Die gemeinsame Klausur der Präsidien von CDU und CSU hat noch gar nicht begonnen, da zeichnet sich schon wieder Streit ab. Auf dem Parkplatz des Botanischen Gartens in Köln fahren im Minutentakt die dunklen Limousinen vor, aus denen die Teilnehmer zur Sitzung eilen. Ein Chauffeur läuft auf einen Sicherheitsmann zu. "Ich komme nicht weg", sagt er genervt, "irgend so ein Münchner hat mich zugeparkt". Die Sache lässt sich aber schnell auf dem Verhandlungsweg lösen, was man derzeit ja nicht von jedem Weltkonflikt sagen kann.
Die ganz normalen Besucher des Botanischen Gartens spazieren derweil durch italienische Laubengänge, bewundern exotisches Gehölz oder rasten unter Palmen. 12 000 Pflanzenarten, liest man hier, ermöglichten "eine Weltreise mit allen Sinnen". Dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz steht freilich dieser Tage der Sinn nach einer etwas anderen Exkursion: Er will nach Kiew fahren.
Die Reisepläne allein würden genügen, der Unionsklausur eine gewisse Aufmerksamkeit zu sichern, was keineswegs selbstverständlich ist, seit die CDU den Ehrentitel der Kanzlerinpartei hat abgeben müssen. Dazu kommt, dass einer der Teilnehmer nicht mit der Limousine eingetroffen ist, sondern mit dem Bus - seinem Wahlkampfbus. "Machen, worauf es ankommt", das ist der Slogan, den Hendrik Wüst, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, auf das hellblaue Gefährt hat lackieren lassen. Der Spruch sollte ursprünglich gewiss Wüst maximale landespolitische Tatkraft zuschreiben; jetzt beziehen sie ihn in der CDU nur zu gern negativ auf den angeblichen Zauderer Olaf Scholz. Auch die Landtagswahl steht im Zeichen des Krieges.
Wenn die CDU auch NRW verliert, würde sie in einer der größten Krise ihrer Geschichte rutschen
Bei der Pressekonferenz im Parkpalais Flora gönnen sich Merz, Wüst und CSU-Chef Markus Söder einen Einmarsch als die glorreichen drei. Der Wahlkämpfer Wüst darf als Erster sprechen und seine eigene Bilanz lobpreisen. NRW, sagt er etwa, sei "so sicher wie seit 35 Jahren nicht mehr".
Vor der Landtagswahl im Saarland hatte sich die CDU-Spitze zu einer Klausur in St. Ingbert getroffen - auch um für den Verbleib des CDU-Ministerpräsidenten im Amt zu werben. Allerdings ohne Erfolg: Tobias Hans wurde abgewählt, jetzt regiert die SPD mit absoluter Mehrheit. In Nordrhein-Westfalen ist die Ausgangslage für die CDU zwar etwas besser. In der jüngsten Umfrage liegt die CDU einen Prozentpunkt vor der SPD. Doch wegen der schwächelnden FDP dürfte es am Wahltag nicht für eine Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition reichen. Der Verlust des kleinen Saarlands hat den Christdemokraten wehgetan, er war jedoch noch einigermaßen verkraftbar. Wenn die CDU aber auch das wichtigste Bundesland an die SPD verlieren sollte, würde sie in eine der größten Krisen ihrer Geschichte rutschen. All die Hoffnungen, die so viele in der CDU in einen Neuanfang unter Merz gesetzt haben, wären mit einem Schlag verflogen.
Entsprechend engagiert kämpft die CDU jetzt um Nordrhein-Westfalen. Und auch Söder und seine CSU leisten diesmal ernsthaft Beistand. Im vergangenen Jahr hatte ein anderer Nordrhein-Westfale noch nicht das Glück. Merz und Söder seien "auf gewisse Art und Weise ein recht erfolgreiches Duo", ätzt SPD-Chef Lars Klingbeil deshalb am Montag. Die beiden hätten "es geschafft, Armin Laschet als Bundeskanzler zu verhindern".
In Köln herrscht jetzt aber demonstrativ Friede zwischen allen Unionisten. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt lässt schon aus der Klausursitzung heraus verlauten, die Unionsparteien seien "so geschlossen wie lange nicht". Merz sagt dann bei der Abschluss-Pressekonferenz, CDU und CSU hätten eine "gute Zusammenarbeit" nicht nur verabredet, sondern hielten sie auch ein. Und Söder beteuert, es gebe jetzt "ein neues Miteinander".
Mit seiner Reise brüskiere Merz den Kanzler "überhaupt nicht", findet Söder
Am Montagabend gibt es noch einen gemeinsamen Wahlkampfauftritt Söders mit Merz und Wüst auf dem Marktplatz von Olpe. Danach könnte die Reise von Merz in die Ukraine dann beginnen. Merz sieht sich in Köln aber genötigt, auf die Kritik daran zu reagieren. SPD-Chef Klingbeil hatte die Union zum Beispiel vor einer parteipolitischen Instrumentalisierung des Krieges gewarnt - und dabei offenkundig auch die Merz-Fahrt nach Kiew im Blick.
Er reise auf Einladung des ukrainischen Parlaments nach Kiew, sagt Merz jetzt. Am vergangenen Samstag habe er den Kanzler über seinen Plan informiert. "Ich nehme für mich als Parlamentarier und als Oppositionsführer in Anspruch, selber darüber zu entscheiden, ob ich eine solche Reise mache oder nicht." Das habe die Bundesregierung nicht "zu beurteilen oder gar zu kommentieren". Und er "frage auch nicht um Genehmigung".
Er habe Scholz empfohlen, selbst in die Ukraine zu fahren, sagt Merz. Dieser habe das in den vergangenen zwei Monaten aber nicht getan. Es gebe aus seiner Sicht deshalb keine Veranlassung, jetzt noch "darauf zu warten, dass ein Mitglied der Bundesregierung eine Reise plant".
Und Söder? Der verteidigt Merz - ganz im Stile des "neuen Miteinanders" zwischen CDU und CSU. Mit seiner Reise brüskiere Merz den Kanzler doch "überhaupt nicht", sagt Söder. Scholz blamiere sich im Zweifelsfall durch seine Nicht-Reise selbst.