Das Ende des G-20-Gipfels und den Beginn der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow haben viele Medien kommentiert. Hier eine Auwahl:
Volksstimme, Magdeburg
Vor allem ein Ergebnis wird vom G-20-Gipfel bleiben: Er hat Klimaschützern und Staaten mit ernsthaften Klimaschutzabsichten ihre Ohnmacht vor Augen geführt. Statt von geplanten "Netto-Null-Emissionen" bis 2050 ist im Abschlusspapier mit Rücksicht auf China und Russland nur noch schwammig von der "Mitte des Jahrhunderts" die Rede. Das lässt zu vieles offen. Und es ist ein Schlag für das Klimatreffen in Glasgow. Wenn die G-20, die für 80 Prozent der globalen Treibhausgase stehen, sich derart ihrer Verantwortung entziehen, droht das Treffen in Schottland zum Debattierclub zu verkommen. Proteste vor Ort werden daran wenig ändern. Peking etwa, das rund 30 Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes verantwortet, wird sich kaum beeindrucken lassen. Wichtig ist der Gipfel trotzdem, denn der Klimawandel kommt. Im besten Fall führt er dazu, dass Vorreiter wie die EU schneller handeln. Darin liegt auch technologisch eine Chance. Spätestens das würde auch China wieder auf den Plan rufen.
Die Presse, Wien
War Klimaschutz Anfang der 1990er-Jahre noch ein Nischenthema für einzelne Aktivisten und Umweltpolitiker, ist er heute allgemeiner Standard. Das gilt auch für Firmenzentralen und vor allem die Finanzmärkte. Investiert wird zunehmend nur noch in nachhaltige Investments. Nicht nur aus Gutherzigkeit, sondern auch aus ökonomischem Kalkül. Ein Investment in fossile Energieträger kann sich in einer Welt, in der diese nicht mehr verbrannt werden dürfen, als ziemlicher Flop herausstellen. In Summe gibt es also auch viele positive Entwicklungen. Und die Menschheit hat in der Geschichte schon oft bewiesen, dass sie für Veränderungen manchmal länger braucht, diese dafür dann umso konsequenter umsetzt. Das dürfte auch beim Klimaschutz der Fall sein. Es ist also nicht falsch, positiver in die nächsten 30 Jahre zu schauen als auf die vergangenen 30 Jahre zurück.
Tages-Anzeiger, Zürich
Für viele bedeutet Glasgow die letzte Chance. Vom Standpunkt der Klimaforschung aus gilt das jedoch für jede Konferenz der letzten zwanzig Jahre. Optimistisch ausgedrückt ist die diesjährige Konferenz die Chance für die Zukunft. In Glasgow müssen die Vertragsstaaten in den nächsten zwei Wochen klarmachen, dass sie für ehrgeizigere Ziele sind, für transparente, nachvollziehbare Klimapläne für die nächsten zehn Jahre, und sie müssen garantieren, dass das versprochene Geld dorthin fließt, wo es gebraucht wird. Die Entwicklung zum postfossilen Zeitalter ist längst eingeläutet, es gibt keinen Grund, zu bremsen, nur noch ein schnelles Vorwärts.
G 20 in Rom:Klima des Ungefähren
Er hätte ein Trampolin der Hoffnung werden können. Doch der römische G-20-Gipfel produziert nur ein vages Schlussdokument - nicht eben eine Starthilfe für COP26 in Glasgow. Eine Gipfelbilanz in sechs Kennzahlen.
Rossijskaja, Moskau
Europa, das vor allem aufgrund seiner unüberlegt schnellen Abkehr von fossilen Energieträgern in diesem Jahr mit einer schweren Energiekrise konfrontiert ist, erwartet von unserem Land eine Erhöhung der Gas- und Kohlelieferungen, hat bislang aber keinerlei entgegenkommende Schritte unternommen. (...) Russland wird sich Europas grüner Agenda wohl kaum widersetzen, insbesondere, da es selbst eine CO₂-Neutralität bis 2060 plant. Aber es kann bei dem Gipfel in Glasgow durchaus hart für seine Positionen einstehen, da die Haushaltseinnahmen unseres Landes von der Öl-, Gas- und Kohleförderung abhängen - und auch von deren Export.
Frankfurter Neue Presse
Deutschland hat wenig Grund, sich auf die Schulter zu klopfen. Auch hier ist der CO₂-Ausstoß zu hoch. Ob die Klimaneutralität bis 2045 klappt, muss sich erst zeigen. Zügigen Veränderungen, wie sie beim Ausbau erneuerbarer Energien erforderlich wären, steht eine zähe Bürokratie entgegen. Genehmigungsverfahren dauern lange. Prozesse ziehen sich hin, weil Richter überlastet sind. Für viele Anlagen fehlt es an Fachkräften und Handwerkern. Hier greifen viele Probleme ineinander, die schon lange ungelöst sind. Weitere Absichtserklärungen in Glasgow als Erfolg zu feiern, wäre daher Selbstbetrug. Es kommt auf die Umsetzung der Maßnahmen an.
Klimakonferenz in Glasgow:Die letzte Chance
Bei früheren Klimagipfeln zerschlugen sich bald alle Hoffnungen auf wirkliche Veränderung. Könnte es diesmal anders sein? Über große Ziele, Kompromisse und heikle Fragen.
The Guardian, London
Es ist unwahrscheinlich, dass COP26 einen dramatischen Durchbruch wie in Paris erzielen wird, aber die Konferenz muss den Weg für konzertierte globale Maßnahmen ebnen, um die Reduzierung der Emissionen zu beschleunigen. Konkrete Maßnahmen sind in Bereichen wie dem Ausstieg aus der Kohle, der Reduzierung von Methangasemissionen, der Erhaltung von Kohlenstoffsenken wie Wäldern und Torfmooren und der Finanzierung des Klimaschutzes in Entwicklungsländern erforderlich. Als Gastgeber von COP26 wird Großbritannien in den nächsten zwei Wochen für die Durchführung der Konferenz verantwortlich sein. Dabei ist es - gelinde gesagt - bedauerlich, dass Premierminister Boris Johnson zwar die Trommel rührt, damit die Staaten mehr Maßnahmen ergreifen, seine eigene Regierung aber unbekümmert mit der Vergabe neuer Lizenzen für Ölfelder in der Nordsee fortfährt. Genau diese Kluft zwischen Rhetorik und Handeln muss in Glasgow angesprochen werden, wenn die Konferenz ein Erfolg werden soll. Es ist kein Spielraum mehr vorhanden. Was in diesem Jahrzehnt getan oder unterlassen wird, entscheidet über das Schicksal künftiger Generationen.
La Repubblica, Rom
Wer eine Revolution im Kampf gegen den Klimawandel erwartet hatte, der wurde wahrscheinlich enttäuscht. Aber der G-20-Gipfel unter italienischem Vorsitz hatte zwei grundlegende Aufgaben: die ganzen "Großen" auf eine gemeinsame Linie bringen gegen die Erderwärmung und damit eine Basis schaffen, damit die in Glasgow beginnende COP26 einen weiteren Schritt schaffen kann. Und diese beiden Vorhaben wurden am Ende erreicht.
SZ-Podcast "Auf den Punkt":Klimagipfel 2021: Was sich seit Paris getan hat
Auf dem Klimagipfel werden die Etappenziele beim Klimaschutz gecheckt. Viele Länder hinken hinterher. Wie die EU damit umgehen kann.
Politiken, Kopenhagen
Kalifornier flüchten vor Waldbränden, New Yorker ertrinken in überfluteten U-Bahnen und Kellern, deutsche Orte, Häuser und Autos werden über Nacht von Überschwemmungen weggespült, die arktischen Gletscher schmelzen schnell, und Dürre und unerträgliche Wärme machen große Teile des Nahen Ostens fast unbewohnbar. Vor diesem düsteren und dystopischen Hintergrund müssen die Staats- und Regierungschefs der Welt nun versuchen, zur Einigkeit über eine Schlusserklärung zu gelangen, die die Länder verpflichten kann, bei der Verringerung der globalen CO₂-Emissionen ernst zu machen. Aber gerade in der Hoffnungslosigkeit müssen wir Hoffnung finden. Der große Unterschied zwischen Glasgow und allen vorherigen Klimagipfeln ist, dass es keinen Weg um radikale Lösungen herum mehr gibt, wenn wir unseren Kindern und Enkeln eine einigermaßen bewohnbare Erde hinterlassen wollen. Und das kann sich machen lassen.
Neue Zürcher Zeitung
Dabei geht es vor allem um zwei Dinge. Erstens bedarf die Uno genauer Regeln zur Messung und Darstellung von Emissionsreduktionen, damit diese international vergleichbar sind und korrekt angerechnet werden können. Zweitens braucht es Regeln, um einen grenzüberschreitenden Handel von Emissionsreduktionen zu erleichtern. Beides ist wichtig für den Klimaschutz. Vertrauenswürdige Transparenz über erzielte Emissionsreduktionen im In- und Ausland ist eine Voraussetzung dafür, dass Regierungen zur Rechenschaft gezogen werden können zu ihren Versprechungen. (...) Auch hier haben die Verhandlungsführer der Konferenz mit mannigfachen Störmanövern zumeist großer Emittenten zu kämpfen, die wenig Interesse an Transparenz haben. Die Konferenz kann nur im Konsens Beschlüsse fassen, alles geht deshalb zäh voran. Zudem ist das Regelwerk der UN-Konferenz nicht so spektakulär und griffig zu kommunizieren wie das 1,5-Grad-Ziel. Doch es ist nicht weniger wichtig.
El País, Madrid
Die Spanier sind sich der Gefahren der Klimakrise bewusst. 93,6 Prozent erkennen an, dass es sie gibt, 76 Prozent glauben, dass sie auf menschliches Handeln zurückzuführen ist und mehr als 90 Prozent finden, dass dringend gehandelt werden muss, ergab eine Umfrage. Die Daten sind ermutigend, aber sie machen auch Widersprüche sichtbar. Es wird klar, mit welchen Schwierigkeiten die Politik konfrontiert ist: So sind zwar 62,9 Prozent für ein Verbot von Autos mit Verbrennungsmotor, aber nur 28,1 Prozent wollen höhere Steuern auf Sprit. Denn das würde sie persönlich Geld kosten. Laut der Umfrage verhält sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung schon umweltfreundlicher. Aber mehr als 40 Prozent glauben, dass dies kaum Einfluss auf die Eindämmung des Klimawandels hat und sehen stattdessen die Wirtschaft in der Pflicht. Immer mehr Menschen halten die Katastrophe für unvermeidlich. Das ist die größte Herausforderung bei der COP26: zu zeigen, dass ein Gegensteuern noch möglich ist, und zwar indem die dafür notwendigen Mittel endlich aufgebracht werden.
Weser-Kurier, Bremen
Die USA und die EU werden bemüht sein, dass Glasgow nicht in einem Fiasko endet. Doch es sind heikle Fragen, die die Staaten beim Pariser Gipfel 2015 offengelassen haben: Wie sollen Transparenzregeln aussehen, um die Fortschritte einzelner Staaten im Kampf gegen den Klimawandel zu vergleichen? Wie lässt sich verhindern, dass die geplante internationale Kooperation nicht zu einer Art "Ablasshandel" zulasten ärmerer Staaten wird? Und wie sollen die jährlichen 100 Milliarden US-Dollar zur Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern zusammenkommen? Am Ende wird der Gipfel zeigen, dass die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit größer geworden ist.
De Tijd, Brüssel
Natürlich ist die Auseinandersetzung noch nicht ausgestanden. Dafür gibt es noch zu viele knifflige Details, zu viele Ausnahmeregelungen, zu viele Diskussionen darüber, was genau zum steuerpflichtigen Gewinn gehört und was nicht. Außerdem muss die Einigung in jedem Land noch das Parlament passieren. Aber der internationale Zug hat Fahrt aufgenommen. (...) Die Bedeutung dieser G-20-Vereinbarung liegt aber auch noch woanders. Sie zeigt, dass angesichts der wirtschaftlichen Globalisierung eine politische Gegenkraft aufgebaut werden kann. Dass sich nach all den Pandora Papers, Panama Papers und anderen Leaks ein größerer Gerechtigkeitssinn in die internationale Steuerpolitik einschleicht. Dass die internationale Diplomatie auch nach den Trump-Jahren nicht tot ist. Und dass es trotz schwieriger Fortschritte bei den Klimaschutzzielen immer noch möglich ist, wirklich historische internationale Abkommen zu schließen.
Neue Osnabrücker Zeitung
Welch herbe Enttäuschung: Beim Thema Klimaschutz haben die 20 großen Industriestaaten beim Gipfeltreffen in Rom versagt. Statt ihre Pläne nachzubessern und feste Ziele für den Ausstieg aus der Kohleverstromung zu vereinbaren, verfassten die Staats- und Regierungschefs nur ein unwirksames Dokument des Zögerns und Zauderns. Die Aussichten für die in Glasgow eröffnete Weltklimakonferenz haben sich deutlich verschlechtert. Die Analyse ist klar: Geschieht nicht sehr schnell deutlich mehr zum Schutz des Klimas, wird das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, schon sehr bald nicht mehr zu erreichen sein. Man könnte auch sagen: Die Welt brennt. Doch statt sofort mit aller Kraft zu löschen, warten einige Länder noch mit dem Großalarm für die Feuerwehr.