Die Zahlen lassen sich kaum überprüfen. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor, Berichterstatterin für den Nahen Osten, betonte: "Den Menschen fehlt es vor allem an Wasser und Nahrungsmitteln. UN-Organisationen berichten bereits von mehreren verhungerten Kindern, die Gefahr von Seuchen sei ungebrochen hoch." Die Luftbrücke sei wichtig, aber auch eine Seebrücke müsse errichtet werden für Hilfsgüter, die per Schiff an die Küste des Gazastreifens gelangen. Von Zypern aus ist die erste Aktion einer Hilfsorganisation mit einer Ladung von rund 200 Tonnen an Lebensmitteln, Medikamenten und Trinkwasser angelaufen. Aber diese Maßnahmen könnten nicht die Lieferungen über den Landweg ersetzen, so Kaddor. Die Hilfe müsse dringend ausgeweitet werden.

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