CDU-Vorsitz:"Geben Sie der Partei bitte Ihre E-Mail-Adresse"

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So nett, so lieb, so kundig: Friedrich Merz präsentiert sich am Montagabend in einem Live-Format vom Konrad-Adenauer-Haus aus den zugeschalteten Parteimitgliedern. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Friedrich Merz hat sich am Montagabend, sofern das noch nötig ist, der Parteibasis vorgestellt. Von harter Kante scheint er nicht mehr viel wissen zu wollen.

Von Boris Herrmann, Berlin

Neunzig Minuten mit Friedrich Merz, in denen sich mitunter die Frage stellt: Ist das überhaupt Friedrich Merz?

Da diskutiert jedenfalls ein Mann mit den Mitgliedern der CDU, der zum Beispiel sagt: "Wir müssen über die Zukunftsfähigkeit des Sozialstaates reden." Er will außerdem seine Partei "zur Mitte hin integrieren" und findet, Deutschland müsse "ein offenes Land bleiben". Und schließlich sagt er noch: "Im Zweifel werden Sie bei mir einen Parteivorsitzenden sehen, der sich auch mal vehement für eine junge Frau einsetzt." Dafür werde er sich zur Not auch "mit den alten Platzhirschen" anlegen, denn: "Wir müssen aufpassen, dass wir keine Partei der alten Männer werden."

Man schaut also besser zweimal hin, um zweifelsfrei sagen zu können: Hier spricht tatsächlich jener Merz, der sich im Alter von 66 Jahren mal wieder um den Parteivorsitz der CDU bewirbt.

Auch wenn er hier und da noch einen Merz-Klassiker einstreut, etwa den, wonach die CDU "ohne jeden Zweifel" die Partei der Inneren Sicherheit sein müsse, so darf man sich doch über die Neuerfindung eines ehemaligen Harte-Kante-Politikers wundern. Sein großes Thema ist jetzt die Sozialpolitik, wie er in der vergangenen Woche mit gelungenem Überraschungseffekt verriet. Seine einstmalige Strategie, auf abtrünnige AfD-Wähler zuzugehen, um sie zurück in die christdemokratische Familie zu holen, scheint er als gescheitert zu betrachten.

"Es ist dann gut, wenn dieses Jahr vorbei ist"

Bei Merz kommt vermutlich noch dazu, dass er im Wettbewerb um den CDU-Vorsitz den Konkurrenten Norbert Röttgen und Helge Braun die große Mitte der Parteiseele nicht allein überlassen will. Daran ist er nämlich schon zweimal gescheitert.

Die CDU versucht gerade, sich phasenweise zu erneuern. Nach der Bewerbungsphase beginnt nun die Vorstellungsphase. Wenn dann irgendwann auch noch die Abstimmungsphase vorbei ist, dann dürften sich viele in der CDU auch mal wieder über eine kleine Ruhephase freuen. Auch Merz gibt gleich zu Beginn der Veranstaltung zu: "Es ist dann gut, wenn dieses Jahr vorbei ist."

Zuvor beantwortet er aber noch - stets freundlich und kundig - die Fragen der Basis im Live-Chat. Ein Herr Kramer will wissen, wie er die CDU modernisieren wolle. Mehr Bottom-up, weniger Top-down, sagt Merz. Er wolle wissen, wie "die einfachen Parteimitglieder denken". Dazu übrigens eine kleine Bitte an Herrn Kramer und die anderen Zuschauer: "Geben Sie der Partei bitte Ihre E-Mail-Adresse!" Die habe man nämlich nur von etwa der Hälfte der Mitglieder, sagt Friedrich Merz. Nur so könne man die Basis besser beteiligen.

Ein Herr Finger fragt nach Möglichkeiten der Vereinigung von CDU und CSU. Klares Nein, sagt Merz. Die Union sei ja eine "fast schon geniale Konstruktion", wobei er den gegenseitigen Umgang im Jahr 2021 ausdrücklich nicht genial fand. "Und das war im Übrigen auch ein Grund für die Wahlniederlage", sagt Merz. Mit freundlichen Grüßen an Markus Söder.

Erst nach einer Stunde wird die erste Frage einer Frau durchgestellt, und die beschwert sich auch gleich über die Männerlastigkeit der Veranstaltung und der Partei. "Das müssen wir besser machen", sagt Merz. Später kommen noch zwei weitere Frauen dran, eine von ihnen steht kurz vor der Rente und will wissen, warum sich Merz das mit dem Parteivorsitz in seinem Alter nochmal antue? "Das haben mich Teile meiner Familie auch gefragt", sagt Merz. Es habe in der Tat schon etwas Irrationales. Ehrlich ist er ja.

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